Rede zum Neujahrsempfang der Fraktion

Jörg Detjen

Am 20. 1. 2010 begrüßte die Fraktion 120 Gäste im Kardinal-Frings-Saal des Rathauses. Fraktionssprecher Jörg Detjen gab einen Rückblick auf das letzte Jahr und malte Perspektiven für das neue aus.

Meine Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen,

das Jahr 2009 war für die Kölner Kommunalpolitik mehr als bewegend:Ein Skandal jagte den nächsten, wir kamen gar nicht zur Ruhe: Dr. Bietmann, Bürgermeister Müller, Gustav-Adolf Schröder; Sparkasse, Köln-Messe, Managerverträge bei der KVB und dann der Einsturz des Stadt-Archives. Letzteres tat weh, sehr weh. Zwei Tote und eine Rentnerin, die sich nach dem Unglück das Leben nahm, dürfen wir nie vergessen.

Das hat viele getroffen, nachdenklich gemacht. Inzwischen sind aber viele Leute zu Recht auch wütend. Die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, sind dürftig, karg und fade, bzw. man drückt sich um Entscheidungen. Bis heute ist nicht entschieden, wer für die 3. Baustufe der Nord-Süd-Stadtbahn verantwortlich sein wird. Die KVB oder die Stadt Köln als Hoheitsträger.

Im Jahr 2009 hat sich die Linke verstärkt, 5,2% bei der Europawahl, 4,8% bei der Kommunalwahl und 9% bei der Bundestagswahl. Um das auch so konkret zu machen: 1999 haben wir mit 5 Leuten Rats- und Bezirksarbeit gemacht,

2005 waren wir ca. 20 Leute und heute 36 kommunale Akteure:Ob Ratsmitglied, Sachkundige Einwohnerin, Bezirksvertreter, Aufsichtsratsmitglied, Vertreter in Stadtkonferenzen oder Mitarbeiterin in der Fraktion.An diesen vielen Mandaten hängen auch die Bündnisse im Rat, die wir punktuell immer wieder eingehen werden. Mit so viel Stärke müssen wir erst einmal umgehen lernen ? Das werden wir aber hinkriegen. Dann bin ich mir gewiss.

Wir sind im Rat nicht mehr Zünglein an der Waage, dazu war unser Ergebnis nicht gut genug. Wir nehmen die Rolle in der Opposition gerne wahr. Am 7. Februar sind noch Wahlen zum Integrationsrat. Wer wählen darf, dem empfehle ich die Linke internationale Liste zu wählen. Eine offene Liste die auch die Linke unterstützt. Damit treten wir zum ersten Mal auch zu dieser Wahl an.

In der neuen Fraktion sind wir uns einig, dass wir die Zusammenarbeit mit Initiativen, Aktionsbündnissen und den Interessensverbänden verstärken wollen. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden haben wir auf der letzten Ratssitzung durchsetzen können, dass die Haushaltsmittel für das erste Quartal 2010 an die sozialen Träger ausgezahlt werden. Aber nicht nach gekürzten Eckdaten des Haushaltsentwurfes, wie es ein Antrag der vier großen Parteien vorsah, sondern nach dem alten Haushalt 2008/2009.

Dieser Antrag hat sich auf Grund zahlreicher Gespräche mit sozialen Akteuren ergeben. Diesen Dialog braucht unsere Fraktion. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Einflussnahmen von Initiativen und Kölnerinnen und Kölnern auf die Kommunalpolitik verstärkt wird. Wir denken z.B. an eine ?Stadtarbeitsgemeinschaft Arbeitslosigkeit? und treten dafür ein, dass die städtischen Beteiligungsunternehmen auch Verbraucher-Beiräte einrichten. Bei den Schwimmbädern haben wir das durchsetzen können.

Lassen Sie uns gemeinsam den Bürgerhaushalt fortsetzen und ausbauen.

Köln muss eine soziale Stadt werden. Lassen Sie uns gemeinsam darum kämpfen. Gerade in Zeiten der Krise müssen soziale Standards verteidigt und verbessert werden.

Wenn Rot-Grün Standards aufkündigt und vernachlässigt, werden wir im Rat auch das Bündnis mit CDU und FDP suchen.

Bei den Offenen Ganztagsschulen fallen z.B. viele bisherige Hortkinder hinten runter und erhalten keinen OGTS-Platz. Wir allein wissen von 22 Fällen. Linke, CDU und FDP ziehen hier an einem Strang.

Etwas ungewöhnlich, das gebe ich zu. In Vermittlung engagierter sozialer Christenmenschen kann aber auch so ein Bündnis erfolgreich werden.

