Vermögenssteuer jetzt!

Claus Ludwig

Die Mehrheit des Rates wollte zu diesem Zeitpunkt keine Debatte über das Thema. Deswegen hat sie den Antrag der LINKEN in den Beschwerdeausschuss verwiesen. Auf Antrag der LINKEN lässt die Stadtspitze gerade prüfen, ob dieses Vorgehens rechtens ist. Ein Ergebnis steht noch aus.

Wir dokumentieren die nun nicht gehaltene Rede des Ratsmitglieds Claus Ludwig.

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, Frau Kämmerin Klug,

sie haben gestern im Finanzausschuss darauf hingewiesen, dass die Krise der kommunalen Finanzen nicht mit eigenen Mitteln gelöst werden kann, dass Maßnahmen wie die ?Bettensteuer? diese lediglich abmildern können. Ich füge hinzu: Maßnahmen wie die geplanten massiven Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich haben ebenso einen nur geringen oder gar keinen Effekt auf die Entwicklung des städtischen Haushaltes, verdampfen wie Tropfen auf einem heißen Stein. Für die betroffenen Einrichtungen und ihre Nutzerinnen und Nutzer hingegen entfalten sie eine nachhaltige zerstörerische Wirkung. Frau Kämmerin, zu Recht haben sie im Finanzausschuss gesagt, dass die strukturelle Unterfinanzierung nur durch Maßnahmen seitens des Bundes und der Länder beseitigt werden kann. Das präzisieren wir mit unserem hier vorliegenden Antrag.

Die kommunalen Haushalte sind durch sämtliche Bundesregierungen, von Kohl über Schröder über Merkel geradezu geplündert worden. Alle Bundesregierungen haben die Steuern für die Unternehmen und die Vermögenden gesenkt und die entstehenden Haushaltslöcher nach unten durchgereicht. Am fleißigsten dabei, Steuergeschenke an die Besitzenden zu verteilen, war übrigens die Regierung Schröder-Fischer. Durch die Steuersenkungen zu Gunsten der Vermögenden fehlten den NRW-Kommunen in 2012 3,2 Milliarden Euro. Hätte es diese Steuergeschenke nicht gegeben, hätten NRW-Kommunen überhaupt keine Kassenkredite aufnehmen müssen.  

Seit 2008 sind die Schulden der öffentlichen Haushalte auf 2 Billionen Euro gewachsen. Doch die Armut des Einen ist der Reichtum des Anderen, denn die privaten Vermögen sind noch gewachsen. Allein die Vermögen derjenigen, die jeweils mehr als 10 Millionen Euro Privatvermögen besitzen, übersteigen sämtliche öffentlichen Schulden. Die Privatvermögen sind zudem ungleicher verteilt als noch vor 10 oder gar 20 Jahren. 500.000 Millionäre, das sind 0,7% der Bevölkerung über 16 Jahre, besaßen 2007 zwei Drittel der gesamten Privatvermögen.

Die von der Regierung Merkel betriebenen und von der EU verhängten Kürzungen in Griechenland, Portugal, Spanien und Zypern erwürgen die Konjunktur, führen zu Rekordarbeitslosigkeit und damit zum weiteren Anstieg der Schulden dieser Länder. Dieses Austeritätsregime ist über Südeuropa schockartig und schnell verhängt worden. Doch in den deutschen Kommunen herrscht ein ähnliches Regime, es wurde allerdings schleichend, auf nunmehr 20 Jahre gestreckt, eingeführt. Die Investitionen nordrhein-westfälischer Kommunen sind von 1994 bis 2008 von rund 1,5 % auf ca. 0,5 % des Bruttoinlandsproduktes in NRW gefallen. Diese Zahlen klingen abstrakt, aber sie sind täglich spürbar: Marode Schulgebäude, löchrige Straßen, fehlende Wohnungen, und Kultur- und Sozialeinrichtungen am Limit.

