?Kein Tag ohne?

HP Fischer

So war es auf mitgebrachten Schildern und vor Ort gefertigten Zetteln zu lesen. Wer sich näher interessierte, las in der zweiten Zeile ?Autonomes Zentrum?. Geschrieben, gezeigt und später auch gerufen wurde es von einer Gruppe junger Menschen, die zu den Nutzern und Betreibern des Autonomen Zentrums in Kalk gehören und den Publikumsbereich der Kalker Bezirksvertretung am 29.09. mehr als gut füllte.

Um 17:00 waren vor dem Bürgeramt eine Handvoll junger Menschen auszumachen, was einen bekannten Lokaljournalisten noch zu der Aussage animierte: ?Das ist aber ne maue Demo.? Er hatte sicher erwartet, dass es auch auf Grund seines am gleichen Tag erschienen Artikels eine größere Reaktion gäbe. Im Sitzungssaal dürften seine Erwartungen erfüllt worden sein.

Bezirksbürgermeister Markus Thiele eröffnete mit den gewohnten Ritualen (Gratulationen zu Geburtstagen, Hochzeiten und Geburten bei den Bezirksvertretern) die Sitzung und ließ die Reihenfolge der Tagesordnung ändern. Sehr publikumsfreundlich zog er den Punkt, der die Massen angezogen hatte, auf TOP 1. Der Beschluss zur Offenlage des Bebauungsplans Wiersbergstraße, der auch das Gebiet des Autonomen Zentrums umfasst, dieses aber in einer Variante zum Abriss freigibt.

Thiele versuchte in einer überbetont ruhigen und fast schon zu lockeren Art, die leicht auch als Überheblichkeit verstanden werden konnte, den Besuchern die Grundregeln der Geschäftsordnung zu erläutern und bat darum, die Schilder zu entfernen und weder Unmuts- noch Beifallsbekundungen abzugeben. In der Tat wird das in der Bezirksvertretung während der Sitzung nicht mal den Mandatsträgern zugestanden, während es im Rat der Stadt Köln durchaus üblich ist zu applaudieren.

Als Oliver Krems der SPD-Fraktionsvorsitzende den gemeinsamen Änderungsantrag mit der CDU zu erläutern begann herrschte gespannte Ruhe im Saal. Krems schaffte es zunächst mit Allgemeinsätzen, die Stimmung zu entspannen. Dann aber begann er die Vorzüge einer Grünfläche an der Stelle des Autonomen Zentrums zu preisen und begründete damit auch den vorgelegten Antrag, der noch vor der Bürgerbeteiligung eine Festlegung auf Abriss des Gebäudes vorsieht. Das versuchte er damit zu kaschieren, dass es ja auch eine Bürgerversammlung geben werde, dass das nichts Endgültiges sei und man erst nach der Beteiligung eine endgültige Entscheidung fasse.
Im Anschluss versuchte Jörn Schade von der CDU zu erläutern, weshalb sie diesen Änderungsantrag eingebracht hätten und zeigte eklatante Informationslücken, was die tatsächliche vertragliche und finanzielle Situation rund um das Autonome Zentrum angeht. Das führte zu Unruhe auf den Zuschauerrängen, die dann auch durch Ordnungsrufe nicht mehr gebremst werden konnte. Einige von den Besuchern fragten an, ob man ihnen nicht Rederecht erteilen könnte, damit sie die Falschbehauptungen richtig stellen könnten.
Anstatt an dieser Stelle die Sitzung zu unterbrechen und endlich die Chance für ein gemeinsames Gespräch aller zu nutzen, schob Bezirksbürgermeister Thiele die Geschäftsordnung vor, die das nicht vorsieht.
Durch Zwischenrufe einiger Bezirksvertreter und den Versuch der anwesenden Presse nun Fotos von den Besucher zu machen, ließen sich diese weiter provozieren und skandierten schließlich lautstark und unüberhörbar: ?Kein Tag ohne ? Autonomes Zentrum?.
Thiele unterbrach schließlich die Sitzung, aber für eine Fraktionsvorsitzendenbesprechung (FVB), die beraten sollte, wie es weiter geht.
Was in der FVB alles besprochen wurde, bleibt der Öffentlichkeit leider unbekannt, aber in deren Anschluss sollte die Sitzung fortgesetzt werden, allerdings mit der Drohung Nichtöffentlichkeit herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn es zu weiteren Störungen käme

