Sich weigern zu schießen

Anneliese Fikentscher

In Köln wurde der Entwurf für ein Denkmal für die Deserteure der Wehrmacht vorgestellt

Ohne Punkt und Komma: »Hommage den Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Soldaten die sich weigerten zu schiessen auf die Menschen die sich weigerten zu töten die Menschen ...zu foltern ... zu denunzieren ... zu brutalisieren ... diskriminieren ... auszulachen die Menschen, die Solidarität und Zivilcourage zeigten als die Mehrheit schwieg und folgte«. Dieser in ein farbiges Buchstabenspiel getauchte Schriftzug soll das Dach einer Pergola bilden, Sonnenlicht durch sein bedeutsames Buchstabengeflecht auf den Boden spielen und die Passanten veranlassen, den Blick zu heben.

Es ist der von einer prominent besetzten Jury einstimmig favorisierte Wettbewerbsbeitrag für das Denkmal für Deserteure, Denkmal für die Opfer der Nazi-Militärjustiz in Köln. Er stammt von dem Schweizer Ruegi Baur, realisiert mit Denis Coueignoux. Gleichzeitig formulierte die Jury, »die Hoffnung, dass möglichst bald auch die letzten Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz rehabilitiert werden.«

Standort des Denkmals, das an sie erinnert, wird in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Appellationsgerichts und den gegenüberliegenden Arbeits- und Folterräumen der Gestapo, dem heutigen Sitz der Gedenkstätte des Museums NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln sein.

Am Mittwoch hatte die Fraktion der Kölner Linkspartei ins Rathaus geladen, um die Ergebnisse des Wettbewerbs, an dem sich 14 Künstler beteiligten, vorzustellen. Zu Gast war auch Ludwig Baumann, einer der letzten noch lebenden Deserteure der Wehrmacht.

2006 hatte die Fraktion gegen die Stimmen von CDU, FDP und Pro Köln die Mittel für die Ausschreibung eines Denkmals für die Deserteure in einer hitzigen Debatte durchgesetzt. Eine fünfköpfige Projektgruppe machte sich dann ans Quellenstudium. Von zwölftausend Akten im Freiburger Militärarchiv wurden bisher zehntausend Vorgänge gesichtet.

In den Akten der Divisionsgerichte, von denen drei für Köln ? je nach Frontlage wechselnd zuständig waren, konnten 104 Fälle mit Köln-Bezug ausfindig gemacht werden. Als dritte Quelle diente eine Kartei, die die Todesurteile und die Hinrichtungsorte auflistete. »Wir haben bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass in Köln kräftig hingerichtet wurde«, bilanzierte Malle Bensch-Humbach die Ergebnisse der Projektgruppe. Bislang sind 71 Hinrichtungen von Deserteuren in Köln bekannt, die meisten wurden mit der Guillotine im Gefängnis Klingelpütz umgebracht.

Wer als Deserteur das Kriegsende erlebte, erfuhr keinerlei Anerkennung, wie Ludwig Baumann am Mittwoch ausführte: »Wir sind nur als Feiglinge, als Kriminelle, als Verräter beschimpft und bedroht worden, bis wir an diesem Staat verzweifelt sind«. Die Nazirichter hingegen »haben nach dem Krieg Karriere gemacht. Sie sind aufgestiegen bis zu Bundesrichtern. Sie haben die Nachkriegsrechtsprechung entscheidend mitgeprägt. Hätten sie uns rehabilitiert, hätten sie wohl befürchten müssen, selber angeklagt zu werden. Nicht einer ist bestraft worden. Wir waren bis 2002 vorbestraft.«

Die Aufhebung der Urteile gegen Deserteure gelang erst im Jahr 2002 im Bundestag aufgrund einer Initiative der PDS. Wenn am 1. September, dem 70. Jahrestag des Überfalls auf Polen, die Einweihung des Denkmals stattfindet, wird Ludwig Baumann dabei sein ? als Ehrengast.