Streiter für Chancengerechtigkeit

Interview mit Ahmed Sinoplu, Geschäftsführer von Coach e. V.

Der Coach e.V. – Kölner Initiative für Bildung und Integration junger Migrant*innen hat mittlerweile fünf Standorte in Köln. Neben diversen Angeboten für 450 Kinder und Jugendliche und deren Eltern bietet er Fortbildungen für MultiplikatorInnen aus Schule und Jugendarbeit an und eine „Empowerment-Akademie“ für junge Menschen mit Diskriminierungserfahrung. Er hat über 25 Mitarbeitende und einen Jahresetat von 1,5 Millionen. Der Verein leistet nicht nur individuelle Hilfe, sondern versteht sich auch politisch als Streiter für Chancengerechtigkeit und gegen Diskriminierung. Dafür wird er in diesem Jahr mit dem Bilz-Preis ausgezeichnet, den die Kölner Bilz-Stiftung jährlich vergibt. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer, Ahmet Sinoplu.

Was macht Euer Verein?

Ahmet Sinoplu: Bei unserem dreigliedrigen diskriminierenden Schulsystem ist es klar, dass es oft ein Zufall ist, ob Kinder und Jugendliche ihr Potenzial entfalten können, wenn zu Hause nicht die entsprechende Unterstützung möglich ist. Familien kommen mit dem Bedarf der Hausaufgabenhilfe, der Lernförderung zu uns. Dadurch, dass wir die Familien und Kinder auch über eine längere Zeit begleiten, im Durchschnitt vier Jahre, durch unsere Beziehungsarbeit und auch durch unseren mehrsprachigen Zugang zu den Familien und Communities können wir sie auch beraten, insbesondere beim Übergang Schule Beruf, wo wir die langjährigen Expertise ja auch haben. Wir haben eine Vätergruppe, wir haben eine Müttergruppe. Da geht es darum, dass wir Eltern begleiten, informieren. Zu den Fragen, die relevant sind mit Blick auf die Bildungskarriere der Kinder und Jugendlichen, aber auch allgemeine Fragen, sei es jetzt: Wie überlebe ich die Pubertät als Eltern oder auch als Jugendliche? Wie gehe ich mit Krisen, mit Konflikten um? Wie ist das Schulsystem in Deutschland? Was kann ich dafür tun, dass meine Kinder besser gefördert werden?

Aber mit der individuellen Förderung und der Unterstützung der Familien ist es nicht getan?

Ahmet Sinoplu: Ja, wir wollen andere migrantische Organisationen und Aktive begleiten und beraten mit Blick darauf, wie sie an Ressourcen und an Finanzierung kommen können. Je mehr wir erreichen, je mehr auch Zugänge haben, desto mehr Kinder und Jugendliche können auch durch andere erreicht werden, weil der Bedarf ist größer denn je. Also wenn man auch auf das Schulsystem blickt, nach wie vor.

Das System selbst ist ja leider diskriminierend und wenig durchlässig. Unsere Erfahrungen damit und was  aus unserer Sicht an Förderung notwendig ist und wie die Zusammenarbeit mit Schule klappt, das wollen wir in der Coach Akademie an MultiplikatorInnen weitergeben, wir bilden Lehrerinnen und JugendarbeiterInnen fort. Damit es bei Bildungs- und Chancengerechtigkeit nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern tatsächlich was im Einzelfall bewirkt wird. Aber um systematisch was zu verändern, da braucht man politische Wege und strukturelle Veränderungen und Paradigmenwechsel. Und das ist natürlich eine andere Mammutaufgabe.

Spannend finde ich ja auch Eure Empowerment Akademie

Ahmet Sinoplu: Da haben wir in den letzten drei Jahren 60 junge Multiplikatoren ausgebildet, die im Bereich der rassismuskritischen, diversitätsorientierten Bildungsarbeit in vielen verschiedenen Vereinen Initiativen aktiv sind. Und gleichzeitig haben wir noch einen Referentinnen-Pool aus jungen Menschen, die Trainings und Workshops usw. geben.

Und da gibt es natürlich noch viel Bedarf, sich mit Diversität, Diskriminierungssensibilität, und auch antirassistischen Perspektiven zu beschäftigen. Auch das zeigen verschiedene Studien, dass die Ressentiments nach wie vor noch in den Köpfen sind, auch der Lehrkräfte, sodass auch dort rassismuskritische, vorurteilsbewusste Bildungsarbeit notwendig ist, damit so postmigrantische Perspektiven überhaupt berücksichtigt und Kinder und Jugendliche unabhängig vom Elternhaus unterstützt werden können.

Wir finanziert Ihr Eure Arbeit? Bekommt Ihr dafür Geld von der Stadt?

Ahmet Sinoplu: Wir kriegen eine Förderung von der Stadt Köln unter anderem für die Hausaufgabenhilfe. Das wollten die vor etwa drei Jahren auslaufen lassen, weil wohl irgendjemand meinte, es bedarf keiner Hausaufgabenhilfe mehr, wenn man doch Ganztagsschulen hat. Da haben wir 40 Träger mobilisiert, die von dieser Kürzung dann betroffen wären, und da hat die Verwaltung das zurückgezogen. So können wir weiter kostenlos Hausaufgabenhilfe anbieten für Kinder und Jugendliche, die sich die sonst nicht leisten können. Und tatsächlich dann nach der Schule, zum Teil nach 14, 15, 16:00 noch zu uns kommen, um eine Hausaufgabenhilfe zu bekommen, wo auch dann lernen und Vorbereitung für Prüfungen stattfindet.

Die meisten Angebote werden über Projektmittel finanziert, was natürlich auch ein Problem ist, weil die immer sehr knapp befristet sind. Wir freuen uns über jede Spende, die für uns einen großen Unterschied macht.