Schulbezirke fördern Integration

Sengül Senol

Rede zur Ratssitzung am 25.11.2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir lehnen den FDP-Antrag nicht nur in der Sache ab. Er ist auch vollkommen unnötig.

Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Schulgesetzes vom 7.7.2010 steht, dass zukünftig der Schulträger, also die Stadt Köln, entscheiden kann, ob sie Schulbezirke bilden will oder nicht. Wieso sollen wir das Land auffordern, uns diese Entscheidungsmöglichkeit wieder wegzunehmen? Haben Sie so wenig Zutrauen in ihre Entscheidungskompetenz, meine Damen und Herren von der FDP?

Die Debatte darum, ob wir Schulbezirke in Köln wieder einführen oder nicht, werden wir führen, wenn das neue Schulgesetz verabschiedet ist. DIE LINKE ist uneingeschränkt dafür.

Wenn für Sie von der FDP bei der freien Schulwahl der Elternwille ausschlaggebend ist, übersehen sie doch, dass nicht alle Eltern bzw. Kinder in gleicher Weise diese Freiheit nutzen können.

Arme Kinder verlassen in der Regel nicht ihren Stadtteil. Das zeigten Erfahrungen, die im Erfahrungsbericht zum Kommunalen Kinder- und Jugendförderplan von Ende 2009 festgehalten sind. Neben dem Unbehagen, sich außerhalb der eigenen Lebenswelt zu bewegen, gibt es handfeste finanzielle Gründe. Eine Schülerfahrkarte ist nur dann kostenlos, wenn die nächste Grundschule mehr als 2 km entfernt liegt, oder der Schulweg sehr gefährlich ist. Das ist in Köln in der Regel nicht der Fall. Das Schülerticket für Grundschüler kostet innerhalb Kölns 50,70 Euro. Das ist bereits für Mittelschichtsfamilien mit mehreren Kindern unerschwinglich.
(Das in diesem Schuljahr eingeführte ermäßigte Schülerticket für Grundschüler wird nur von Schulen angeboten, an denen viele Schüler dieses Ticket erwerben wollen. Auch diese Option ist unrealistisch.)

Auch die Idee, dass Wettbewerb durchgängig zu besseren Schulen führt, ist absurd. Eine Grundschule in einem benachteiligten Stadtteil muss wesentlich mehr Energie in die Bewältigung des Alltags investieren. Es muss Geld für Schulmaterial, Mittagessen, Ausflüge organisiert werden, das Schüler in nicht benachteiligten Stadtteilen in der Regel problemlos aufbringen. Schüler in benachteiligten Stadtteilen haben viele Probleme, die ? wenn nicht die Schule ? häufig niemand auffängt. Sprechen Sie mal mit Lehrerinnen dort.

Dieses Engagement erledigen viele Lehrer in ihrer Freizeit. Selbst wenn die Lehrerschaft darüber hinaus mit übermenschlichem Engagement ein überdurchschnittliches Profil ausbilden würde: Allein der Schulbesuch in diesem Stadtteil wirkt oft stigmatisierend. Glauben Sie im Ernst, dass engagierte Eltern ihre Kinder dann in diese Schule schicken?

Letztlich führt die Aufhebung der Grundschulbezirke zu mehr sozialer Selektion. DIE LINKE aber will keine gespaltene Gesellschaft. Wir wollen nicht, dass Migranten mehr und mehr unter sich bleiben, während deutsche Kinder Grundschulen mit einem höheren Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund verlassen, oder gut betuchte Eltern ihre Kinder in einem ?besseren? Stadtteil anmelden.
Solidarität setzt voraus, dass sich verschiedene Milieus mischen und nicht fremd bleiben. Das fängt bei Kindern an.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.