Rat möchte sich stärker in europäischen Fragen engagieren
Ein breites demokratisches Bündnis, dem auch die Linke angehört, hat einen Antrag zu Europa eingebracht. Dort soll unter anderem beschlossen werden, dass der Stadtrat und seine Mitglieder sich stärker als bisher mit Europapolitik beschäftigen. Denn die meisten EU-Beschlüsse tangieren die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen.
Rede von Güldane Tokyürek zur Ratssitzung am 21. März 2024.
"Die Europawahl 2024 naht mit großen Schritten – und die Demokratien in der Europäischen Union werden von antieuropäischen, populistischen und rechtsextremen Parteien herausgefordert. Auch wenn die ganze Welt immer näher zusammenrückt, und junge Menschen so mobil und europaweit vernetzt sind wie noch nie: die rechtsextremen und nationalistischen Europafeinde sitzen im Europäischen Parlament. Es ist wichtiger denn je für die Zukunft des europäischen Projekts zu werben. Der Aufruf im gemeinsamen Antrag, am 9. Juni 2024 seine Stimme bei der Wahl des Europäischen Parlaments abzugeben, hat daher eine enorme Bedeutung.
Die Kommunen sind ein wichtiger Baustein des europäischen Gebäudes. In den Anfängen der Europäischen Gemeinschaft sind es die Städtepartnerschaften, die den Bürgern die Vision eines friedlichen Europas – ganz im Sinne eines Europas der Bürger – näherbringen. Die Städtepartnerschaften sind ein Erfolg, weil sie auch von Bürgerinnen und Bürgern getragen werden, die sich ehrenamtlich eingesetzt haben und es immer noch tun.
Die in Städtepartnerschaften unmittelbar erlebbaren Vorzüge von Demokratie und Vernetzung müssen sich aber auch in der Politik der EU niederschlagen. Sie muss sozialer, ihre Gremien demokratischer werden.
Die Kommunen sind zunehmend von der EU-Rechtsetzung betroffen und für deren Umsetzung zuständig. Heute geht man davon aus, dass zwei Drittel der auf EU-Ebene getroffenen Entscheidungen und Regelungen die Kommunen direkt oder indirekt betreffen. Genannt sei hier das Kommunalwahlrecht. Europapolitik ist in diesem Sinne über weite Strecken Kommunalpolitik. Insofern ist es nur richtig, sich als Kommunalpolitiker:in in den entsprechenden Gremien, die im Antrag genannt werden, zu engagieren.
Dieses Engagement zahlt sich auf so vielen Ebenen aus. Die wichtigste Ebene dürfte jedoch die der Demokratisierung sein. Die europaweiten Netzwerke können dazu beitragen, die Demokratisierung auf lokaler und europäischer Ebene zu fördern. Durch den Austausch von Informationen, Best Practices und gemeinsamen Projekten können Kommunen über ihre Vertreter:innen besser in die europäische Politik eingebunden werden. Zugleich werden auch die Bürger:innen näher an die politischen Entscheidungsprozesse herangeführt. Eine stärkere Vernetzung kann die Demokratie stärken und auch die Beteiligung der Bürger:innen.
Allerdings bedarf die weitergehende Vernetzung von Ratsmitgliedern auch bessere Strukturen und Ressourcen. Vergessen wir bitte nicht, dass auch wir uns alle in der Regel ehrenamtlich einbringen. Die meisten von uns haben neben ihrer Ratstätigkeit einen Vollzeitjob. Zusätzliche Aufgaben brauchen auch zusätzliche Unterstützung. Also schaffen wir bitte die Strukturen für die Wahrnehmung der Aufgaben."
Der Antrag wurde mit großer Mehrheit beschlossen.