Die Umverteilung muss jetzt beginnen, um den finanziellen Kollaps der Kommunen zu verhindern. Die LINKE. fordert eine Vermögenssteuer von 5 % auf alle Vermögen über 1 Million Euro und nennt dies demgemäß Millionärssteuer. Dadurch würden sich bundesweit 80 Milliarden Euro an Mehreinnahmen ergeben, die an die Länder zu verteilen wären. NRW würde ca. 16 Milliarden erhalten. Würden diese Einnahmen in NRW zu 100% in die Verbundmasse des kommunalen Finanzausgleiches eingehen, würden die Kommunen davon 23 %, also 3,7 Milliarden Euro bekommen. Der Anteil von Köln läge bei mindestens 110 Millionen jährlich.

Sie können sich selbst ausrechnen, was damit möglich wäre: Kommunale Investitionsprogramme, z.B. im Wohnungsbau, im Bildungsbereich, beim Umweltschutz usw. 5 % Vermögenssteuer treiben keinen Millionär in die Armut, niemand muss seine Villa oder Yacht verkaufen. Insofern ist die Forderung der LINKEN durchaus bescheiden und hat weniger von Enteignung an sich als die Pläne der EU und der zypriotischen Regierung, eine Zwangsabgabe von jedem Kontoinhaber zu kassieren.

Aber wir wissen, dass wir ihnen unsere bescheidene Millionärssteuer nicht zumuten können. Deswegen sind wir noch bescheidener. Wir möchten Ihnen heute lediglich vorschlagen, sich auf Anregung des DGB, der diese Initiative in den Ausschuss für Anregungen und Beschwerden eingebracht hat, dem Aufruf ?Vermögenssteuer jetzt? anzuschließen. Dabei handelt es sich um ein breites Bündnis, was eine Vermögenssteuer von 1 % - bei einem Freibetrag von 500.000 Euro ? fordert. Dies würde zu Mehreinnahmen von ca. 20 Milliarden jährlich führen.

Die Forderung nach einer strukturellen Besserstellung ist nicht neu, die Stadtspitzen jeder Großstadt äußern sie regelmäßig, der Deutsche Städtetag betont es immer wieder. Aber diese Forderung bleibt wirkungslos, wenn sie nicht konkretisiert wird. Der Argumentation für eine Rettung der Kommunen bleibt zahnlos, wenn die OB und die Gemeindevertretungen nicht bereit sind, sich mit Bund und Ländern anzulegen; wenn sie nicht bereit sind, einen Kampf gegen ihre eigenen Parteifreunde auf diesen Ebenen aufzunehmen. Die bessere Ausstattung der Kommunen wird nicht gnädig gewährt werden, sie muss erkämpft werden.

Dafür ist allerdings auch eine Mobilisierung der Bevölkerung vor Ort nötig. Diese lässt sich aber verständlicherweise nicht mobilisieren, wenn sie sieht, dass der Rat die Kürzungen nur nach unten weiter reicht, sozusagen nach unten tritt, aber nach oben nur buckelt, getarnt durch hilfloses Jammern.

Wenn die Stadt den Aufruf ?Vermögenssteuer jetzt!? unterstützt, ist das erst einmal nur ein symbolischer Akt. Allerdings beinhaltet der Aufruf das Potenzial, die Forderungen der Städte und Gemeinden zu konkretisieren und zuzuspitzen. Auf der Grundlage dieses Aufrufs könnten die Kommunen eine gemeinsame Strategie zur Durchsetzung dieser Forderung entwickeln. Man stelle sich vor: Es gäbe Informationsveranstaltungen, um die Bevölkerung für dieses Projekt zu begeistern. Keine Kürzungen mehr, sondern kommunale Investitionen, um das Leben in der Stadt zu verbessern. Auf dieser Grundlage müssten nicht ein paar einsame OB vor dem Bundestag demonstrieren, sondern man könnte Zehntausende Menschen auf die Straße bringen, echten Druck erzeugen.

Umverteilung ist nötig und möglich. Heute schlagen wir einen ersten Schritt vor. Den mögen Sie nur für symbolisch halten. Aber wenn Sie schon auf dieses Symbol verzichten wollen, sind ihre Lamenti über die kommunale Finanzkrise kaum ernst zu nehmen; dann tragen Sie, genau wie Ihre Parteifreunde in Bund und Land, die volle Verantwortung für den Niedergang der städtischen Finanzen.