Offener Brief an die Mitglieder der Kölner CDU-Ratsfraktion

Michael Kellner

Sehr geehrte Mitglieder der Kölner CDU-Ratsfraktion,

auch wenn es hier um einen Antrag der FDP-Ratsfraktion aus der letzten Ratssitzung im Mai 2008 geht, richte ich dieses Schreiben an Sie und nicht an die FDP. Das hat seinen Grund, auf den ich später zu sprechen komme.

 

Aber zunächst: Erinnern Sie sich? Die FDP hatte zur Ratssitzung einen Antrag eingereicht, in dem die Einrichtung einer Info- und Bildungsstelle gegen Linksextremismus gefordert wird. Begründet wird dieser Antrag u. a. mit dem in den siebziger Jahren aus dem Nichts gezauberten Begriff der ?Freiheitlich Demokratischen Grundordnung (FDGO)?. Und die wird nach Meinung der FDP angeblich genauso von Rechtsextremisten wie von Linksextremisten bedroht.

Den Linksextremisten wird zur Last gelegt: ?Sie verfolgen stattdessen Utopien einer eigentumslosen Ordnung bzw. herrschaftsfreies Zusammenleben.? Sie haben diesen Antrag mit Worten und Ihrer Stimme unterstützt. Ist Ihnen im zuletzt zitierten Satz des Antrags der FDP nichts aufgefallen? Hier liegt nämlich die Ursache, warum ich Ihnen schreibe.

Sie gehören einer Partei an, die sich christlich nennt. Auch das Christentum kennt genau die Utopien, die die FDP in ihrem Antrag anprangert und als bedrohlich bezeichnet. Das Paradies ist ein beeindruckendes Bild dafür ? nicht historisch zu verstehen, sondern theologisch. Da ich selber Theologie (für das Lehramt) studiert habe, kenne ich mich damit aus.

Was soll so bedrohlich sein an einer Utopie von Eigentums- und Herrschaftslosigkeit? Ehrlicherweise muss man noch hinzufügen: Im Christentum blieb es nie nur bei der Utopie. ?Die ersten Christen waren ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seinem Besitz sein eigen sei, sondern alles war ihnen gemeinsam? (Apostelgeschichte 4,32).

Die Zeiten ändern sich bekanntlich, aber noch heute wird in zahlreichen Klöstern diese Utopie ernst genommen und gelebt. Ist das Christentum und damit Ihre Partei also auch linksextremistisch? Seien Sie froh, dass Rot-Rot-Grün diese Infostelle verhindert hat! Die Gleichsetzung der FDP von Rechts- und Linksextremismus, die Sie im Rat unterstützt haben ? werch ein Illtum! ? hat aber noch einen anderen, schwerwiegenderen Haken.

Sie zeigt die Unfähigkeit der FDP (und Ihnen?), zwischen dem ursprünglichen, eigentlichen Kern einer Lehre und seiner Umsetzung oder Verdrehung im Laufe der Geschichte zu unterscheiden. Die FDP in Köln muss sich damit nicht befassen. Sie hat offensichtlich keine Utopien. Aber für Ihre Partei wird eine so beschriebene Unfähigkeit gefährlich.

Gegenüber der langen und z. T. unsäglichen Geschichte des Christentums ist die relativ kurze Geschichte des Sozialismus ein Waisenkind. Darf ich Sie erinnern an die zahlreichen Schriften der Kirchenväter adversus judaeos (gegen die Juden), die später manchen Antisemiten als gefällige Vorlage dienten? Oder an die Inquisition, die Hexenverbrennungen und den Kolonialismus? Dennoch bleibt für mich der eigentliche ? biblische ? Kern des Christentums menschenfreundlich, nicht rassistisch,  nicht gewalttätig, internationalistisch. Geschichtliche Verformungen und Auswüchse können den Kern der christlichen Lehre ? Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit ? nicht in sein Gegenteil verkehren.

Auch der Sozialismus hat im Laufe seiner ? eher kurzen ? Geschichte  Unmenschlichkeit den Weg geebnet. Allerdings wird man bei den Gründervätern Marx und Engels keinen Rassismus, keinen Aufruf zu grausamer und menschenverachtender Gewalt finden. Sein eigentlicher Kern, die Parteinahme für die entrechtete Klasse in der Gesellschaft, ist Menschen zugewandt und fordert soziale und ökonomische Gerechtigkeit. An dieser Stelle berühren sich linke und christliche Forderungen und Ideen.

Ganz anders verhält es sich aber mit dem Rechtsradikalismus. Der Rechtsradikalismus ist in seiner Lehre von Grund auf menschenverachtend, rassistisch, Volk und Gewalt verherrlichend. Der Nationalsozialismus war und ist keine Verirrung und Entartung der rechtsextremen Ideologie, sondern ihre konsequente und brutale Umsetzung. Insofern ist Faschismus schon in seiner Meinung ein Verbrechen.

Wer Rechts und Links gleichsetzt, setzt sich damit über den grundsätzlichen ideologischen Unterschied von Links und Rechts hinweg. Rechtsextremismus wird auf diese Weise verharmlost. Hier wird alleine die äußere Form bzw. Ausformung von Herrschaft gemessen. Die ideologische Verankerung, die eigentlichen Ziele und Motivationen spielen keine Rolle.

Historisch gesehen trifft eine solche Argumentation viele Bewegungen und Gruppen in unserer Gesellschaft, auch das Christentum fällt darunter und damit auch Ihre Partei. Und das Schlimme ist: die Rechtsextremen trifft es nicht wirklich. Sie sind nur noch eine Gruppe unter anderen, laufen sozusagen mit ? mit der FDP sowieso, aber auch mit Ihnen.   War das wirklich Ihr Wunsch, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bei der Abstimmung über den FDP-Antrag? Bei der Abstimmung haben wir noch für Sie mitgedacht.

Die Entscheidung über den Beitritt zum Beirat der Infostelle gegen Rechtsextremismus müssen Sie nun selber fällen. Ich empfehle Ihnen dringend: Überprüfen Sie Ihre Absage und sorgen Sie mit dafür, dass Rechtsextreme in Köln kein Chance haben.

Michael Kellner, Mitglied im Rat der Stadt Köln