Irritationen bei Linken:

Jörg Detjen, Özlem Demirel, Michael Kellner

Was ist das Platzkonzept und was ist das Volk?

Auch in der Linken sind die Spuren der schwarzen-Pappnasen-Kampagne des Kölner Festkomitees nicht spurlos vorbeigegangen. ?Neues Platzkonzept gegen Volkssitzung? wird ein Artikel in der Mitgliederzeitung "Linke Zeiten" der Kölner Linken getitelt. Aus der Kölner DKP dagegen kam die Kritik auf dem internen Weg: ?Wie konntet ihr nur ??

SPD, Grüne und DIE LINKE. hatten auf der Ratssitzung am 29.1. unmittelbar vor Karneval einen Antrag der CDU abgelehnt, der die Volkskarnevalsitzung der KG Alt-Kölln ?weiterhin als Großzeltveranstaltung auf dem Neumarkt? vorsah. Damit wäre das Platzkonzept ausgehebelt worden und allen möglichen anderen Veranstaltungen ? z.B. dem Oktoberfest ? rechtlich ermöglicht worden, sich auch auf dem Neumarkt einzuklagen. Deshalb wird es bei einem möglichen Kompromiss mit Sicherheit auch kein Großzelt auf dem Neumarkt geben.  

Die Kampagne der Schwarzen

Dass es sich bei der Auseinandersetzung um eine gezielte Kampagne der Schwarzen und insbesondere OB Schramma ging, wird dabei gar nicht reflektiert und diskutiert. Es ging nämlich darum, die Politik der wechselnden Mehrheiten, auch schon mal ?Kölsche Volksfront? genannt, zu diffamieren. Ein Kommentar von Alfred Merta von der Kölner Bild-Zeitung vom 8. Februar, veranschaulicht das ganz deutlich: ?? hat vor aller Welt deutlich gemacht, wie die politischen Verhältnisse in Köln sind. Sie sind unbegreiflich und unerträglich ? Unerträglich ist der verbissene Kleinkrieg, den sich Rot-Rot-Grün und Schramma ständig liefern.?

Und was empfiehlt das schwarze Kampfblatt? ?Wie soll so kluge, zukunftsweisende Politik entstehen? Deshalb müssen die Wähler die zwingende Lehre aus dem Aufstand der Pappnasen ziehen. Nach der nächsten Wahl müssen Oberbürgermeister und Ratsmehrheit politisch zusammengehören, auch wenn es zwei verschiedene Wahlgänge sind.?

Das ist keinesfalls doppeldeutig gemeint, wenn man weiß, das der gleiche Kommentator zwei Wochen vorher die theoretische Möglichkeit, einen gemeinsamen OB-Kandidaten von SPD, Grüne und DIE LINKE. aufzustellen, geißelte und als ?linkes? Manöver kritisierte. Verschiedene Kräfte aus dem schwarzen Lager machen also Front gegen Rot-Grün und DIE LINKE. Sie fürchten um Einfluss in der Stadt.

Dabei geht es vor allem auch um inhaltliche Fragen. Der Spielraum des rheinischen Kapitals ist etwas kleiner geworden. Was passiert erst, wenn die Linke mit einem guten, gestärkten Ergebnis im Stadtrat sitzt? Und um eben diese inhaltlichen Fragen geht es auch bei der sog. Volkssitzung. Wer bestimmt den öffentlichen Raum, das ist hier die Frage.

Das Festkomitee erklärt sich und die Jecken kurzerhand zum ?Volk?, und das eigentliche ?Volk? ? und das sind auch die Anwohner der Plätze - existiert gar nicht mehr. Die Fraktion DIE LINKE.Köln hat sich aber in der Vergangenheit mit den verschiedensten Anträgen immer wieder für die Interessen der breiten Bevölkerung eingesetzt. Der Köln-Pass ist nur ein Beispiel dafür, dass es ihr um die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben geht.  

Das Platzkonzept

Beim Platzkonzept geht es nicht um Repression, sondern um soziale Rechte. Eigentlich ein ursächlich linkes Thema, nämlich die Verteidigung des öffentlichen Raumes, die gerade seit einigen Jahren in der gesamten Linken heftig diskutiert wird. Faktisch wird öffentlicher Raum immer mehr privatisiert und kommerzialisiert. In Köln gab es z.B. die Auseinandersetzung, ob und wo der CSD stattfinden kann, die Frage der Überwachung des öffentlichen Raumes, Stichwort Videoüberwachung auf dem Roncalliplatz und Schramma?s Kampagne, die Skater von der Domplatte zu vertreiben.

