Soziale Strukturen erhalten - städtische Einnahmen stärken!

Jörg Detjen

Haushaltsrede in der Ratssitzung am 30.04.2013

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

die Fraktion DIE LINKE bedankt sich ausdrücklich bei der Verwaltung und insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kämmerei für die sachliche und informative Arbeit.
Auch wenn wir erhebliche Differenzen in der Sache haben, war z.B. die Transparente Darstellung der Haushaltspositionen wichtig, um soziale Kürzungen im Detail beurteilen zu können.

Wir möchten uns aber auch bei der Presse bedanken, die sich sehr viele Mühe gegeben hat, Auswirkungen von sozialen Kürzungen darzustellen. Toll war z.B. die Doppelseite im Stadt-Anzeiger zu den Sozialräumen, die in jedem Lokalteil über den jeweiligen Sozialraum berichtet hat.

Vor allem möchte ich mich bei den Kölnerinnen und Kölnern bedanken, die sich beherzt an Diskussion und Protestaktionen gegen die Haushaltskürzungen beteiligt haben. Auch heute wird wieder vor dem Rathaus protestiert.
Dank an die Protestierenden auch deshalb, weil sie immer den Gesamtzusammenhang der Sozialpolitik gesehen haben und nicht nur ihre gesonderten Probleme.
?Widerstand hat Wirkung!? ? das hat sich auch hier gezeigt. Diejenigen, die sich gewehrt haben, hatten auch einen gewissen Erfolg. Bürgerhäuser, Sozialräume und Interkulturellen Zentren wurden in ihrer Struktur bewahrt.

Dennoch kommen auch diese Bereiche nicht ohne Beschädigungen davon ? Beschädigungen, die Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, im Finanzausschuss beschlossen haben und heute bestätigen werden!

Sie haben im Sozial- Jugend- Schul- und Kulturbereich Kürzungen von ca. 2,5 Mio. Euro zurückgenommen, aber gleichzeitig wollen sie heute Kürzungen von über 5 Mio. Euro in 2013 und 11 Mio. Euro in 2014 beschließen.

Sie werden mit diesem Haushalt soziale Strukturen zertrümmern:
Das Seniorennetzwerk wird auf Null reduziert. Die Netzwerk-Arbeit der Wohlfahrtsverbände wird erheblich eingeschränkt und Verwaltungsstrukturen der Interkulturellen Arbeit werden ohne Ersatz zerschlagen.

Meine Damen und Herren, ich habe mich ja gefragt, ob wir heute noch einmal aus ihren Reihen das Wort ?Effizienzteam? hören würden. Wie hatten Sie sich doch vor einem halben Jahr gegenüber der Öffentlichkeit aufgeblasen! Was war nicht alles von diesem Team aus SPD, CDU, Grünen und FDP zu erwarten! ? Und nun? ? Nichts! Nicht einen Vorschlag hat dieses Team erarbeitet!

Den Gipfel des Unvermögens haben aber CDU und FDP bewiesen. Beide haben Sie keinen Veränderungsnachweis im Finanzausschuss vorgelegt. Dabei tönen sie doch ständig, die Stadt gebe zu viel Geld aus. Wo wird denn das Geld zum Fenster herausgeworfen? Wo hätten sie denn gestrichen?
Aber trotz dieser erbärmlichen Leistung bleiben sie bei der Behauptung, Köln gebe zu viel Geld aus.
Das, meine Damen und Herren, ist ideologische Verbohrtheit!

DIE LINKE hat hier im Rat immer wieder betont:
Köln hat ein Einnahmeproblem und weniger ein Ausgabeproblem! Das sehen wir auch in diesem Haushalt: Es sind doch keine unwichtigen Posten, die heute gekürzt und gestrichen werden! Es sind zentrale Leistungen für das soziale Köln!

Wie gesagt nehmen SPD und Grüne einen kleinen Teil der Kürzungen zurück. Etwa doppelt so viel wie diese Rücknahmen kosten aber die neuen Schwerpunkte, die SPD und Grüne setzen.

