Stadtkonflikte

Die Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln hatte auf ihrer Klausurtagung am 11./12. Juni die Wiener Architektin, Stadtplanerin und Aktivistin Gabu Heindl zu Gast. Sie stellte uns ihr 2020 im Wiener Mandelbaum Verlag erschienenes Buch „Stadtkonflikte. Radikale Demokratie in Architektur und Stadtplanung“ vor.

Für Heindl sind Stadtkonflikte Teil der vielfältigen aktuellen politischen und sozialen Konflikte weltweit. Zu den Brennpunkten dieser Kämpfe zählt sie die Privatisierung von öffentlichem Raum und städtischem Boden und die Nutzung von Wohnungen als Kapitalanlage. Durch die in großem Maßstab stattfindende Enteignung verlieren Menschen Rechte, Freiheiten und Sicherheiten. Sie verlieren also Möglichkeiten zur Teilhabe an der Stadt.

Heindl belässt es aber nicht bei der Darstellung der Missstände und Konflikte, sie zeigt auch Spielräume radikal-demokratischer Architektur und Planung auf.

Beim Aufbau dieses Buches greift Haindl die für neoliberale Stadtplanung stehende Abkürzung PPP (für Public Private Partnerships) auf. Ihr setzt sie drei oppositionelle Ps entgegen, die jeweils für die Hauptthemen dieses Buches stehen: Politik, Planung und Popular Agency.

Auf der Klausurtagung verdeutlichte sie ihre Auffassungen am Beispiel des Roten Wiens. Heindl schwelgte nicht in unkritischen Erinnerungen, sie fragte vielmehr, was wir heute noch aus der Politik des Roten Wiens lernen können.

Ausgangspunkt ihrer Darstellung war der auf vielen Wiener Gebäuden auch heute noch so oder ähnlich zu findende Schriftzug: „Erbaut von der Gemeinde Wien in den Jahren 1927-1928 aus den Mitteln der Wohnbausteuer.“ Die erwähnte Wohnbausteuer stieg mit der Größe der Wohnung stark an und hatte daher eine starke Umverteilungswirkung. Durch sie und eine Reihe von weiteren Maßnahmen wurden von der sozialdemokratischen Stadtregierung die Möglichkeiten eingeschränkt, mit Wohnungen Profit zu erzielen. Zu diesen Maßnahmen zählte vor allem ein starker Mieter*innenschutz, zudem das Wohnraumanforderungsrecht (nicht belegte Wohnungen konnten von der Gemeinde angefordert und an Wohnungssuchende vermietet werden) und Steuern und Abgaben zur Abschöpfung von Bodenwertzuwächsen.

In der Summe bewirkten diese Maßnahmen ein massives Sinken der Bodenpreise und einen Rückgang der privaten Bautätigkeit. Die Antwort der Gemeinde auf den Rückgang der privaten Bautätigkeit war nun nicht, Zugeständnisse an die private Bauwirtschaft zu machen, sondern selbst Wohnungen zu bauen. Die Folgen des massiven städtischen Wohnungsbauprogramms sind bis heute wahrnehmbar: Immer noch ist beinahe die Hälfte der Wohnungen in Wien in kommunalem oder gemeinnützigem Eigentum.

Für Heindl zeigt das Rote Wien, das einmal etwas anders möglich war; und damit wird die Möglichkeit belegt, dass es auch heute und in Zukunft anders sein kann. Doch bei aller Begeisterung für die damaligen Leistungen warb sie für kein bloßes Nachahmen, sondern für ein „kritisches Erben“. So kritisierte sie die Bevormundung der Arbeiter*innen durch die sozialdemokratische Stadtregierung und deutsch-nationale Züge deren Politik. Reste dieser Politik sind auch im gegenwärtigen Wien noch zu finden. Als Beispiel führte sie das Zugangssystem zu Gemeindewohnungen an, das Nicht-Wiener*innen diskriminiert.

Demokratisierung von Demokratie in Zeiten ihrer Krise

Heindl will die Privatisierung städtischer Räume stoppen und Zukunftsperspektiven einer sozial und ökologisch gerechten Stadt entwickeln. Die von ihre geforderte radikal-demokratische Planung steht im Widerspruch zum verbreiteten Selbstverständnis der in den Städten herrschenden Politik. Auch in Köln suchen Politik und Verwaltung die Zusammenarbeit mit Privaten, will die Verwaltung ‚schlank‘ sein und versteht sie die Bevölkerung als ‚Kundschaft‘. Die heutige Planung bezeichnete Heindl als „Investoren getrieben“. Sie ist in hohem Maß in die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse eingebunden, verleugnet dies aber.

Wenn Heindl mehr Planung fordert, dann meint sie auch eine andere Planung. Daher verbindet sie die Forderung nach mehr Planung mit der Frage, mit wem, durch wen und für wen denn geplant wird.

Die heute oftmals angewandte Form der Öffentlichkeitsbeteiligung führt nicht selten zu einer Entpolitisierung von Konflikten und dient zur Rechtfertigung der Investoreninteressen. Kritische Kräfte werden zwar einbezogen, letztlich aber lediglich benutzt, um der herrschenden Politik den Schein von Offenheit und ein Stückchen mehr Berechtigung und Glaubwürdigkeit zu geben. Die starke Zunahme letztlich wirkungsloser Teilhabe-Verfahren bezeichnet der Stadtplaner Klaus Selle als „Particitainment“.

Die Alternative zu dieser Schein-Demokratie ist eine Re-Politisierung der Planung. Dazu ist es notwendig, Konflikte und Dissense nicht als Beschädigungen der Politik, sondern als wesentliche Elemente der Politik zu verstehen. Die Möglichkeit, politischen Streit auszutragen, muss gegen den Drang zum Konsens verteidigt werden. Für eine lebendige Demokratie ist es wichtig, dass die Unterschiede zwischen den politischen Positionen nicht verwischt werden.

Aus dieser sehr anregenden Diskussion hat die Fraktion die Konsequenz gezogen, zukünftig noch stärker auf die Vertiefung der kommunalen Demokratie zu drängen. Die Kritik an den Pseudo-Öffentlichkeitsbeteiligungen trifft auch in Köln voll und ganz zu. Hier werden wir zukünftig auf mehr tatsächliche Teilhabe bestehen, vor allem der Menschen, die bisher eher selten bis gar nicht angesprochen werden.