Kölner Stadtrat beschließt Einwohnerabstimmung

Jörg Detjen

Der Kölner Stadtrat hat mit den Stimmen von SPD, Grüne und DIE LINKE eine Einwohnerabstimmung alle Kölnerinnen und Kölner ab dem 16. Lebensjahr beschlossen. Es handelt sich nicht um einen rechtsverbindlichen Bürgerentscheid, sondern um ein selbst verpflichtendes Meinungsbild für den Kölner Stadtrat über den Ausbau des Godorfer Hafens. Es dürfen also auch Nicht-EU-Bürger mitmachen, die derzeit bei allen Wahlen ausgegrenzt sind, das sind in Köln ca. 100.000 Personen zusätzlich.
Seit Jahrzehnten setzen sich viele demokratische Kräfte in der ganzen Bundesrepublik dafür ein, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner ab dem 16. Lebensjahr an Wahlen teilnehmen dürfen. Daraus resultierte z.B. die Kampagne ?Jeder hat eine Stimme? im Jahre 1994 und die später stattfindende Kampagne für das kommunale Wahlrechte der kommunalen Ausländerbeiräte ?Hier wo ich lebe will ich wählen!? im Jahre 2008.

Hintergrund des Ratsbeschlusses

Seit über 20 Jahren diskutiert der Kölner Stadtrat über den Ausbau des Godorfer Hafens sehr strittig. SPD und CDU halten den Ausbau für unverzichtbar. Die rot-grüne Ratskoalition konnte sich nicht auf einen Kompromiss verständigen. 2008 wurde ein Bürgerentscheid einer Bürgerinitiative aus rechtlichen Gründen nicht zugelassen. Juristische Auseinandersetzungen zwischen der städtischen Hafengesellschaft, HGK und der Bürgerinitiative ziehen sich seit Jahren hin.
Um die Sache zu entscheiden und die rot-grüne Koalition zu retten, schlug die SPD vor vier Wochen vor, eine Meinungsbefragung auf der formalen Grundlagen des in der Gemeindeordnung geregelten Bürgerentscheides durchzuführen. Die im Rat vertretenen Parteien sollten sich dazu verpflichten, sich an das Ergebnis der Befragung zu halten. In der NRW-Gemeindeordnung ist geregelt, dass der Bürgerentscheid nur dann gültig ist, wenn 20 % der Wahlberechtigten für bzw. gegen den Entscheid stimmen. Das heißt die Bürgerinitiative müsste ca. 155.000 Wahlberechtigte zur Wahl bewegen. Da der Ausbau des Godorfer Hafens vor allem ein Thema im Kölner Süden ist, erhoffte sich die SPD wohl ein Scheitern.

Neue und erweiterte Regeln der Bürgerbeteiligung

Da die rot-grüne Landesregierung noch im ersten Halbjahr 2011 die Regeln für die Bürgerbeteiligung erleichtern will und statt eines 20 %-Quorums ein 10 %-Quorum einführen möchte, beantragte Fraktion der LINKEN im Kölner Rat, die Abstimmung in den Herbst zu verschieben und dann das neue Quorum zur Grundlage der Abstimmung zu machen. Darüber hinaus beantragte die Fraktion, alle Kölnerinnen und Kölner, die seit drei Monaten in der Stadt leben, abstimmen zu lassen. Da es sich faktisch und juristisch um eine Meinungsbefragung handelt und nicht um einen Bürgerentscheid, wäre ein solches Verfahren möglich.
Die Bürgerinitiative lehnte den Bürgerentscheid ab, obwohl sie vor zwei Jahren ein solches Verfahren noch angestrebt hatte und setzte die Grünen massiv unter Druck. Zum Vorschlag der LINKEN, doch alle Kölner zu beteiligen, verhielten sich die Grünen reserviert. Sie strebten ein 0 %-Quorum an.
In der Zwischenzeit hatte der SPD-Oberbürgermeister eine Verwaltungsvorlage für eine Meinungsbefragung mit einem 20 %-Quorum eingebracht.

Die Ratsentscheidung

Auch wegen einer zweiten Auseinandersetzung um die Renovierungskosten von Oper- und Schauspielhauses spitzte sich der Krach zwischen SPD und Grünen zu. Kurz vor der Ratssitzung lenkte die SPD ein und schlug ebenfalls ein 10 %-Quorum mit einer sofortigen Abstimmung vor ? und signalisierte die Zustimmung zum Antrag der LINKEN, dass alle Kölner mit abstimmen sollten. Die Grünen wanden sich, brachten aber mit der FDP einen Antrag für ein 0 %-Quorum ein.
In einer heftigen Debatte machte der Sprecher der Fraktion der LINKEN deutlich, dass man sich die Mehrheiten bei einem solchen Verfahren nicht so zu recht biegen kann, wie man sie gerne hätte. Wenn alle Kölner mit abstimmen dürfen, würde sich bei einem 10 %-Quorum zwar die absolute Zahl erhöhen, dafür wäre dies aber ein absolut demokratisches Verfahren. In der Geschichte des Wahlrechtes habe man vor 100 Jahren das Frauenwahlrecht immer wieder abgelehnt mit dem Vorwand, die Frauen würden nicht so abstimmen, wie man sich das wünscht.
Die Grünen brauchten eine Auszeit. Dann wurde zuerst der Antrag von Grüne/FDP für ein 0 %-Quorum abstimmt. ? Abgelehnt.
Dann der Antrag der LINKEN für eine Beteiligung aller Kölnerinnen und Kölner: Die Verwaltung erklärte, dass der Antrag der LINKEN umsetzbar sei, jedoch müsse der Druck der Wahlunterlagen europaweit ausgeschrieben werden. Die Gesamtkosten von bisher 1 Mio. Euro würden sich erhöhen und der Abstimmungstermin müsse um wenige Wochen verschoben werden. Dann die Abstimmung: SPD, Grüne, LINKE und der Oberbürgermeister dafür. ? Beschlossen!
Dann der Antrag der SPD für ein 10 % Quorum: mit gleicher Mehrheit beschlossen!

Fazit

Die ?Kölner Lösung? mit dem beschlossenen Abstimmungsverfahren ist ein Novum für Köln und hoffentlich ein Vorbild für die ganze Bundesrepublik. Alle Menschen über 16 dürfen mitentscheiden.