Wir zahlen nicht für Eure Krise!

Özlem Demirel

Rede auf der Landesweiten Demonstration in Essen am 20.03.2010

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich freue mich, dass wir uns heute hier so zahlreich versammelt haben, um ein Zeichen gegen eine Umverteilung von Unten nach Oben zu setzen. Um deutlich zum Ausdruck zu bringen: "Wir zahlen nicht für eure Krise"

Das Jahr 2010 soll für die deutsche Wirtschaft zum Jahr der ?Krisenbewältigung? werden. Dies bedeutet noch schnellere und intensivere Umverteilung von unten nach oben. Die Reichen versuchen ihre ?Verluste? der letzten Monate wieder einzutreiben.

Für uns kann das nur bedeuten: Kampf um Löhne, Kampf um Arbeitsplätze, Kampf um Arbeitszeitverkürzungen und Kampf um Sozialleistungen. Der Winter war sehr kalt dieses Jahr, aber mit dem Frühlingsanfang fangen wieder wärmere Tage an. Mit dieser Demonstration heute beginnen auch wir eine heiße Phase.

Sarazin sagt Hartz IV-Empfänger sollen sich an kalten Tagen dickere Pullover anziehen anstatt zu heizen. Wir aber sagen den Verursachern und Profiteuren der Krise: Zieht auch warm an, denn eure Krise zahlen wir bestimmt nicht!

Freundinnen und Freunde,
Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland immer weiter auseinander.

Westerwelle spricht von Spätrömischer Dekadenz und meint damit Kürzungen bei Hartz-IV. Wer aber war dekadent im alten Rom? Es war eine kleine Elite, eine Elite der Reichen und Mächtigen, die sich nur noch von einer Orgie zur anderen schleppte, während für die Normalbevölkerung nur ?Brot und Spiele? blieb.
Wenn er das gemeint hätte, hätte Westerwelle recht. Und genau deshalb sagen wir: Millionäre zur Kasse! Auf seine Schlussfolgerung wiederum antworten wir: Her mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro! Her mit der Erhöhung der Hartz IV Regelsätze auf 500 Euro!

In NRW besitzen die reichsten fünf Prozent 30 Prozent des Gesamtvermögens. Die reichsten 20 Prozent teilen sich zwei Drittel des Reichtums. Den restlichen 80 Prozent bleibt nur noch ein Drittel und eine halbe Millionen Kinder leben in NRW von Hartz IV.

Es ist zynisch, dass Angela Merkel trotzdem propagiert, dass wir alle im gleichen Boot sitzen würden. Sie sagt, dass wir uns alle dafür einsetzen müssten, dass das Land wieder wirtschaftlich nach vorne kommt. Aber als es in der Vergangenheit um die sozialen Sicherungssysteme, um Gesundheit und Bildung ging, da musste auf Kosten der Armen gespart werden. Da hieß es immer und immer wieder, die Kassen seien leer!  Dies zeigt für wen in diesem Land Politik gemacht wird. Dieser Politik aber stellen wir uns heute gemeinsam entgegen!

Freundinnen und Freunde, Verschiedene Studien zeigen heute deutlich, dass Migrantinnen ganz besonders unter dieser Krise leiden. So haben jetzt schon rund 20% der Migranten keinen Schulabschluss. Über 40% der Migranten haben keine Ausbildung. Die Arbeitslosenquote ist bei Migranten doppelt so hoch und mit 28,2 % sind Migranten deutlich stärker als Deutsche von Armut betroffen. Wir wollen aber eine soziale und rechtliche Gleichstellung für Alle!

Leiharbeiter sind in der Krise als erstes entlassen worden. Unter ihnen waren besonders viele Migranten. Deswegen sagen wir: Leiharbeit gehört abgeschafft.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers spricht von ?Rumänen, die zur Arbeit gehen, wann es ihnen passt? und der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin von ?Türken und Arabern, die keine produktive Funktion haben?. Solche rassistischen Äußerungen haben in der Krise nur einen Zweck. Sie sollen von den wahren Ursachen von Armut, Arbeitslosigkeit und dem ungerechtem Bildungssystem ablenken. Sie sollen die Menschen nach Nationen, Ethnien und Kulturen spalten.
Mit solchen Äußerungen wird der Nährboden für Rassisten und Faschisten und für ihre Menschenverachtende Ideologie geliefert.

Doch denjenigen, die versuchen uns zu spalten sagen wir ganz klar: Wir lassen uns nicht spalten!

Freundinnen und Freunde, insbesondere seit dem 11. September wurden unter dem Schlagwort ?Kampf der Kulturen? im In- und Ausland Vorurteile geschürt und Kriege gerechtfertigt. Wir sagen: Krieg und Krise sind zwei Seiten einer Medaille.
Die Minarettdebatte im vergangenen Jahr war Ausdruck dieser Vorurteile. Auch Pro NRW und NPD versuchen hierauf aufzubauen um ihr Menschenverachtende Hetze zu verbreiten.

Umso wichtiger ist es, dass wir denen auch am kommenden Wochenende in Duisburg einen Denkzettel verpassen. Deshalb möchte ich euch aufrufen: Kommt nächstes Wochenende nach Duisburg! Die tatsächlichen Grenzen verlaufen nicht zwischen den Religionen, Kulturen oder Nationalitäten, sondern zwischen Arm und Reich, zwischen unten und oben!

Liebe Freundinnen und Freunde,
Denen die uns spalten wollen, stellen wir unsere Gemeinsamkeiten entgegen.

Unsere Vision verdeutlicht der türkische Dichter Nazim Hikmet in dem er schreibt: ?Leben einzeln und frei wie ein Baum und geschwisterlich wie ein Wald! Das ist unsere Sehsucht? Und die Losung hierfür zeigt der deutsche Dichter Berthold Brecht in dem er sagt: ?Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren?
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen erfolgreichen Kampf! Gemeinsam sind wir stark!