Und wie wollen sie das finanzieren? - Sie erhöhen die Einnahmen, indem sie ins Portemonnaie der Stadt-Familie greifen. Der Stadtwerkekonzern muss neben den bereits abgeführten 60 Mio. Euro noch mal 10 Mio. Euro in 2013 abgegeben ? und auch für 2014 ist dieser Betrag eingeplant, obwohl es noch nicht einmal einen Wirtschaftsplan gibt, ganz zu schweigen von einer Zustimmung des Aufsichtsrates.
Der GAG werden in 2013 5,4 Mio. Euro entzogen. Das ist eine falsche Politik: Beide Unternehmen brauchen ein höheres Eigenkapital um den gestiegenen Anforderungen für die Daseinsvorsorge der Kölnerinnen und Kölner nachkommen zu können.
Der GAG Millionen Euro wegzunehmen, wenn sie diese dringend für eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus benötigt, ist absurd!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, sie haben endlich das Einnahmeproblem erkannt, nur ihr Lösungsweg ist falsch.

Deshalb sagt die Kölner LINKE, wir brauchen eine moderate Erhöhung der Gewerbesteuer von 15 Hebepunkten, um das finanzielle Defizit jährlich auszugleichen.
Mit zusätzlich 21 Mio. Euro in jedem Jahr ? und nicht einmalig wie bei SPD und Grünen ? könnten die Einnahmen erhöht und die sozialen Kürzungen komplett zurückgefahren werden.
In ganz NRW ist in den letzten Jahren der Hebesatz gestiegen. Die Stadt Bonn hat beim letzten Haushalt die Gewerbesteuer auf eben 490 Punkte angehoben.

Darüber hinaus brauchen wir in Deutschland eine kommunale Finanzreform. DIE LINKE setzt sich für eine Ausweitung der Gewerbesteuer ein. Warum ein Kioskbesitzer Gewerbesteuer zahlen muss, Anwälte, Ärzte und Steuerberater aber nicht, ist kaum einzusehen.

Wir brauchen eine Umfairteilung: DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass eine Vermögenssteuer wieder eingeführt wird. Wir unterstützen eine entsprechende Initiative von Personen aus Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik. Dieses Thema wird im Juni im Rat auf der Tagesordnung stehen. Der Ausschuss Anregungen und Beschwerden hat eine entsprechende Initiative des Kölner DGB unterstützt.

Eine Einführung einer Vermögenssteuer auf Landesebene müsste damit verbunden werden, dass die Kommunen einen festen Anteil erhalten. Bei 5 % Steuer auf Vermögen von mehr als 1 Mio. Euro mit einem kommunalen Anteil von 23 % wären das ca. 110 Mio. Euro für Köln.

Die Kommunen brauchen vom Bund und vom Land mehr Finanzmittel. Denn die Armut vor allem in den Großstädten wird größer. Wir werden es nicht hinnehmen, dass zu Gunsten von Großprojekten die soziale Infrastruktur zerschlagen wird. Im Mittelpunkt stehen für Rot-Grün ? aber auch für Schwarz-Gelb ? in Köln Großprojekte, für die viel Geld ausgeben wird. Ob es die Flora ist oder der Rhein-Boulevard.

Bildung, Soziale Gerechtigkeit, Teilhabe, und Freizügigkeit sind die wichtigsten Güter, die wir haben. Die stehen für uns im Mittelpunkt, die sind uns LINKE wichtig.

Dazu konkret: Bildung ist wichtig: In unserer Stadt lebt mehr als jedes 5. Kind in einem Hartz-IV-Haushalt. Gerade diese Kinder treffen Kürzungen im Jugend- und Bildungsbereich. Denn sie haben kein Geld, das sie für ihre Freizeit ausgeben können. Sie sind auf kostenlose Angebote in Schule und Jugendzentrum angewiesen.
Deshalb wollen wir die Qualität im Offenen Ganztag erhalten, den Sie 2010/11 um 5 % gekürzt haben und jetzt noch einmal um 2 %. Dabei haben die Debatten bei der Einführung schon gezeigt, dass sich alle Fraktionen einig sind, dass hier eigentlich zu wenig Geld eingesetzt wird. Eine Erhöhung der Platzzahlen ? um 500 ? mit 350.000 Euro haben wir in unserem Veränderungsnachweis ebenfalls vorgesehen. Die 1.500 ?Kurzbetreuungsplätze? für die Rot-Grün 487.000 Euro ausgeben will, sind eine Mogelpackung. Hier sollen Kinder in Schulklassen verwahrt werden, ohne fachliche und pädagogische Betreuung. Die freie Jugendarbeit ist schon massiv gekürzt, weil sie die Tariferhöhungen in den letzten Jahren nicht weitergegeben haben. Jetzt wollen Sie noch einmal 100.000 Euro 2013 und 160.000 Euro ab 2014 weniger dafür ausgeben. Wir dagegen haben in unserem Veränderungsnachweis nicht nur diese Kürzungen zurückgenommen, sondern das Programm Mitternachtssport noch einmal um die Hälfte aufgestockt. Dieses Programm ermöglicht den Jugendlichen sich nicht nur auf der Straße treffen zu müssen. Es ist eine Chance auf Teilhabe am Leben in der Metropole. Mit den vorgeschlagenen 40.000 Euro kann die Sportjugend ein drittes Angebot in jedem Bezirk realisieren.

