"Pro NRW" und die Landtagswahl in NRW

Jörg Detjen

Rede beim 29. Treffen der antifaschistischen Landeskonferenz

Liebe antifaschistische Freundinnen und Freunde,
Meine Damen und Herren,  

das 29. Treffen der antifaschistischen Landeskonferenz ist wie schon immer kein Selbstzweck, sondern auch eine Vorbereitung und Mobilisierung gegen Neofaschisten, Rechtsextreme und Rechtspopulisten in Nordrhein-Westfalen.

Schon in vier Wochen werden wir uns wiedersehen, auf der Demonstration ?Duisburg stellt sich quer!? Gemeinsam werden wir uns gegen pro NRW quer stellen und dann in den nächsten Wochen durchstarten: Pro NRW darf nicht in den Landtag kommen und sie müssen möglichst wenig Stimmen erhalten, damit sie keine Wahlkampfkostenrückerstattung vom Steuerzahler erhalten.

Pro NRW hat ihre Hochburg in Köln. Dort sitzt pro Köln seit sechs Jahren im Stadtrat. Als Ratsmitglied kann ich ihr Treiben und ihre Hetze oft erleben und als Mitglied und als Mitorganisator des Bündnisses ?Köln stellt sich quer? beteilige ich mich schon seit über zwanzig Jahren an Protestaktionen gegen pro Köln und deren Vorläuferorganisationen Deutsche Liga, Republikaner und den Ring freiheitlicher Studenten.

Zahlreiche Antifa-Landeskonfrenzen haben sich mit pro Köln beschäftigt. Deshalb möchte ich mich mehr auf die aktuellen Entwicklungen konzentrieren.

Seit 2003 fokussiert pro Köln und dann später pro NRW ihre Politik auf das Thema ?Moschee?. 2004 zog pro Köln mit diesem Thema in den Kölner Stadtrat ein. Zu einem Zeitpunkt, wo noch gar nicht klar war, dass wir in Köln-Ehrenfeld eine wunderschöne Moschee bekommen werden. ?Moscheen? gibt?s eben überall. Wir haben in Köln 34 Moschee, als solche meistens gar nicht erkennbar.

Pro Köln war in der Stadtgesellschaft lange Zeit total isoliert. Mit ihrer Moscheehetze konnte sie aber ins konservative und neoliberale Lager einbrechen. Ein CDU-Bezirkspolitiker wechselte zu pro Köln und Ralf Giordano verstieg sich zu der Theorie, die Integration sei gescheitert. ? Sogar in der linken Szene begegnet man dem Argument ?Religionen sind Scheiße. Moscheen sind irrelevant.?

Alle Demokraten und Antifaschisten sollten eines Bedenken: Die Religionsfreiheit ist der Artikel 4 im Grundrechte-Katalog. Dort sind z.B. auch in Artikel 3 der Gleichheitsgrundsatz und in Artikel 5 die Meinungs- und Pressefreiheit als unabänderliche Grundrechte enthalten. Es geht weiter mit Artikel 8 Versammlungsfreiheit und dem Artikel 9 Vereinigungsfreiheit.
Damit will ich sagen, das Recht auf Religionsfreiheit ist nicht irgendein Recht, sondern genauso stark verfasst wie die Koalitionsfreiheit. Man muss sich nicht zu einer Religion bekennen, als Demokrat und Linker sollte man aber massiv dieses Grundrecht verteidigen.

Ende letzten Jahres war ich in Weimar und habe das Goethehaus angesehen und im Buchladen des Museums ein interessante Buch gefunden: ?Goethe und der Islam? von Katharina Mommsen.

Sie beschreibt, dass sich Goethe ab 1771 eingehend mit dem Koran und mit dem Islam befasste, also in der Zeit der Aufklärung. Sein Werk ?West-östlicher Diwan? ist ein Ergebnis dieses Prozesses, der in der Regel in Goethe-Biographien keine Erwähnung findet.

Goethe hat sehr früh dem Monopolanspruch der christlichen Kirchen widersprochen. Und als Voltaire eine Schmähschrift verfasste und sich die Figur Mohammeds entlieh, um religiösen Fanatismus zu kritisieren, legte sich Goethe mit Voltaire an.

All das war vor 300 Jahren, als der deutsche Denker und Dichter sich gegen die Hetze gegen den Islam wandte. In einem Nachwort zu diesem Buch schreibt Peter Anton von Arnim ?Aber es gibt auch einen Chauvinismus der Aufgeklärtheit.? (Seite 440)

Und an die ?deutschen Spießbürger mit ihrer Deutschtümelei? gerichtet schreibt er: ?Ihr kennt eure eigenen Klassiker nicht! Der größte deutsche Dichter hat sich mehrmals zum Islam bekannt.? (Seite 445) Und von Arnim weist zu Recht darauf hin, dass es damals und heute darum geht, mit dem ?Eurozentrismus? den abendländischen Vormachtanspruch zu reaktivieren.

Mit der ?Moscheefrage? erreicht der Rechtsextremismus die Mitte der Gesellschaft. Und das Minarettverbot durch einen Volksentscheid in der Schweiz macht deutlich, wie gefährlich diese Diskussion werden kann, die nicht nur den Rassismus beinhaltet, sondern auch den Vormachtanspruch des christlichen Abendlandes wie einen Pflock in die Gesellschaft treiben soll.

Das Moscheethema der Rechtsextremen mutiert auch in den Niederlanden und Belgien zu einem europäischen Thema. Und wenn jetzt in der Niederlanden Neuwahlen stattfinden werden, ist die Gefahr groß, dass die rechtspopulistische Freiheitspartei von Geert Wilders u.a. mit dem Moscheethema, noch mehr als die bisherigen 17 % der Stimmen erhalten kann.

