Sonn- und Feiertagsschutz gewährleisten

Änderungsantrag zur Ratssitzung am 25.11.2010

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Fraktion DIE LINKE bittet Sie, folgenden Änderungsantrag auf die Tagesordnung der kommenden Ratssitzung zu nehmen:

Antrag:

Der Rat der Stadt Köln lehnt die Vorlage Ds. 3727/2010 ab und fordert die Verwaltung auf, eine dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 1.12.2009 entsprechende Überprüfung der Ladenöffnungsanträge vorzunehmen und das besondere öffentlichen Interesse in jedem Einzelfall zu begründen.

Begründung:

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 1. Dezember 2009 sind die Anforderungen für ein Abweichen von der Sonntagsruhe deutlich erhöht worden. In der Urteilsbegründung wird dargelegt, dass die Sonn- und Feiertagsgarantie nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit schützt. Sie ist ein bedeutsames Element für die Erholung und für das soziale Zusammenleben:
?Die Gewährleistung der Arbeitsruhe sichert eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von anderen Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Die Sonn- und Feiertagsgarantie kommt etwa dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ebenso zugute wie der Erholung und Erhaltung der Gesundheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG). Ihre Bedeutung resultiert wesentlich auch aus dem zeitlichen Gleichklang der Arbeitsruhe.? (Pressemitteilung des BVerfG Nr. 134/2009 vom 1. Dezember 2009)

Ihre Bedeutung verlangt einen umfassenden Schutz der Sonntagsruhe. Das Bundesverfassungsgericht betont deshalb zu Recht, dass die Sonntagsruhe die Regel zu sein hat. Verkaufsoffene Sonntage müssen gut begründete Ausnahmen sein. Die Grenzen für eine solche Ausnahme werden vom Gericht eng gesetzt, sie bedürfen ?eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes?. Das Gericht schreibt weiter ?Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse (?Shopping-Interesse?) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.?

Am 01.11.2011 hat das sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen eine Rechtsverordnung der Stadt Dresden zur Ladenöffnung an Adventssonntagen für ungültig erklärt. Das OVG bemängelt mit Hinweis auf den oben genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, dass das der Verordnung zu Grunde liegende Ladenöffnungsgesetz die Sachgründe für Ausnahmen von der allgemeinen Regel der Sonn- und Feiertagsgarantie nicht ausreichend darlegt.

Während über diese gerichtlichen Entscheidungen die Anforderungen an Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsgarantie stetig höher gesetzt wurden, ist auf der anderen Seite in Köln ein gegenteiliger Trend zu beobachten:

Als Rechtfertigungen für einen verkaufsoffenen Sonntag werden inzwischen die abseitigsten Begründungen vorgebracht. So soll das Viertelfinalspiel der Fußball WM der Frauen am Samstag den 09.07.2011 in Leverkusen eine Öffnung der Läden am darauffolgenden Sonntag in Lindenthal begründen. In Ossendorf ist man der Ansicht, dass Herbst zu haben ein ausreichender Grund ist, in Porz dagegen sieht man einen solchen im ?Auto?-Frühling.

?Herbst-Obst-Fest?, ?Lichtfest? und ?Eisfest? ließen die BV 4 in Ehrenfeld zögern ihren Beschluss zu fassen und die dreiste Vorverlegung des Festes zu Ehren des heiligen Nikolaus sorgte in der BV 8 in Kalk dafür, dass dieser Punkt zunächst nicht mit beschlossen wurde. Bezirksvertreter der unterschiedlichen Parteien stimmten in den verschiedenen Bezirksvertretungen gegen die Sonntagsöffnungen, was als Beleg für parteiübergreifende Skepsis zu sehen ist.

Ein ?dem Sonntagsschutz gerecht werdender Sachgrund?, wie er vom Bundesverfassungsgericht gefordert wird, ist in derart beliebigen Begründungen wohl kaum zu erkennen. Die Vorlage wird damit den Kriterien, die vom Bundesverfassungsgericht formuliert wurden, nicht gerecht.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Detjen, Fraktionssprecher
Gisela Stahlhofen, Fraktionssprecherin