Sicher sind die Schnittmengen mit SPD und Grünen im Kölner Rat größer, z.B. in der Wohnungspolitik, Energie- und Verkehrspolitik, teilweise auch in der Flüchtlingspolitik. Aber auch in der Bildungspolitik. Unseren Antrag für eine zusätzliche Gesamtschule haben SPD und Grüne mitgetragen.

Regierungspräsident Lindlar, der so gebildet ist, dass er einmal das Messegeschäft als besonders ?pfiffig? beschrieb, will die Gesamtschule in Nippes stoppen. Gleichzeitig fordert die Kölner CDU ein weitere Gymnasium.

Das ist eine offene Provokation. In einer Umfrage haben sich viele Kölnerinnen und Kölner für eine Gesamtschule ausgesprochen und fordern eine Schule für Alle. Seit über einem Jahr arbeitet in Nippes eine Elterninitiative an diesem Thema, auch die Bezirksschülervertretung fordert eine Schule für alle. Ich glaube, das wird ein entscheidendes Thema bei den Landtagswahlen werden. Bildung ist wichtig. Die Menschen wollen mehr wissen und wollen sich qualifizieren. Bildung ist auch ein Stück Freiheit und verbessert die Chance, mehr zu verdienen und sein Leben selbstständiger führen zu können.

Es gibt in bestimmten Epochen immer wieder Themen, die von Bedeutung sind. Brot und Arbeit waren revolutionäre Forderungen. Heute sind die Forderungen nach Bildung und nach sozialen Grundrechten zentrale Bausteine einer emanzipatorischen Politik.

Um soziale Rechte und soziale Standards wird es auch bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen gehen. Die gestrige Veranstaltung zum Kulturhaushalt war ermutigend. Aus dem Publikum wurde unter großem Beifall kluges Sparen gefordert und der Abriss und Neubau des Schauspielhauses kritisiert.

Wir werden SPD und Grüne bei der Kulturförderabgabe unterstützen. Wir hoffen, dass dieser Weg auch rechtlich geprüft ist. Der OB hat mir das gestern versichert.

Zur Konsolidierung wird das aber nicht reichen. Wir brauchen dringend eine Erhöhung der Gewerbesteuer, um überhaupt ansatzweise den Haushalt auszugleichen. Das könnte jährlich 40 Mio. Euro mehr bringen. Das sind Vorschläge, die man jetzt auch umsetzen könnte.

Der Vorschlag von Oberbürgermeister Roters, den Solidaritätspakt II für die ostdeutschen Länder um drei Jahre auszusetzen, berührt Bundesrecht - dazu wird es nicht kommen. Unsere Bundestagsfraktion hat vorgeschlagen, alle notleidenden Kommunen in diesem Fonds zu berücksichtigen. Was ich unterstütze. Ihn auszusetzen, heißt mal wieder Sparen bei den Armen.

Wir fordern von Rot-Grün und vom Oberbürgermeister, schnell Verhandlungen mit dem Esch-Oppenheim Fonds aufzunehmen, um eventuell das Messegeschäft rückabzuwickeln. Die Arroganz dieser Herren verblasst zusehends. Hier können wir tatsächlich sparen.

Zur Zeit weigert sich Rot-Grün real, bei den Haushaltseinnahmen Verbesserungen zu erzielen und das wird einen enorme Kürzungswelle auslösen. Schon heute rast die Kämmerei durch die Verwaltung und will die Kosten des NS-Dokumentationszentrums um 30% kürzen. Von den Kürzungen im Sozialbereich werden wir auch bald Elendsgeschichten in Erfahrung bringen.

Viele in diesem Saal haben sich im letzten Jahr quer gestellt und gegen ?Pro Köln? protestiert. ?Pro Köln? mutiert jetzt auch finanziell zur Führerpartei. Sie hat einen schwedischen Unternehmer gefunden, der sie finanziert. Herr Patrik Brinkmann stand vorher schon der NPD nahe und war Mitglied der DVU.

Wir haben in Köln auch zivilen Ungehorsam geleistet und blockiert.Wir haben uns eben quer gestellt.

Das wollen die Menschen in Dresden am 13. Februar auch machen. Die Polizei hat dies mit rabiaten Mittel unter Strafe gestellt. Gestern hat die Polizei  in Dresden und Berlin  Plakate beschlagnahmt, auf denen stand ?Dresden Nazifrei? und auch einen Computer im Linksparteibüro, das dem Bündnis die Räume zur Verfügung stellte.

Die Dresdener lassen sich dies nicht gefallen. Auch die Kölner fahren mit einem Bus nach Dresden und gemeinsam werden wir am 28. März in Duisburg gegen den Aufmarsch von ?Pro NRW? protestieren.

Lassen Sie uns die demokratische Tradition fortsetzen und gemeinsam diese rechtsextreme Partei bekämpfen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes und gesundes neues Jahr. Das Büfett ist eröffnet!!