"Wir können nicht noch Jahre warten, bis eine Soziale Erhaltungssatzung in Mülheim in Angriff genommen wird!"

Michael Weisenstein

Ratsrede am 17.11.2016

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Köln herrscht Wohnungsnot:
- Günstige Wohnungen verschwinden. Sie werden luxussaniert und kommen mit deutlichem Aufschlag wieder auf den Markt
-nicht mehr im günstigen Preissegment für Normalverdiener sondern als teure Wohnung für Menschen mit überdurchschnittlichem Gehalt.
- Manchmal werden hierfür auch Wohnungen zusammengelegt: Wo früher zwei Familien lebten, ist es jetzt nur noch eine - oder vielleicht ein gutverdienender Single.
- Oder die luxussanierte Wohnung wird nicht mehr als Mietwohnung, sondern nur noch als Eigentumswohnung angeboten.

Die Folge: Menschen, die seit Jahrzehnten in ihrem Viertel leben, müssen dieses verlassen. Sie können sich die gestiegenen Mieten nicht leisten. Erst recht können sie es sich nicht erlauben ihre frühere Mietwohnung zu kaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren, vor jetzt über drei Jahren, im September 2013, hatten wir im Stadtentwicklungsausschuss beschlossen, in Köln Soziale Erhaltungssatzungen einzusetzen. Mit diesem Instrument können wir gegen übermäßige Aufwertungen vorgehen und die Verdrängung von Mietern ausbremsen. Wir können Luxussanierungen, Zusammenlegungen von Wohnungen und die Umwandlung von preisgünstigen Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen verhindern.

Nach diesem Beschluss wurde bislang nicht eine Soziale Erhaltungssatzung erlassen! Schlimmer noch: Die Verwaltung gab in ihrer Mitteilung 2311/16 bekannt, dass entgegen ursprünglicher Planungen nur noch das Severinsviertel und nicht Mülheim durch die Soziale Erhaltungssatzung geschützt werden soll.

Professor Dr. Jürgen Friedrichs und seine Mitautoren haben in diesem Jahr ihre wissenschaftlichen Arbeit " Gentrifizierung in Köln" (Opladen, Berlin, Toronto 2016) veröffentlicht. Hierfür haben sie die Situation in den Stadtteilen Mülheim und Deutz untersucht. Mülheim sehen die Autoren in der zweiten Phase der Gentrifizierung. Das heißt (dargestellt auf Seite 61): Die "Zahl der Modernisierungen nimmt zu; Makler, Investoren, Spekulanten und Banken werden auf das Gebiet aufmerksam [...] Miet- und Bodenpreise steigen" - Meine Damen und Herren, noch können wir etwas gegen diese Entwicklung tun!

Aufgrund ihrer Erhebungen stellen die Autoren (auf Seite 85) fest: "Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist in beiden Gebieten [also Mülheim und Deutz] zu beobachten". Sie ziehen (auf Seite 77) den Schluss: "Wir erwarten daher einen überdurchschnittlich hohen Anstieg der Mieten in beiden Gebieten."

Meine Damen und Herren, wir können nicht noch zwei, drei oder vier Jahre warten, bis eine Soziale Erhaltungssatzung in Mülheim in Angriff genommen wird! Wir haben ein enges Zeitfenster, die Umwandlung des Stadtteils ist in vollem Gange. Die Neubaugebiete im Mülheimer Süden und am Rhein erhöhen den Aufwertungsdruck zusätzlich.

Nicht nur die Mieter im Severinsviertel und in Mülheim sind von diesen Entwicklungen bedroht. Die vorbereitenden Untersuchungen des Statistikamtes zeigen, dass ähnliche Prozesse auch in anderen Vierteln, wie zum Beispiel Kalk, bereits begonnen haben. Für diese Viertel fordern wir mit unserem Antrag ein Monitoring, damit wir eingreifen können, sobald dies nötig wird.

Meine Damen und Herren, das Instrument Soziale Erhaltungssatzung ist erprobt und hat sich in anderen Städten bewährt. München schützt Gebiete mit nahezu 200.000 Einwohnerinnen mit der sozialen Erhaltungssatzung! Wir müssen endlich auch in Köln intensiv von diesem Instrument Gebrauch machen. Wenn München fast zwanzig Satzungen schafft, müssen wir doch zwei Milieuschutzgebiete schaffen! - Das sind wir den alteingesessenen Einwohner/innen von Mülheim schuldig.

Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zu folgen. Vielen Dank.