Jugendbefragung in Köln hat blinde Flecken - Benachteiligte Jugendliche nicht ausreichend repräsentiert

Heute werden im Jugendhilfeausschuss die Ergebnisse der Jugendbefragung 2018 vorgestellt. Das kommentiert Franco Clemens, für DIE LINKE im Jugendhilfeausschuss und ehemaliger Streetworker: „In der Befragung sind benachteiligte Jugendliche unterrepräsentiert. Das sieht man nicht nur an der Beteiligung, sondern auch an den Ergebnissen. Deswegen kann diese Liste von Wünschen nicht die einzige Grundlage für Jugendpolitik in der Stadt sein, sondern nur ein ergänzendes Instrument."

Aus diesem Grunde kritisiert Franco Clemens, dass die Ergebnisse noch vor einer Nachbesprechung im Jugendhilfeausschuss bereits der Öffentlichkeit mitgeteilt und damit in den Mittelpunkt gestellt wurden.

Franco Clemens weiß aus seiner Erfahrung in der Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen: „Diese Gruppe hat kein Geld für die Freizeitgestaltung zur Verfügung. Wenn 80 % der befragten Jugendlichen angeben, gerne in Konzerte, Kino, Museen, Theater, Musicals oder ins Kino zu gehen, dann ist das eine Welt, zu der benachteiligte Jugendliche keinen Zugang haben. Auch von besseren Radwegen profitieren sie nicht, denn sie haben in der Regel kein Fahrrad. Außerdem wohnen sie in den sozialen Brennpunkten wie z.B. dem Kölnberg, Finkenberg oder Chorweiler soweit außerhalb der Stadt, dass sich dieses Verkehrsmittel weder zum täglichen Schulweg noch zum abendlichen Freizeiterlebnis eignet, trotz dort bereits vorhandener Radwege.“

Franco Clemens weiter: „Der ökonomische Hintergrund wurde nicht abgefragt. Hier nur das Stadtviertel heranzuziehen, verzerrt die Ergebnisse. Denn in vielen Veedeln gibt es reichere und ärmere Gegenden.“

Franco Clemens ist überzeugt: „Um benachteiligte Jugendliche zu erreichen, ist eine Befragung in dieser Form das falsche Mittel. Einen Fragebogen auszufüllen ist für diese Jugendlichen ungewohnt und sie werden damit auch kaum erreicht.“

„Partizipation muss an gewohnten Plätzen in ihrer Lebenswelt ansetzen“, weiß Franco Clemens, „z.B. als regelmäßige verpflichtende Jugendräte in den Jugendzentren und Schulen. Dort müssen sie von den Sozialarbeitern, Pädagogen und Erziehern immer wieder angesprochen und unterstützt werden. Über niedrigschwellige Abstimmungen sollten sie an demokratische Verfahren herangeführt werden. Wenn sie sich dazu Gedanken um ihr Nahumfeld bzw. ihren real erlebten Sozialraum machen, können sie Wünsche, Hoffnungen und Forderungen für die Bezirke entwickeln.

In den Jugendräten der Jugendzentren und Schulen würden sie dann soweit qualifiziert, dass Vertreter aus allen Bezirken einmal im Jahr zu einem großen stadtweiten Jugendrat zusammen kommen könnten, um dort auch Wünsche und Forderungen zu entwickeln, die das gesamte Stadtgebiet betreffen.

Doch viele Jugendzentren sehen eine solche ‘Demokratieschule’ gar nicht vor. Das müssen wir aufbauen. Das ist der erste Schritt für gelungene Partizipation und würde automatisch auch die Jugendlichen aus den benachteiligten Vierteln erreichen und diese auch in den Ergebnissen ausgewogener repräsentieren.“