Der Rechtsaußen der Bezirksvertretung von der recht extrem rechten Gruppierung Po Köln teilte mit, dass er sich sehr unwohl fühle und bemühte sich unter verschiedenen Vorwänden die Polizei zu holen. Der politische Geisterfahrer Timon Delawari bestätigte ebenfalls sein Unwohlsein in dieser Atmosphäre und drängte in Richtung Nichtöffentlichkeit. Die Grüne Bezirksfraktion hatte bezüglich ihres ehemaligen Mitglieds schon länger Konsequenzen gezogen, spätestens jetzt müsste man es der Grünen Partei auch anraten, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren möchte.

Apropos Grüne, mit einem Statement der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Ilkay Erduran begann dann die wiedereröffnete Sitzung. Sie hatte zu Beginn der Sitzung den Grünen Änderungsantrag zurückgezogen. Dieser hatte eine dritte Variante, nämlich den Teilabriss ins Spiel gebracht und war von mehreren Seiten als Abrücken vom Autonomen Zentrum interpretiert worden. Erduran tat sich sichtlich schwer mit der Situation, versuchte aber deutlich zu machen, dass die Grünen sowohl für den Erhalt der Kantine als Gebäude als auch für ein Autonomes Zentrum in Kalk einträten.
Das Publikum nahm es wohlwollend zur Kenntnis.

HP Fischer, der Vertreter der LINKEN in der Kalker Bezirksvertretung, hatte schon einmal bei einer Diskussion um das Autonome Zentrum für einen rednerisch stark beachteten Höhepunkt gesorgt und man war gespannt, ob er daran anknüpfen würde. Die Erwartungen wurden enttäuscht. Zwar begann er seine Ausführungen damit, dass er sich in dieser Gesellschaft keineswegs unwohl fühle, aber sein anschließender Beitrag war keine Verteidigungsrede für das AZ sondern ein Angriff auf die SPD. Fischer hielt den Sozialdemokraten vor, dass ein Parteitag mehr Bürgernähe beschlossen habe und sie heute die Bürgerbeteiligung so hoch hänge, aber gleichzeitig mit ihrem Änderungsantrag die demokratischen Gestaltungsräume stark einschränke.
Als er anmerkte, dass der russische Ministerpräsident so etwas ?gelenkte Demokratie? nenne, gab es Entrüstung, aber nicht bei der SPD, sondern bei der CDU. Fischer versuchte die Anwesenden zu beruhigen, da Putin nach Ansicht eines ehemaligen Bundeskanzlers ein ?lupenreiner Demokrat? sei. Er erreichte damit das Gegenteil.

Schließlich stellte der LINKE klar, dass er selbstverständlich gegen den Abriss stimme und dass es bei der LINKEN keinerlei Abbröckeln bei der Unterstützung für das Autonome Zentrum gäbe.

Fischer kritisierte allerdings, sowohl die Verwaltungsvorlage, als auch den Änderungsantrag von SPD/CDU dahingehend, dass es zwar Lippenbekenntnisse für die Abenteuerhalle gäbe, diese aber in der Beschlussvorlage nicht vorkäme. Somit stellte er einen mündlichen Änderungsantrag, der vorsieht, dass eine ?Fläche für die Jugendbetreuung? mit aufgenommen wird. Diesem stimmte anschließend neben dem Einzelvertreter der LINKEN nur noch die SPD-Fraktion zu. Da sich aber die überwiegende Mehrheit wie CDU und Grüne der Stimme enthielt, reichte das aus.

Der Abrissantrag wurde mit einer sehr großen Mehrheit lediglich gegen die Stimmen der Grünen und der LINKEN ebenfalls beschlossen.

Am Ende des Tagesordnungspunktes, verließen die Unterstützer des Autonomen Zentrums in überwiegender Zahl den Zuschauerraum und auch das Bürgeramt ? friedlich und ohne jeden weiteren Zwischenfall. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich in ebenso großer Zahl in die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Bebauungsplan einbringen und dass vorher der Stadtentwicklungsausschuss die Fehlentscheidung der Kalker Bezirksvertretung korrigiert.