Interview mit Bert Bronisz, Bezirksvertreter der LINKEN für Rodenkirchen, über die Aktivitäten von Neonazis in Zollstock und die Drohungen gegen ihn.

Bert, seit einer Weile stehst Du im Fokus der Kölner Neonaziszene. Vor ein paar Tagen hat ein anonymer Anrufer den Versuch gemacht Dich einzuschüchtern. Wie verlief der Anruf?

Der Anruf kam am Sonntag gegen 14 Uhr mit unterdrückter Rufnummer. Der Anrufer fragte, ob er mit Herrn Bronisz sprechen würde. Als ich dies bejahte, sagte er dann sogleich: ?Hier sind die Nationalen Sozialisten. Sie stehen unter Beobachtung. Dies ist eine politische Mitteilung.?    

Das war aber nicht die erste Drohung gegen Dich?

Richtig! Die Drohungen fingen eigentlich schon kurz nach der Kommunalwahl 2009 an, als anonyme sms mit Morddrohungen auf mein Handy geschickt wurden. Diese habe ich ignoriert, was ich aus heutiger Sicht selbst als Fehler betrachte. Als ich dann die Karte meines Handys auslaufen ließ und eine neue Karte mit neuer Rufnummer verwendet habe, war dann auch zunächst einmal Ruhe. Erst seit kurzem fängt der Terror wieder an. Im Juni mit den Hakenkreuzschmierereien und der Warnung: ?Wir kriegen dich B.? Ende Juli wurde meine Internetseite gehackt, wobei ich hier allerdings nicht eindeutig belegen kann, ob dies auch der rechten Szene zuzuordnen ist. Hier stehen die Ergebnisse des Staatsschutzes noch aus.

Es hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass staatliche Stellen die Gefahr, die von Neonazis ausgeht, nicht Ernst nehmen. Welchen Eindruck hast du in Deinem Fall?

Der Eindruck ist schwer zu schildern. Einerseits wissen wir ja, dass eben die Behörden die Gefahren entweder nicht sehen wollten oder ganz einfach unterschätzt haben. Andererseits war in meinem Fall die Polizei im Juni sehr schnell vor Ort und ich hatte den Eindruck, dass der ermittelnde Beamte die Angelegenheit durchaus ernst genommen hat. Dennoch bin ich zwiespältig. Denn nach dem ich auf der Polizeiwache Rhöndorferstraße Anzeige erstatten wollte, hieß es dort zunächst, es würde keine Straftat vorliegen. Erst als ich am Montagmorgen bei der Staatsanwaltschaft angerufen habe, kam die Sache wieder ins Rollen.

Beobachtest Du Veränderungen beim Auftreten der Neonazis in Zollstock in der letzten Zeit?

Die Neonaziszene agiert hier sehr vorsichtig, aber bestimmt. Dies erkennt man ohne Zweifel an der deutlichen Zunahme der rechtsradikalen und rassistischen Aufkleber. Außerdem wurden hier auch schon ?Schießübungen? abgehalten. Im Gegensatz zu anderen Stadtteilen, wo z.B. gegen Moscheen demonstriert werden, gehen die Rechten hier eher vorsichtig vor und beschränken sich z. Zt. auf Schmierereien und das Kleben von fremdenfeindlichen Parolen, sowie auf Bedrohungen gegen Bürgerinnen und Bürger. In einem Gespräch, das ich vor einigen Wochen im NS-DOK hatte, kamen wir auch zu dem nicht unberechtigten Schluss, dass Zollstock ein ?Rückzugsgebiet? der Neonaziszene ist. Von hier aus werden übrigens auch bundesweite Aktionen geplant und durchgeführt.

Wie reagieren die Zollstocker auf die Bedrohung des Zusammenlebens durch die Rechten?

Als ich im Juni den Infostand gegen Rechts in Zollstock durchgeführt habe, gab es erstaunlich viel Zuspruch für meinen Infostand. Die Gefahr ist in Zollstock nicht unbekannt, aber leider, -wie ich sagen muss-, auch dem Alltagsleben zugehörig. Dies finde ich höchst gefährlich, denn Rechtsradikalismus darf nicht als Normalität empfunden werden, sondern man muss ihm entschieden entgegentreten. Wenn wir anfangen Rechtsradikalismus als ?normal? zu empfinden, haben wir bald auch wieder 1933 ...

Wie könnten die Zollstocker gegen die rechte Szene vorgehen? Gibt es Ansätze hierzu?

Derzeit bin ich dabei, die Idee eines ?Bündnisses gegen Rechts?, wie es das ja auch in anderen Stadtteilen gibt, anzustoßen. Diese Idee wurde durchweg positiv aufgenommen und in Kürze werden Einladungen an verschiedene Institutionen und Personen verschickt, um erste Gespräche zu führen, wie ein solches Bündnis umgesetzt werden kann. Die Politik als solche kann dabei nur ?verzahnt? werden, der Wille mitzumachen muss von den Bürgern kommen.

An dieser Stelle möchte ich, weil es bei mir aus tiefem Herzen kommt, unbedingt auf etwas hinweisen. Das Schlimme ist, wir brauchen nicht in die Vergangenheit bis 33/45 gehen. Ich möchte nur an Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln erinnern. Auch daran, dass zuletzt 10 Jahre lang eine Gruppe Neonazis mordend durch Deutschland gezogen ist. Fast zweihundert Tote sind zu beklagen, deren Ermordung durchaus hätten verhindert werden können. Wenn Menschen sich als Menschen begreifen, ihre Fehler, Ansichten, sexuellen Ausrichtungen und ihre Religionen etc. akzeptieren und tolerieren, dann hätten wir diese Probleme nicht. Dies ist keine Frage des ?Könnens?. Es ist eine Frage des ?Wollens?.

Wir dürfen nicht vergessen was in den letzten Jahrzehnten passiert ist. Ich finde es schrecklich, wenn man heute nicht mehr weiß, was in den oben genannten Städten passiert ist, was in den letzten zehn Jahren geschah. Es genügt nicht, wenn man ein paar Wochen betroffen ist und danach dann doch alles wieder in Vergessenheit gerät. Wer von den heute 20-jährigen weiß denn schon, was damals passiert ist?

Menschen standen dabei und taten nichts. Und das gab es schon einmal.