Ich möchte an einem zweiten Bespiel deutlich machen, dass pro NRW sämtliche Register rechtsextremer Politik beherrscht und noch weiter geht:
Am 7. Mai 2008 kündigte pro Köln bzw. pro NRW die Redner für den Antiislam-Kongress in Köln an. Unter ihnen Le Pen und Redner der FPÖ. So nebenbei wird auch der britische Holocaustleugner Nick Griffin angekündigt.

Seit 2007 gibt es auf Initiative unserer Ratsfraktion eine Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus bei der Stadt Köln (ibs). So eine Stelle ist etwas wert im Kampf gegen den Neofaschismus all seiner Varianten. Also fragten wir die Stadtverwaltung nach den Hintergründen und Äußerungen dieses angekündigten Redners.
Die Verwaltung antwortete: 1998 war Nick Griffin wegen Aufstachelung zum Rassenhass zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 2.300 Pfund verurteilt worden, da er den Holocaust als ?Schwindel? (?holohoax?) bezeichnet hatte. Im Laufe des Prozesses äußerte er sich folgendermaßen: ?Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es konventionelle Meinung ist, dass 6 Millionen Juden vergast und eingeäschert und zu Lampenschirmen gemacht wurden. Es war auch mal konventionelle Meinung, dass die Erde flach sei ? Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Geschichte der ?Vernichtung? eine Mischung aus alliierter Kriegspropaganda, einer äußerst profitablen Lüge und einer Hexen-Hysterie ist.?
Dieses Zitat ist ungeheuerlich. Griffin sudelt sich im Blut von Millionen Menschen. Wie kann es kommen, dass nach bundesdeutscher Rechtsprechung es nicht möglich ist, gegen eine solche Person ein Einreiseverbot zu verhängen?

Pro NRW machte einen Rückzieher und behauptete, der Redner sei nie angekündigt gewesen. Ein Ausdruck ihrer Webseite belegte das Gegenteil.
Ein paar Monate später, vor dem 9. Mai 2009, der Folgeveranstaltung des Antiislamkongresses, kündigte pro NRW die Vorsitzende der tschechischen Volkspartei Narodni Strana, Frau Petra Edelmannová an.Sie war für die ?Entlösung der Zigeunerfrage? eingetreten. Pro Köln machte hier aber keinen Rückzieher mehr.

Pro NRW paktiert mit Holocaustleugnern, das ist die Realität dieser sogenannten rechtspopulistischen pro Bewegung. Wie wahr ist doch die Losung der VVN/BdA: ?Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen?.

Wie kann es kommen, dass pro NRW solche Leute einlädt? Ist es nicht gerade zu töricht, dass der Verfassungsschutz NRWpro NRW zwischen Rechtsextrem und Rechtspopulistisch einordnet? Pro NRW darf man nicht verharmlosen. Mit ihrer Hetze greifen sie Minderheiten in unerträglicher Form an. Europaweit nehmen die Übergriffe auf Minderheiten zu.

Der Sozialpsychologe Harald Welzer setzt sich in seinem Buch ?Täter, wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden? mit der NS-Herrschaft auseinander. Im Kapitel ?Alles ist möglich? entwickelt er die Theorie, dass wenn eine Minderheit aus der Gesellschaft erst einmal ausgeschlossen wird, und zur Gruppe der ?Nicht-Zugehörigen? wird, alles möglich ist und es nur eine Frage der Zeit und der Entwicklung war, wie die Nazis zu Massenmördern wurden:
?Das Schicksal der europäischen Juden (war) in dem Augenblick besiegelt, als ein Beamter 1933 eine Definition dessen wer ,arisch? war und wer nicht, in einer Verordnung niederlegte.?  (Seite 249)
Und weiter: ?Die Ungeheuerlichkeit des nationalsozialistischen Projekts liegt in der gesellschaftlichen Umsetzung der Behauptung, dass Menschen radikal und unüberbrückbar ungleich seien ? Jeder Schritt im rapide sich vollziehenden Ausgrenzungsprozess der Juden verschlechterte nicht nur deren objektive Lage, sondern verbesserte im selben Zug die subjektive Lage der nicht-jüdischen Deutschen.? (Seite 249)

Götz Aly weist darauf hin, dass die Deutschen noch in den letzten Kriegsjahren über den höchsten Lebensstandard der europäischen Länder verfügten. Es lohnte sich fürs deutsche Volk, das NS-Regime zu stützen.

Und wir sollten heute nicht unterschätzen: Es lohnt, Anhänger von pro NRW zu sein. Sie gehören zur Gesellschaft, so bitter das klingt, sie können zu Wahlen kandidieren und kommen sogar in den Stadtrat. Sie stellen was dar und werden von der Gesellschaft beachtet.   Deshalb ist es so wichtig, dass alle antifaschistischen Kräfte in dieser Gesellschaft die demokratischen Grundrechte ohne Wenn und Aber massiv verteidigen. Religionsfreiheit ist ein Grundrecht und Moscheen eine unverzichtbare Bereicherung der demokratischen Gesellschaft und Kultur.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Minderheiten in der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Wenn die Nazis heute die Moscheen zu ihrem Hasssymbol erklären, dann dürfen wir keinen Millimeter nachgeben!
Wenn viele Migrantinnen und Migranten in Deutschland leben wollen, ist das ihr gutes Recht. Und wenn man sich festsetzen will, baut man Häuser und Kirchen. Ist das nicht auch ein Vertrauensbeweis uns gegenüber? Lasst uns dieses Vertrauen nicht enttäuschen!

Jörg Detjen, 27.2.2010