Mit der Weiterführung und dem Ausbau solcher und anderer Angebote tragen wir nicht nur zum sozialen Frieden in den Stadtvierteln bei. Durch soziale Anerkennung vermeidet man spätere hohe soziale Folgekosten.

Ein Gutachten der Prognos AG von 2011, das im Auftrag der NRW-Landesregierung erstellt wurde, errechnet, dass versäumte soziale Prävention NRW allein 2009 23,6 Mrd. Euro gekostet hat.

Der massive Ausbau der U3-Betreuung in den letzten Jahren war ein Kraftakt. Das ist unbestritten. Aber was nützt es, sich selbst für den schnellen Ausbau auf 40 % im nächsten Kindergartenjahr zu loben, wenn die Plätze trotzdem hinten und vorne nicht ausreichen. Wir haben noch einmal 500 Plätze zugesetzt und dafür 3 Mio. Euro in die Hand genommen. Das ist eine Zahl, die realistisch ist. Dann hätten wir insgesamt 1434 Kita-Plätze geschaffen, angesichts von 1987 neuen Kindergartenplätze im Kindergartenjahr 2012/2013 ist das machbar.

Soziale Gerechtigkeit ist wichtig: In sozialen Brennpunkten brauchen wir sehr gute Angebote für Kinder und Jugendliche. Wir brauchen aber auch guten und bezahlbaren Wohnraum. Miethaie gefährden mit schlechtem und teurem Wohnraum ganze Stadtteile. Wir freuen uns, dass immer mehr Mieterinnen und Mieter sich auch dagegen wehren. Wir unterstützen diesen Protest. Wir fordern die Landesregierung NRW auf: Sorgen Sie dafür, dass die Wohnhäuser in Chorweiler nicht an Miethaie verkauft werden. Deshalb hat DIE LINKE Ratsfraktion am 17. Januar, ein Tag vor der geplanten Versteigerung von 1.199 Wohnungen vor der NRW-Bank protestiert. Die Zwangsversteigerung wurde zwar verschoben, aber wir haben immer noch keine Lösung.
Die NRW-Bank ist keine Privatbank und muss endlich sozial handeln und ihrem Auftrag nachkommen ?bezahlbaren Wohnraum? zu schaffen.

Sie entscheiden gleich über unseren Antrag zur Fortsetzung des Baulücken­programms mit drei Mitarbeitern. In den letzten Jahren wurden durch diese Mitarbeiter jährlich 500 Wohnungen geschaffen. Das war gute Arbeit. Diese Stellen sollten komplett gestrichen werden. Nach zähen Verhandlungen konnte DIE LINKE erreichen, dass zwei Stellen bleiben. Wenn man für diesen Bereich sogar Personal zusetzen würde, könnte vielleicht mehr Wohnraum geschaffen werden, als den, den die GAG derzeit neu baut. Wir sind über Pressemeldungen in der letzten Woche etwas entsetzt. Dass die GAG in 2012 nur 354 Wohnungen gebaut hat und davon 212 geförderte Wohnungen, wussten wir. Dass die GAG aber in 2013 nur 300 Wohnungen fertigstellen wird und in 2014 und 2015 nur um die 200 Wohnungen geplant sind, ist verheerend. Im Jahre 2009 hatte die GAG doppelt so viele Wohnungen gebaut, nämlich 632 Wohnungen. Das ist ein Desaster von SPD und Grünen, die im Aufsichtsrat den Ton angeben. Statt ausreichenden und guten Wohnraum zu schaffen und die GAG zu stärken, wird dem Unternehmen der Gewinn entzogen.
Und gekungelt wird auch noch: Die Gewinnausschüttung stand lange fest. Die Kämmerin wurde nicht unterrichtet. Stattdessen stellt Rot-Grün das Geld in ihren Veränderungsnachweis ein. Ein auch noch peinlicher Vorgang.

