Willkommenskultur statt Abschottung

Jörg Detjen

Rede zur Ratssitzung am 19. März 2013

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, lieber Kollege Börschel,    

sie meinen also, die Kölner Jusos, Teile der SPD-Ratsfraktion, der Rom e.V., der Kölner Flüchtlingsrat und die Ratsmitglieder von DEINE FREUNDE und der LINKEN würden Ihren Ursprungsantrag ?bewußt missverstehen?. Das haben sie auf Ihrem Parteitag gesagt und in der Presse.  

Wer öffentlich für die Reduzierung der Migration eintritt, weil sonst die ?soziale Balance?gefährdet ist, hat eine klare Aussage getroffen, die nicht humanitär, sozial und demokratisch ist. Sie ist repressiv. Viele Leute haben das nicht missverstanden, und es hätte ihnen gut gestanden, Herr Börschel, sich zu entschuldigen wie Herr Helling gerade statt den Fehler bei den Anderen zu suchen.  

Ich glaube Rot-Grün hat sich völlig verschätzt, als sie meinte, unbedingt mit Schwarz-Gelb kollaborieren zu müssen. Die WDR-Sendung Monitor hat das in der letzten Woche auf den Punkt gebracht, als sie das als eine beschämende Diskussion bezeichnete. Der Bundesinnenminister hat Sprüche aus den siebziger Jahren gedroschen. Mich hat das an die Kampagne der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft erinnert: Damals haben SPD, Grüne und linke Kräfte dagegen gewirkt. Sogar die FDP war damals aufgeschlossener als heute.    

Aber das ist lange her, und wir haben eine gewisse europäische Freizügigkeit. Wir reden nicht über Flüchtlinge oder Asylbewerber, sondern über Roma, die die europäische Staatsbürgerschaft haben. Deshalb können wir das noch weniger verstehen, dass sich Rot-Grün auf diese reaktionäre Soße eingelassen hat und meint mit CDU und FDP die EU unter Druck setzen zu können. Die Positionen der EU zu den Roma sind auf jeden Fall progressiver als die der Bundesregierung. Und ich möchte auch auf die Äußerungen vom EU-Präsidenten Martin Schulz hinweisen, der die deutsche Politik vor Panikmache gegen die Roma gewarnt hat.    

Liebe Kolleginnen und Kollegen,  

wissen Sie eigentlich, dass in den letzten Monaten Tausende von Ärzten aus Rumänien nach Deutschland, ja auch nach Köln, gekommen sind und hier in den Krankenhäusern operieren und praktizieren? Sie alle sind uns willkommen! Und zum Glück gibt es auf dem Papier keine Europäer zweiter Klasse: Deshalb sind uns auch die Roma willkommen, wenn sie Rumänien verlassen, weil sie dort unterdrückt und stigmatisiert werden.    

Die Unterbringung der Roma im letzten Herbst in der Turnhalle, auch wenn es nur eine Woche war, ist für mich bis heute noch beschämend. Ich war damals mit den Ratskollegen Ossi Helling und Walter Schulz vor Ort. Ich glaube wir sind uns bis heute einig: Das darf nicht wieder passieren.    

Meine Damen und Herren,  

es ist schön, Resolutionen an die Bundesregierung zu verabschieden. Viel wichtiger ist es aber in der Politik vor Ort zu schauen, was kann man noch selber machen. Wir reden hier nicht über Schlaglöcher, sondern über Menschenleben und soziale, europäische Grundrechte, für die es sich lohnt zu streiten: Heute, morgen und übermorgen!  

Nachbemerkung: Der 4er Antrag von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP war fristgerecht gestellt. Als Tischvorlage (!) wurde ein Ersetzungsantrag von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gestellt, bei dem die FDP schon nicht mehr als Antragsteller dabei sein wollte.

DIE LINKE lehnte auch diese Resolution ab, in der es heißt: "Eine aus struktureller Not entstehende Migration lässt sich nur vermindern, wenn die Menschen bessere Lebensperspek-tiven in ihren Herkunftsländern vorfinden."

Weiter unten heißt es: "Kurzfristig muss zur Sicherung der sozialen Balance ein Sofortprogramm für die Kommunen aufgelegt werden, um die Städte, die besonders von dem Zuzug betroffen sind, mit zusätzlichen Ressourcen zu unterstützen."

Den angenommenen Änderungsantrag von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen kann man hier im Original nachlesen.