Hauptschule für die anderen, unsere Kinder aufs Gymnasium - Ergebnisse der Kölner Elternbefragung

Karl-Heinz Heinemann
AK Jugend und SchuleAK SozialesArtikel

Die Beliebtheit der Hauptschule scheint ungebrochen. Das ist eines der erstaunlichen Ergebnisse der Befragung von Grundschuleltern. Sie wurde im Februar 2022 im Auftrag der Stadt Köln durchgeführt. Das Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung fragte Grundschuleltern vor der Wahl der weiterführenden Schule. Über 70 Prozent der Eltern, die ihr Kind aufs Gymnasium schicken werden, halten die Hauptschule für enorm wichtig. Für die Kinder der anderen. Sie ist den Eltern wichtig, die nicht wollen, dass ihr Kind auf dem Gymnasium neben einem womöglich lernschwachen Kind aus einer eingewanderten Arbeiterfamilie sitzt.

Tatsächlich will nicht einmal ein Prozent der Eltern ihr Kind freiwillig auf die Hauptschule schicken. An den scheinbar so beliebten Hauptschulen, 12 gibt es noch in Köln, bleiben jede Menge Plätze unbesetzt. Gerade 5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler landen dort,  hier kann man noch kleine Klassen bilden.

In den letzten vier Schuljahren gingen knapp die Hälfte aller Kölner Kinder aufs Gymnasium, mehr als ein Viertel auf eine Gesamtschule, aber nur ein Fünftel auf eine Realschule und kaum fünf Prozent auf eine Hauptschule. Bleiben knapp zehn Prozent Schülerinnen und Schüler, denen das Gymnasium empfohlen wurde, die aber stattdessen in eine Gesamtschule gehen. Ganz anders sieht es bei Kindern aus, denen zur Realschule oder gar zur Hauptschule geraten wurde: Da wählen über die Hälfte lieber die Gesamtschule.

Und was ist mit den Kindern, denen die Gesamtschule empfohlen wurde? Tja, die gibt es nicht. Es gibt keine Gesamtschulempfehlung. Auf diese Schule können im Prinzip alle Kinder gehen. Und warum schicken so viele Eltern ihr Kind lieber aufs Gymnasium als auf die Gesamtschule? Ihnen geht es zu allererst darum, dass ihr Kind die besten Chancen im Leben hat, und das bedeutet: Es soll das Abitur machen. Und da ist das Gymnasium die sicherste Bank.

Sicher, auch die Gesamtschule führt zum Abitur, aber manche müssen halt schon nach dem zehnten Schuljahr mit der Mittleren Reife gehen. Eltern, die ihren Kindern alle Wege offen halten wollen, aber denen das Gymnasium fremd ist, weil sie selbst dort nicht waren oder weil die Grundschullehrerin Bedenken hatte, schicken ihr Kind eher auf die Gesamtschule.

Und Grundschullehrerinnen geben Kindern aus Akademikerfamilien eher eine Gymnasialempfehlung. Denen werden die Eltern mehr helfen können, denken sie, und, sehr wichtig, deren Eltern sprechen die gleiche Sprache wie die Lehrerinnen, weil sie auch studiert haben. Mal nicht zu reden von den Eltern, die mit dem Anwalt drohen, falls das Grundschulgutachten nicht wie gewünscht ausfällt.

Am Liebsten wählen Eltern eine Schule, in der Eltern- und Schülerschaft genauso zusammengesetzt ist wie schon in der Grundschule, das soziokulturelle Milieu soll gleich sein. Motto: wir bleiben besser unter uns. Kein Wunder also, dass das gemeinsame Lernen, auch mit Kindern mit besonderem Förderbedarf, für die meisten Eltern kein wichtiger Gesichtspunkt ist. In den eher „gut betuchten“ Stadtbezirken Rodenkirchen und Lindenthal ist es nicht einmal zehn Prozent der Eltern wichtig, in Kalk dagegen halten 23 % der Eltern das sogar für „sehr wichtig“.

Aus den Befragungsergebnissen kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass wir auf ein zweigliedriges Schulsystem zusteuern: Die Gymnasien bleiben bestehen, und daneben gibt es die Gesamtschulen für den Rest.

Ein solches System gibt es schon zum Beispiel in Hamburg und Bremen. Die Erfahrungen sind gemischt. In Hamburg kritisieren die Schulleitungen der „Stadtteilschulen“ – so heißen dort die Schulen, in denen alle anderen Schulformen außer Gymnasien zusammengeführt worden sind- ,dass sich bei ihnen alle „Problemfälle“ sammeln – die Kinder mit besonderem Förderbedarf und die Kinder, die von den Gymnasien abgewiesen wurden. Keine wirklich breite Mischung also, sondern „der Rest“, wie früher die Hauptschulen.

In Bremen läuft es etwas besser, weil dort die Gymnasien keine Schüler an die Sekundarschulen abgeben dürfen, sondern auch Kinder zum Hauptschulabschluss oder der Mittleren Reife führen müssen.

Die Gesamtschulen sollen Schulen für alle Kinder sein. „Die Schule der Nation ist die Schule, und nicht die Armee“, sagte einst Bundespräsident Gustav Heinemann. In der Schule sind alle Kinder des Volkes zusammen, unabhängig von ihrer Herkunft und dem Status ihrer Eltern.

Klar, das ist Wunschdenken, denn heute sind ja schon die Stadtviertel entmischt. In der Grundschule Cäsarstrasse sind halt die Kinder aus Marienburg, und in der Kapitelstrasse die Kinder aus Kalk. Dennoch: Schule könnte einen Beitrag leisten, um die weitere Spaltung der Gesellschaft zumindest zu verringern, wenn Arbeiter- und Professorenkinder dort lernen, miteinander zu sprechen, zu arbeiten und zu spielen. Und wenn jedes Kind seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert werden könnte.

Eine Schule für alle – eine Illusion? Das scheitert am Elternwillen? Mag sein, wenn man den sozialen Zusammenhalt nicht mehr für wichtig hält. Komisch, in fast allen anderen Ländern ist das möglich, und bei uns soll es nicht möglich sein? Dabei geht es nicht nur um gleiche Chancen für alle, sondern auch darum, wie wir die viel zu wenigen Lehrkräfte und den fehlenden Schulraum effektiver nutzen, und schließlich auch, wie wir die knappen Arbeitskräfte, die uns hier zur Verfügung stehen, bestmöglich qualifizieren.

Klar, das braucht politische Entscheidungen. Was wir auf kommunaler Ebene tun können: Vorrangig Gesamtschulen bauen, um ein wenig mehr für Chancengleichheit zu tun und alle Kinder besser zu qualifizieren.