Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich müssen verhindert werden!

Jörg Detjen

Rede in der Ratssitzung zum Doppelhaushalt am 07.10.2010

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

bei der Haushaltsberatung vor zwei Jahren haben wir Rot-Grün empfohlen, die Gewerbesteuer um 30 Hebepunkte hoch zu setzen. Erst jetzt, wo der Stadt Köln das Wasser bis zum Halse steht, erhöhen Sie die Gewerbesteuer ? aber nur um 25 Punkte. Wenn Sie unserem Rat vor zwei Jahren gefolgt wären, hätte die Stadt Köln heute ca. 100 Mio. Euro mehr in der Kasse. Die sozialen und kulturellen Kürzungen hätte man auf diesem Wege verhindern können.

Nach unseren Rechnungen fehlen bei diesem Haushalt ca. 14 Mio. Euro und man hätte all diese Kürzungen zurücknehmen können.

Deshalb haben wir auch den Vorschlag gemacht, in diesem Jahr, die Gewerbesteuer nicht um 25, sondern um 40 Hebepunkte hoch zusetzen. Das hätte zu einer realen Erhöhung von 1,4% geführt, statt wie bei Rot-Grün um 0,875%. Davon geht kein Betrieb kaputt und kein Unternehmer verliert seine Existenz. Das ist auch keine System erschütternde Forderung, sondern eine Köln erhaltende, stabilisierende Maßnahme, um eine solidarische Stadt für alle Menschen, mit und ohne deutschen Pass, zu erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wenn Sie heute so tun, als ob damit die Welt unterginge, möchte ich Sie auf zwei Vorgänge hinweisen:

Als die CDU mit den Grünen 2004 den Haushalt vorbereitete und die Konjunktur am Boden lag, wäre das letzte Mittel des damaligen Kämmerers Sóenius eine Erhöhung der Gewerbesteuer um 30 Hebepunkte gewesen. Über das Argument, dann würden Unternehmen Köln verlassen, lachte er nur.Es kam nur deshalb nicht dazu, weil die Konjunktur sich wieder erholte.

Die IHK spricht in ihrer Resolution gegen die Gewerbesteuer-Erhöhung selbst davon, dass das Niveau nicht ?460 v.H. überschreiten? dürfe, das wäre faktisch eine Erhöhung um 10 Punkte. Herr Bauwens-Adenauer schlug selbst eine ?befristete Gewerbesteuererhöhung? vor.

Wenn selbst die IHK sich eine leichte Erhöhung vorstellen kann, muss hier noch einiger Spielraum sein.
Daran können Sie sehen, ? meine Damen und Herren von SPD und Grüne ? dass ihr zaghaftes Vorgehen von den Kölner Unternehmen insgeheim belächelt wird.

DIE LINKE Ratsfraktion hat im Jugendhilfeausschuss und Finanzausschuss in der vergangenen Woche einen eigenen Veränderungsnachweis vorgelegt. Dank an die Verwaltung, dass sie uns mit Rat und Zahlenmaterial geholfen hat.

Mit unseren Vorschlägen wären die sozialen und kulturellen Kürzungen zurückgenommen worden und 2011 noch 16 Mio. Euro in die Schuldentilgung geflossen.

Jetzt haben wir Kürzungen zwischen 2 und 10 Prozent. Gerade die Träger, die hohe Personalkosten haben, hat es besonders getroffen, weil die Verwaltung die Steigerung der Lohnkosten einfach ausgeblendet hat. Wir haben zwar keine 12,5%ige Kürzungen mehr, aber doch Kürzungsbeträge, die die Existenz des einen oder anderen sozialen Trägers und kultureller Initiative in Frage stellen.

Ohne den Protest der verschiedenen sozialen und kulturellen Initiativen, darunter die Wohlfahrtsverbände, der DGB und das Bündnis gegen Sozial- und Kulturabbau wäre es nicht so weit gekommen.
Vielen Dank für dieses Engagement!

? Lassen Sie uns weiter gemeinsam kämpfen!
? Gegen Sozial- und Kulturabbau! Für eine soziale und solidarische Stadt.
?  Widerstand braucht langen Atem!