Auch wenn der Kölner Stadtrat das Konzept zur sozialgerechten Bodennutzung beschließen wird, reichen diese Mittel nicht aus, um zügig mehr geförderte Wohnungen zu bauen. Die Pläne der GAG müssen auf den Prüfstand, und um hier Druck zu machen, sollte die Stadt Köln der GAG Flächen für den Bau von Wohnungen anbieten. Wir brauchen bei der Stadt Köln ein modernes Flächenmanagement. Wir müssen Gewerbeflächen in Wohn- und Mischflächen umwidmen. Und das muss schnell passieren.

Teilhabe ist wichtig

SPD und Grüne haben den Kölner Bürgerhaushalt vor die Wand gefahren. Die Beteiligung und das Interesse waren gering. Mit Teilhabe hat das nichts zu tun, wenn die Leute nur noch Einsparvorschläge machen können. Und wenn vernünftige Vorschläge gemacht werden, wie z.B. die Abschaffung der jährlichen 16.000 Freikarten für die Oper, die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens immer wieder erhalten (Platz 3) dann nimmt der Rat den Vorschlag nur zur Kenntnis. Das ist frustrierend.

Die Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik und die direkt gewählten Vertreter im Integrationsrat sind sehr besorgt darüber, dass ihre Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess drastisch eingeschränkt wird. Sieben Stellen sind gestrichen worden, bevor überhaupt ein neues Konzept für Integration bzw. Diversity erarbeitet wurde. Wir fordern die Verwaltung auf, auf die Stadtarbeitsgemeinschaft zu zugehen und in die Erarbeitung eines neuen Konzeptes einzubeziehen.

Freizügigkeit ist wichtig

Deutschland wird in den nächsten Jahren in noch größerem Umfang ein Einwanderungsland werden. Die Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt wird vieles ändern. Auf diese Anforderung hat Köln keine Antwort. Die Diskussion über die Wanderarbeiter aus Südosteuropa hier im Rat hat dies deutlich gemacht. Wer meint, Wanderarbeiter nach rassistischen Merkmalen einzustufen, wird nicht nur Beifall von rechtsextremen Kräften bekommen, sondern den Anforderungen des europäischen Arbeitsmarktes nicht gerecht.

Wir müssen Rassismus bekämpfen und die Freizügigkeit verteidigen. In den letzten Jahren gab es immer 20.000 Euro für Antirassismus-Training. Auch dieses Geld ist dem Kürzungswahn von Rot-Grün und der Verwaltung zum Opfer gefallen. Unsere Fraktion fordert ein jährliches Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus. Man hätte die Mittel für die Antirassismus-Arbeit für ein solches Aktionsprogramm nutzen können. Die Diskussion über den NSU-Terror macht deutlich, wie weit rechtsextreme Kräfte gehen: Sie morden nicht nur, sondern verunsichern bis heute Minderheiten in der Ausübung ihrer Freiheitsrechte. Faktisch führt das zu einer Art kollektivem Trauma, insbesondere in der türkischen Community.

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns des Leids der Opfer in der Keupstraße und Probsteigasse annehmen. Wir brauchen eine aufsuchende, unabhängige Opferberatung, an der sich auch die Stadt Köln beteiligt. Herr Oberbürgermeister, es eilt. Die Diskussion im Vorfeld des NSU-Prozesses in München hat das Thema wieder in den Mittelpunkt gerückt.

Schlussbemerkung:

Die Entscheidungen im Rat der Stadt Köln werden in den letzten Jahren immer komplexer und schwieriger. Das will ich nicht beklagen, sondern darauf hinweisen, dass die Anforderungen für alle noch größer werden. In den nächsten Jahren wird vor allem die regionale Zusammenarbeit mit umliegenden Kommunen angegangen werden müssen. Mit Kooperationen können wir erreichen, dass die sozialen und kulturellen Standards bei der kommunalen Daseinsvorsorge erhalten werden können.