Kürzungspaket der Bundesregierung und die Stadt Köln

Claus Ludwig

Rede zur aktuellen Stunde in der Ratssitzung am 17.06.2010

Herr Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren, beim Finanzausschuss am Montag hat der OB gesagt, neue Aufgaben, die Bund oder Länder der Stadt aufbürden wollen, könne man nicht übernehmen. Das Kürzungspaket der Regierung Merkel sieht zwar keine neuen Aufgaben für die Kommunen vor, aber es belastet sie noch mehr, als sie es ohnehin schon sind ? direkt und indirekt.

Die Streichung des Zuschusses zur Rentenversicherung für ALG II-Empfängerinnen und Empfänger wird dazu führen, dass mehr Menschen eine Rente unter dem Satz der Grundsicherung für Ältere haben. Also wird die Rente auf die Höhe der Grundsicherung aufgestockt und diese wird wiederum zum Großteil von den Kommunen getragen.

Der geplante Abbau von 10-15.000 Arbeitsplätzen beim Bund hat ebenso Auswirkungen auf die Stadt Köln: Wenn Stellen nicht mehr besetzt werden, gibt es weniger Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche. Zusammen mit der geplanten Kürzung der Arbeitsmarktförderung wird dies zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen und damit die Kommune über einen weiteren Anstieg der Kosten der Unterkunft belasten.

Gravierender dürften allerdings die indirekten Folgen sein: Im Kürzungspaket ist die Halbierung der Jahressonderzahlung von Bundesbeamten vorgesehen. Außerdem die Streichung des Übergangszuschlags von ALG I und ALG II sowie die Streichung des Elterngeldes für ALG II-EmpfängerInnen.
Dies führt zu einem weiteren Kaufkraftverlust, der Auswirkungen z.B. auf den Einzelhandel haben wird.

Die Auswirkungen auf die Kommunen sind allerdings nicht der schlimmste Teil des schwarz-gelben Kürzungspaketes. Dieses Paket ist Ausdruck von Zynismus und Brutalität gegenüber den Armen in der Gesellschaft, es hat wirklich boshafte Züge. Denjenigen, die schon unter dem Sozialabbau der letzten Jahre zu leiden hatten, wird noch einmal deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nichts wert sind. Maßnahmen wie die Streichung des Elterngeldes für ALG II-EmpfängerInnen und des Zuschusses für die Rentenversicherung entlasten die Kasse des Bundes vergleichsweise wenig. Aber sie haben einen großen symbolischen Wert als weiteren Angriff nicht nur auf den Lebensstandard, sondern auch auf die Würde von Erwerbslosen und Armen.

Dieses Kürzungspaket ist auch ein Ausdruck der Feigheit der Regierung. Denn es ist keineswegs das Ende der Kürzungen, sondern der Anfang einer ganzen Reihe von Angriffen auf soziale Errungenschaften.

Kein ernsthafter Kommentar glaubt, dass die Maßnahmen zu einer spürbaren Entlastung der Staatsfinanzen führen, viele weisen zu Recht darauf hin, dass Einiges schön gerechnet wurde. Noch hat sich die Regierung angesichts ihrer Schwäche nicht getraut, die breite Masse der Lohnabhängigen zu attackieren, aber die Pläne liegen schon in der Schublade. Wir können sicher sein: Wenn diese Kürzungen ohne großen Widerstand durchgehen, folgen die Erhöhung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherungen, Leistungsreduzierung und erhöhte Zuzahlungen in der Krankenversicherung (oder gar ein Einstieg in die berüchtigte Kopfpauschale) und weitere Attacken auf die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Die historische Krise der staatlichen Finanzen in den letzten Jahren, von Griechenland und Spanien bis Nordrhein-Westfalen geht einher mit einer Steigerung des privaten Reichtums und der Gewinne von Banken und Konzernen. Die sogenannten ?Rettungspakete? für die Hypo Real Estate, die deutschen Banken allgemein, für ?Griechenland? und die Euro-Zone sollen vor allem ermöglichen, dass die Schuldner ihre Kredite bedienen können. Öffentliche Gelder werden somit zur Rettung der Profite von Banken und Konzernen eingesetzt.