DIE LINKE Ratsfraktion will sich daran beteiligen, Köln wieder in Stand zu setzen. Zu viele Dinge sind in den letzten Jahren unter Oberbürgermeister Schramma zusammengebrochen, eingerissen und zerstört worden. Damit muss Schluss sein.
Instandsetzen heißt für uns nicht nur, das strukturelle Finanzdefizit auszugleichen, sondern auch finanzielle, soziale und kulturelle Fehlentwicklungen zu bekämpfen.
Deshalb freuen wir uns, dass die Stadt Köln seit drei Monaten keine Miete mehr für die Messehallen an den Oppenheim-Esch-Fonds überwiesen hat. Bereits im Jahre 2006 hatten wir den Vorschlag gemacht, ein Wertgutachten über die gebauten Messehallen zu erstellen. Dieses Gutachten ist jetzt in Arbeit und es wird spannend, zu welchem Urteil die Gutachter kommen.

Kommunale Infrastruktur bewahren und erhalten, heißt aktuell die Sparkasse vor eine Privatisierung durch die EU zu schützen und dafür zu sorgen, dass wir eine Sparkasse bekommen, die sich um das Kerngeschäft kümmert, für die Kunden da ist und auch ein gutes Filialnetz vorweisen kann.
Beim Messegeschäft und beim Kredit-Geschäft mit der Sparkasse haben CDU, SPD, Grüne und FDP der Stadt Köln einen erheblichen Schaden zugefügt. Ohne den Eingriff der EU-Kommission wären Sie bis heute nicht zur Besinnung gekommen.

Dazu kam der Einsturz des Stadtarchivs, der vollends dazu geführt hat, dass das Vertrauen der Kölnerinnen und Kölner in die Politik sich auf Null reduziert.
Aber die Menschen in der Stadt haben in die Debatte um das Schauspielhaus eingegriffen und ein Bürgerbegehren gestartet. DIE LINKE hat einen Betrag dazu geleistet, dass der Rat seinen Neubaubeschluss zurückgenommen hat. Darauf sind wir stolz. Denn der geplante Neubau wäre an rechtlichen Fragen gescheitert und wäre mindestens 50 Mio. Euro teurer gekommen.

Wir betonen das deswegen, weil unsere speziellen Kölner Probleme mindestens 50% unseres Haushaltsproblems ausmachen. Die Aufgabenzuweisung und die Kürzungen vom Bund und Land machen die anderen 50% aus. Wenn es nicht schnell eine Kommunale Finanzreform gibt und nicht endlich Schluss damit gemacht wird, Aufgaben und Kosten auf die Kommunen abzuwälzen, werden die Kommunen endgültig Armutsverwalter ohne jegliche demokratische Rechte!

SPD, Grüne und der Oberbürgermeister werden heute bei Enthaltung der FDP den Haushalt verabschieden und sie werden eine Satzung beschließen, die einen ?Aufgaben- und Standardabbau? mit einem Abbau von Personal vorsieht. Wo und wie sie das machen wollen, bleibt unklar. Zwar werden sie die Personalkosten um 11 Mio. reduzieren, welche Aufgaben sie aber tatsächlich reduzieren und streichen wollen, lassen sie noch im Dunkeln.
Statt Personalabbau schlagen wir vor, auf externe Gutachten und Beratungen zu verzichten und diese Aufgaben wieder in die eigene Hand zu nehmen. Hier kann man nach unseren Berechnungen sofort 5 Mio. einsparen und langfristig bis zu 10 Mio. Euro im Jahr. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen eine gute Arbeit. Um sie weiter auszubilden und zu qualifizieren haben wir in unserem Veränderungsnachweis zusätzliche Mittel bereitgestellt.

Wenn Rot-Grün ? getrieben von der CDU und den Neoliberalen ? versuchen will, die sozialen Aufgaben und Standards in dieser Stadt zu reduzieren, werden sie unseren Protest zu spüren bekommen, aber auch den der vielen sozialen Initiativen in dieser Stadt.

