Handlungskonzept gegen die Folgen von Kinderarmut

Michael Kellner

Ratsrede zur Verwaltungsvorlage am 30.6.2009

Ausgerechnet im europäischen Jahr der Chancengleichheit 2007 wurde auf Grund des neuesten Zahlenmaterials deutlich, dass jedes 4. Kind unter 15 Jahren in Köln Sozialgeld erhielt und damit als arm gelten musste. Das hat sich bis heute nicht geändert.

In der neuesten Ausgabe der Stadt Revue wird eine aktuelle Studie des Kölner Soziologen Jürgen Friedrichs zitiert, wonach ?in Köln die Spaltung in Arm und Reich unter den 15 größten deutschen Städten am stärksten (ist).? Dabei geht die Schere in Bezug auf einzelne Stadtteile weit auseinander und reichte von 0 % bis 63 %.

Die Folge war der einstimmige Ratsbeschluss vom 08.11.2007, in dem ein Handlungskonzept gegen die Folgen von Kinderarmut und ein jährlicher Sozialbericht gefordert wurden. Das Handlungskonzept liegt nun vor.

Die Verwaltung hat sich durchaus Mühe gemacht und zahlreiche Maßnahmen, bereits beschlossene, zu erweiternde und noch zukünftige, aufgelistet und dargestellt. Darunter sind Maßnahmen, die die Fraktion DIE LINKE. Köln im Rat und den Ausschüssen gefordert hat und zu deren Durchsetzung sie beitragen konnte, z.B. der Köln-Pass, das Projekt ?Schwimmen macht Schule? und die integrative ? besser wäre noch inklusive - Erziehung in den Kitas und Schulen.

Probleme hat meine Fraktion damit, wenn allgemein von Integrationsmaßnahmen gesprochen wird. Wenn Jugendliche Schulabschlüsse nachholen können, befürworten wir das. Nicht einverstanden ist meine Fraktion mit Vermittlungsbemühungen in 1-Euro-Jobs oder Minijobs.

Meine Damen und Herren, es gibt in diesem Konzept durchaus bemerkenswerte Aussagen. Wenn z.B. als ?langfristiges Ziel? gelten soll, ?dass zukünftig jedes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf an seiner allgemeinbildenden Schule in der Nähe des Wohnortes bleiben und dort gefördert werden kann?, dann findet DIE LINKE hier eine ihrer grundlegenden Forderungen wieder.

Auch an anderer Stelle kommt die Vorlage DER LINKEN durchaus entgegen: wenn nämlich ?die Gesetzeslage ? insbesondere ALG II ? als eine hauptsächliche strukturelle Ursache von steigender Armut? bezeichnet wird. Dem können wir nur zustimmen. Hartz IV ist eben Armut per Gesetz. Das steht bis heute auf vielen Wahlplakaten der Partei DIE LINKE.

Aber die Zeit drängt und die Stadt steht unter Druck, das merkt man dem Konzept an. Die Analyse wird nur knapp gestreift, und im Mittelpunkt des Konzeptes steht die Auflistung von Handlungen, teilweise in enger kommunaler Führung. Von einem wirklichen Konzept erwartet meine Fraktion, dass den strukturellen Ursachen von Armut in der Gesellschaft mehr Raum eingeräumt wird. Auch geht das Konzept sehr stark vom Mangel und den Handicaps der Menschen aus. Die positiven Handlungsfelder wie die Vermittlung von lebensbejahenden und Kindern zugewandten Werten, von Selbstbestimmung und Lebensfreude kommen zu kurz.

Der Vorschlag der Verwaltung mit diesem Handlungskonzept gegen die Folgen von Kinderarmut ist ein erster Schritt in der Debatte. Eine Erweiterung und Veränderung durch den neu gewählten Rat wird sich als notwendig erweisen, bevor die erweiterten Maßnahmen umgesetzt werden.

Genauso notwendig ist aber auch die Erstellung und Veröffentlichung des Sozialberichtes. Schließlich ist der letzte Bericht 2004 erschienen. Dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wird meine Fraktion zustimmen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.