Die Kehrseite dieser Sozialisierung von Verlusten ist die staatliche Pleite auf allen Ebenen, für die jetzt die Masse der Bevölkerung bezahlen soll, die arbeitenden Menschen, die Erwerbslosen, die Jugend, die kleinen Rentnerinnen und Rentner. Die Krisenlasten werden komplett auf die Bevölkerung abgewälzt. Wenn bezüglich der Finanzen des Bundes und der Kommunen von ?Konsolidierung? geredet wird, davon, durch ?Sparen? ?die Handlungsfähigkeit zu erhalten?, hat das mit der Wirklichkeit wenig zu tun.

Wir sehen vor uns nicht einige magere Jahre, bei denen man sich zusammenreißen muss, damit alles besser wird. Stattdessen erleben wir, wie die sozialen Errungenschaften, der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung und deren Rechte nach und nach geschleift werden, um die Privilegien und den Reichtum einer Minderheit in der Gesellschaft zu retten.

Auch Sie von SPD und Grünen, die jetzt das Merkelsche Paket als unsozial kritisieren, wollen keine grundlegend andere Politik.
Sie haben mit den Hartz-Gesetzen und der steuerlichen Entlastung der Reichen Umverteilung und Sozialabbau entscheidend verschärft. Sie haben durch diese steuerliche Entlastung die Kommunen an den Rand der Pleite getrieben.

Die Wahrheit ist einfach: Es wird keine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen geben, sei es beim Bund oder der Stadt Köln, ohne eine grundlegende Umverteilung in Gang zu setzen, ohne das Vermögen der Reichen und die Profite der Banken und Konzerne anzutasten. Ohne diese Maßnahmen werden wir ein Sparpaket nach dem Anderen erleben, ohne dass es eine grundlegende Stabilisierung gibt.

Bei der nächsten Ratssitzung werden wir genauer über den Haushaltsentwurf für 2010/2011 diskutieren. Heute nur so viel:
Die vorliegenden Pläne, soweit sie uns denn vorgestellt wurden, folgen der gleichen Logik wie das Merkelsche Kürzungspaket. Personalabbau, Abbau sozialer und kultureller Dienstleistungen und Gebührenerhöhungen belasten die arbeitende und arme Bevölkerung.
Es werden z.B. bei Jugendzentren und wichtigen Initiativen im Gesundheitsbereich Summen eingespart, die diese die Existenz kosten können, die städtischen Finanzen aber nur geringfügig stabilisieren.
Es wird von ?Sparen mit Augenmaß? und einem ?Erhalt sozialer Strukturen? gesprochen. Doch tatsächlich werden Strukturen schon in diesem ersten Schritt zerstört. Die Reichen, Banken und Konzerne werden genauso wenig belastet wie auf Bundesebene.

Und auch von der Halbwertzeit gibt es Parallelen zum Merkelschen Kürzungspaket, das hat jede und jeder verstanden, der am Montag OB und Kämmerer gehört oder die Presse verfolgt hat:

  • die vorgelegten Kürzungen werden den städtischen Haushalt nur minimal entlasten
  • weitere, härtere Maßnahmen werden kommen, spätestens 2012.

Von den etablierten Parteien kann die Bevölkerung wenig erwarten, Sie alle hier wollen die Abwälzung der Krisenlasten auf die ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen. Daher geht es in den nächsten Monaten, auf allen Ebenen den Widerstand gegen die Sozialkürzungen zu entwickeln.

Die Demonstrationen am Wochenende in Berlin und Stuttgart sowie die Proteste auf dem Roncalliplatz am 9. Juni waren Vorboten dieser Proteste.
Der Ruf ?Wir zahlen nicht für eure Krise!? wird lauter werden.