Ich hoffe, dass Sie stattdessen mit uns an einem sozialen Köln arbeiten werden. Ansätze dazu hat es schon gegeben:
Gemeinsam haben SPD, Grüne und LINKE 2006 den Köln-Pass eingeführt und mit zahlreichen 50%igen Vergünstigungen versehen. Der Köln-Pass ist ein Erfolgsmodell, das nun die neue Landesregierung unter der Überschrift ?Sozialticket? auf ganz Nordrhein-Westfalen übertragen will.

Im vergangenen Jahr hatten wir auch eine Erstausstattung für Erstklässler beschlossen, die den Köln-Pass besitzen. Auch die CDU hat dies unterstützt. Diesen Betrag hatte die Kämmerei gestrichen. Unser Protest hat dann den Oberbürgermeister und Frau Dr. Klein dazu bewogen, immerhin noch 100 Euro statt 160 Euro vorzusehen. Damit ist das Projekt nicht gestorben, aber leider ist der Standard um 40 % reduziert.

Die Unterbringung von Flüchtlingen muss weiter verbessert werden. Zwar sind ca. 3.000 Flüchtlinge besser untergebracht als vor fünf Jahren. Die restlichen 1.500 Flüchtlinge leben aber zum großen Teil in unmenschlichen Heimen. Köln benötigt für diese Menschen neue, dezentrale Wohnungen.

Soziale Standards müssen erhalten und gesichert werden. Das steht im Mittelpunkt der Arbeit der Fraktion DIE LINKE in den kommenden Monaten.

Mit Sorge verfolgen wir die Neuorganisation von Hartz IV. Wir sind empört über die Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze: Es ist zynisch, 5 Euro mehr für Erwachsene und Kinder gehen ganz leer aus! Seit Jahren fordern die sozialen Verbände eine deutliche Erhöhung der Regelsätze, dann verlangte das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung ? und jetzt versucht sich die Bundesregierung in Taschenspielertricks!

Es ist schon jetzt absehbar, dass der Bund die sozialen Probleme weiterhin in die Kommunen abschieben will. Damit werden die Kommunen weiter finanziell belastet. Deshalb sollten LINKE, SPD und Grüne auf Bundesebene gemeinsam tätig werden und die Kommunalvertreter von CDU und FDP sollten endlich mal aufwachen. Diese Politik trifft die Kommunen und damit auch sie.

Soziale Standards erhalten bedeutet auch das soziale Gefüge in den Stadtbezirken wieder in Stand zu setzen. Deshalb treten wir seit Jahren dafür ein, die Mittel für die Bezirksvertretungen deutlich zu erhöhen. Aber SPD, Grüne und FDP werden gleich die Reduzierung auf den Weg bringen. Die Bezirksvertretungen brauchen endlich mehr Anerkennung und Mitspracherechte!

Die Auseinandersetzung um das Schauspielhaus und aktuell auch die Konfrontation um Stuttgart 21 zeigen, dass die Menschen bei großen Bauprojekten einbezogen werden wollen.
Die Debatte um die Shopping Mall auf dem Heliosgelände in Ehrenfeld ist dafür auch ein Indiz. Hier hat sich die Bezirksvertretung sofort eingeschaltet und eine Informationsveranstaltung mit 700 Personen vor dem normalen Bebauungsverfahren durchgeführt. Das verhindert eine Frustration der Anwohner und führt zu Engagement!   Die Leute spüren, ein riesiges Einkaufszentrum wäre nicht nur der Tod des Einzelhandels, sondern würde das soziale Gefüge Ehrenfelds angreifen.
In Kalk ist dies genau so passiert. Wenn jetzt in Kalk sich junge Menschen engagieren und ein autonomes Zentrum bilden, müssen wir auf sie zugehen, sie im Stadtbezirk halten, sie integrieren. Das führt nicht nur zur Instandbesetzung, sondern zur Stabilisierung von Kalk. Junge Menschen werden sich dort ansiedeln.

Köln in Stand setzen und sozial gestalten heißt auch:Direkte Demokratie ausbauen und verbessern!
Der Bürgerhaushalt muss fortgesetzt werden! Wir hoffen, dass wir jetzt endlich in einen festen, am besten jährlichen, Rhythmus kommen!
Köln braucht Transparenz und direkte Demokratie.

Die Linke wird auch weiterhin für die sozialen Rechte aller Menschen mit oder ohne deutschen Pass kämpfen!