Handlungskonzept gegen Kinderarmut

Özlem Demirel

Seit 1990 ist die Kinderarmut in Deutschland gestiegen. Nicht zu letzt hängt diese Entwicklung mit den Reformen in dieser Zeit zusammen. Prof. Butterwege, Kölner Armutsforscher, sieht den Hauptgrund dafür im massiv betriebenen Um- und Ausbau des Sozialstaates.

Weit verbreitete und strukturelle Arbeitslosigkeit, Verteuerung und steigende Preise, am intensivsten seit der Einführung des Euros, sinkende bzw. stagnierende Löhne sind mit unter Entwicklungen der letzten Jahre, die die meisten Menschen in ihrem alltäglichen Leben spüren.  

Kinder sind diejenigen, die rein gar nichts mit dieser Entwicklung zu tun haben und auch keinen Einfluss hierauf haben. Trotzdem sind sie im Moment diejenigen, die am meisten hiervon betroffen sind.  

Arm sein bedeutet für Kinder ausgeschlossen zu sein. Es bedeutet nicht nur wenig Geld zu haben. Sie sind vom Alltag gleichaltriger ausgeschlossen. Sie können sich keinen Musikunterricht, Sportverein, Schwimmbad- oder Kinobesuch leisten, aber auch keinen Nachhilfeunterricht für die Schule nehmen. Sie können nicht mithalten, leben in der Regel in beengteren Wohnverhältnissen, in vernachlässigten Wohnvierteln mit schlechten Schulen und teilweise mangelnden sozialen Angeboten. Das schlimmste hieran ist, dass sie in unserem derzeitigen Schulsystem auch nur mit großer Mühe  und als Ausnahme den Teufelskreis der Armut brechen können.  

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mit ihnen das teilen, was mir mal eine Grundschullehrerin mitteilte. Ein Schüler wäre mal zu ihr gegangen und habe gesagt: ?Ich habe Hunger, aber nichts zu essen?. Daraufhin habe sie gefragt, ob seine Mama vergessen habe, ihm Pausenbrot einzupacken und er habe geantwortet:  ?Wir haben nichts zu essen zu Hause?.

Armut und Hunger ist nicht nur ein Phänomen in der so genannten Dritten Welt, sondern tritt auch verstärkt (wenn auch in einem anderen Maße) in Deutschland auf. Soviel Armut in einem so reichen Land, wie unserem; Das ist ein Armutszeugnis für uns alle.  

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße den Antrag der SPD und Grünen: Ein Handlungskonzept Kindern und Jugendlichen in Köln gleichberechtigten Zugang zur Bildung, Sport, Kultur und sonstigen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht, und auch der Änderungsantrag der CDU, der in die gleiche Richtung wie unser Änderungsantrag geht, ist ein richtiger Antrag.

Dennoch komme ich nicht daran vorbei, hier auch noch mal meine Kritik an all diesen Parteien zu äußern, die einen großen Beitrag zu dieser Entwicklung, nicht zuletzt mit der Einführung der Hartz-Gesetze, geleistet haben.   

Meine Damen und Herren, Weihnachten steht vor der Tür. Das ist die Zeit auf die sich in der Regel Kinder am meisten freuen. Doch viele Kinder werden auch in diesem Jahr zu spüren bekommen, dass ihr persönlicher Weihnachtsmann arbeitslos ist. Im Regelsatz von ALG II für Kinder und Jugendliche sind sage und schreibe 1,54 Euro pro Monat für Spielzeug vorgesehen. Eine schöne Bescherung kann dies nicht werden. Wir sollten über eine Weihnachtsbeihilfe, die wir übrigens in den letzten Jahren auch beantragt haben nachdenken.  

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt vieles zu tun. Vieles muss vom Land und Bund aus gesteuert und verändert werden. Wir brauchen eine höhere Grundsicherung für Kinder. Aber auch auf kommunaler Ebene müssen wir Handlungskonzepte erarbeiten, den Kindern mehr Möglichkeiten zu einer gesellschaftlichen Teilhabe geben. Soziale Einrichtungen müssen gestärkt und Projekte für Kinder fokussiert werden.      

Wir sollten erneut über die Elternbeitragsregelung für Kinder unterhalb der Armutsgrenze nachdenken. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir Schulmilch für jedes Grundschulkind sicherstellen können. Oder Initiativen wie "Jedem Kind ein Instrument (JeKI)", die es in dieser Form auch in anderen Kommunen gibt, genauer unter die Lupe nehmen und die Möglichkeiten wahrnehmen, hier auch ähnliches einzuführen.

Das wichtigste ist aber, etwas gegen die Ursachen von Armut zu unternehmen. Das heißt, wir müssen auch Wege finden, wie wir als Kommune gezielter Arbeitsplatze (Betonung auf Arbeitsplatze, nicht Maßnahmen, die die Statistik verschönern) und Ausbildungsplätze schaffen und ausbauen können.    

Meine Damen und Herren, das berichten und debattieren ist das eine, aber Veränderungen zu schaffen, das ist das andere. Der Antrag, den wir gleich verabschieden werden geht in die richtige Richtung und setzt auch das richtige Zeichen. Nämlich, dass wir auch als Kommune unsere beschränkten Möglichkeiten zum Gunsten der benachteiligten Kinder ausschöpfen wollen. Ich hoffe die notwendigen Veränderungen werden dem folgen und auch die Landes- und Bundesebene wird ihrer Verantwortung hier nachkommen.