Offener Brief an den Istanbuler Bürgermeister zu den Vorfällen am 1. Mai in Istanbul

Sehr geehrter Herr Dr. Topbaş,

mit Entsetzen haben wir die Ausschreitungen und Vorfälle auf der 1. Mai-Kundgebung in Istanbul-Taksim durch die Presse und Medien mitverfolgt. Wir sind zutiefst erschüttert. Das Einschreiten der Polizei und der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten und Demonstrantinnen verurteilen wir auf das Schärfste. Dieses Vorgehen ist ein Schlag gegen Demokratie und Menschenrechte.

 

Die 1. Mai- Kundgebung auf dem Taksim-Platz war als eine Gedenkveranstaltung für die 36 Opfer des Massakers vom 1. Mai 1977 ausgerichtet, vertrat aber auch klassische gewerkschaftliche Forderungen zum 1. Mai. Den Medienberichten zufolge wurden während der Kundgebung ca. tausend Demonstrationsteilnehmer und -teilnehmerinnen verhaftet und festgenommen. Des Weiteren wurden unzählige Demonstranten und Demonstrantinnen verletzt.  

Das riesige Polizeiaufgebot und insbesondere das harte und unbegründete Eingreifen der Polizei in die Demonstration ist antidemokratisch. Dieser Eingriff in die Menschenrechte ist nicht akzeptabel.  

Istanbul und Köln sind seit 1997 Partnerstädte. Das ist erfreulich. In der Partnerschaftsurkunde wurde beschlossen, ??einen Beitrag zu leisten für Demokratie??. Die Übergriffe der Polizei und der Sicherheitskräfte verstoßen gegen den Geist dieser beschlossenen Partnerschaft zwischen den beiden Städten.  

Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht sind zwei elementare Grundrechte, die notwendiger Bestandteil einer demokratischen Grundordnung sind und geschützt werden müssen. Das Recht der gewerkschaftlichen Organisation beinhaltet das Versammlungs- und Mobilisierungsrecht. Alle diese Bestandteile müssen in einer Demokratie garantiert sein, und dazu auch in der Verfassung niedergelegt werden.

In diesem Sinne war der Vorfall von 1977 ein negativer Einschnitt in der demokratischen Entwicklung der Türkei. An ihn zu erinnern wird die Bewegung der Türkei zu mehr Demokratie und Menschenrechte nur befördern.  

Auf Grund dessen verurteilen wir die Vorfälle auf der 1. Mai Kundgebung in Istanbul-Taksim auf das Schärfste und fordern Sie auf, die geeigneten und erforderlichen Schritte einzuleiten und Maßnahmen zu ergreifen, die zur Klärung der Sachlage führen. Wir fordern die sofortige Freilassung der festgenommenen Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen, Demonstrationsteilnehmer und Demonstrationsteilnehmerinnen. Die verantwortlichen staatlichen Instanzen und Personen müssen zur Verantwortung gezogen werden.    

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Lötzer, Mitglied des Bundestages

Paul Schäfer, Mitglied des Bundestages

Özlem Demirel, Mitglied im Rat der Stadt Köln

Jörg Detjen, Mitglied im Rat der Stadt Köln

Claus Ludwig, Mitglied im Rat der Stadt Köln

Michael Kellner, Mitglied im Rat der Stadt Köln    

Kemal Bozay, Bezirksvertreter Köln-Mülheim

Özgür Demirel, Bezirksvertreter Köln-Kalk

Bahri Gülsen, Bezirksvertreter Köln-Innenstadt

Wolfgang Lindweiler, Bezirksvertreter Köln-Porz

Michael Weisenstein, Bezirksvertreter Köln-Nippes

Dieter Wernig, Bezirksvertreter Köln-Chorweiler

Yesim Yesil, Bezirksvertreterin Köln-Ehrenfeld