Im Rahmen dieser Diskussion muss man auch die Kritik der Anwohnerinnen und Anwohner rund um die Innenstadtplätze gegen die ständig steigende Lärmbelästigung sehen. Durch Events und Großveranstaltungen anlässlich der Fussballweltmeisterschaft waren in der Innenstadt unerträglich Bedingungen entstanden. Die Behauptung, am Neumarkt würden keine Leute wohnen, ist ein Trugschluss. Köln ist eine der wenigen deutschen Großstädte, in der auch in den Innenstadtkernen, viele Menschen leben, insgesamt 137.000. Auf Grund intensiver Diskussion gerade mit den Anwohnern in der Innenstadt wurde das Platzkonkonzept entwickelt.

Aus der Präambel: ?,Platz? bedeutet daher primär Stadtraum/Feiraum. Bürgerinnen und Bürger sowie Besucherinnen und Besucher der Stadt Köln sollen freien Platzraum als Ort städtischer Identifikation erleben können ? Ziel  dieses Nutzungskonzeptes ist es daher, entstehende Interessenkonflikte zwischen einer zunehmenden Zahl von Nutzungsanträgen für die begehrten zentralen Innenstadtplätze und den berechtigten Interessen der dortigen Anwohnerinnen und Anwohner wie der Gewerbetreibenden in Bezug auf die Lebensqualität des Öffentlichen Raums in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.?  

Dieses Platzkonzept ist ein kleiner, aber sehr nützlicher Baustein gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums. Nicht ohne Grund hat die FDP das Konzept frontal angegriffen. Regelungen seien nicht nötig. Die CDU verfolgte von Anfang an den Plan, das Konzept aufzuweichen und rechtlich angreifbar zu machen. In der Diskussion thematisierte sie nicht etwa die ?Volkssitzung?, ?  darüber sprach niemand ?,  sondern die CDU wollte das ?Oktoberfest? auf dem Neumarkt belassen und hätte damit den Rechtsrahmen des Konzeptes gesprengt und ermöglicht, dass sich auch andere Großveranstalter mit Großfestzelten, hätten einklagen können.  

Der Kölner Karneval

In den letzten dreißig Jahren haben linke Kräfte, aber vor allem die grün-alternative Szene immer heftige Kritik am Kölner Festkomitee geübt. Die Stunksitzung und der Geisterzug sind neue, moderne und alternative Aktivitäten, die sich gegen die traditionelle Karnevalskultur richten. Die Sozialdemokraten waren dagegen immer sehr ambivalent, sie pflegen die alte Kultur und sehr spät dann auch die neue. Soll das in der Partei DIE LINKE. Köln dann auch so werden? Schon vor Jahren kritisierten die Grünen zu Recht, dass der Kölner Rosenmontagszug eine kommerzielle Veranstaltung sei und die Zuschüsse aus dem Kölner Stadthaushalt unterbleiben müssten.

Auch wenn die Finanzmittel aus dem Stadthaushalt an das Festkomitee reduziert wurden, bekommt das Festkomitee heute noch 400.000 Euro. So hatte sich die damalige Ratsfraktion der PDS zum Ärger der Grünen dafür eingesetzt, dass der Geisterzug einige zehntausend Euro vom Karnevalsetat abbekam. Dieser populäre Antrag wurde dann sogar umgesetzt.

Vor diesem Hintergrund haben wir nicht die Notwendigkeit gesehen, uns für die Anliegen des Festkomitees zu interessieren und dem CDU-Antrag zuzustimmen. Das würde dann schon die SPD machen. Und die SPD wackelte auch vor der Ratssitzung. Zum Glück wurde der CDU-Antrag abgelehnt und wurden offene Gespräche mit dem Festkomitee beschlossen.

Auch wenn die ?Kölsche Volksfront? in dem Konflikt Federn ließ und die Schwarzen Punkte machten, so bleibt doch das Platzkonzept bestehen. Der Vorwurf, die Fraktion DIE LINKE. im Kölner Rat würde sich nicht für die Interessen der armen Leute interessieren, ist ein plumper Vorwurf. Denn die preisgünstige und trotzdem traditionelle Volkssitzung stand nie in Frage, nur der Standort. Und ob ein kleines Zelt auf dem Neumarkt besser und ?sozialer? ist als ein großes Zelt, ? in das mehr Leute reinpassen ? auf dem Media-Park, darüber könnte man sich auch noch trefflich streiten. Vielleicht in der nächsten Karnevalssession.

Jörg Detjen, Özlem Demirel, Michael Kellner  

Weitere Infos zum Thema:

Statement von Jörg Detjen vom

Artikel von Andrea Kostolnik vom 5.2.2008