Einnahmen steigern, Kürzungen zurücknehmen!

Jörg Detjen

Haushaltsrede zur Ratssitzung am 28.06.2012

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

Als ?Übergangshaushalt? wird dieser Haushalt inzwischen von vielen bezeichnet. Eines ist sicher: Mit dieser Ratsmehrheit wird ein Übergang zum Besseren schwierig!

Die Teilhabe aller Kölnerinnen und Kölner am gesellschaftlichen Leben muss der entscheidende Grundsatz jeder Haushaltspolitik sein. Die Realität ist eine andere: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Die Armut wächst in unserer Stadt!
Im vergangenen Jahr wurde 10.000 Menschen der Strom gesperrt. Das ist ein deutlicher Anstieg! Der Hartz-Regelsatz allein bei der Stromberechnung um 11 Euro zu niedrig.

Erschütternd ist die Feststellung der Sozialverwaltung, dass es ?größtenteils? arme Menschen sind, die überhaupt keine staatlichen Leistungen beziehen. Das heißt, wir erreichen viele dieser Menschen überhaupt nicht mehr. Deshalb darf es nicht sein, dass in der Sozialpolitik die Mittel gekürzt werden.
Andersrum: Wir müssen das Gute, das wir in Köln haben, z.B. den Köln-Pass, ausbauen und verbessern.

Wir brauchen in Köln dringend mehr Wohnungen. Deshalb unterstützt die LINKE das Kölner Wohnungsbauprogramm, weil wir auf diesem Wege auch in Stadtteilen mit geringen Einkommen soziale Stadtentwicklung betreiben können. Leider ist das Kölner Programm deutlich zu klein geraten. Es reicht gerade einmal für 300 Wohnungen im Jahr ? die doppelte Zahl wäre nötig, allein um den derzeitigen Stand an Wohnungen in Sozialbindung zu halten!
Wir müssen Stadtteile wie Chorweiler, Vingst und Finkenberg stärken und weiterentwickeln.

Deshalb haben wir überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Verwaltung das Baulückenprogramm schließen will. Lassen Sie diesen Unsinn! In den Jahren 2004 bis 2010 haben die vier Mitarbeiter durchschnittlich im Jahr 76 Baulücken geschlossen und 509 zusätzliche Wohneinheiten geschaffen. Die Mitarbeiter sollen ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen dürfen!

Es ist ein Unding, dass die Verwaltung den Kitaausbau verzögern wollte. Wir schlagen vor, nicht nur die Kürzungen zurückzunehmen, sondern noch in diesem Jahr 2,5 Mio. Euro in die Hand zu nehmen und für den Bau von 235 weiteren Kita-Plätzen einzusetzen.

Die Politik erreicht viele Kölnerinnen und Kölner nicht mehr ? wir hatten in Chorweiler bei der Landtagswahl eine Wahlbeteiligung von 29%. Da ist der Umgang von SPD und Grünen mit dem Bürgerhaushalt mehr als kontraproduktiv. Sie benutzen den Bürgerhaushalt als wäre es ein Versandhauskatalog. Sie picken dies und jenes heraus, was Ihnen gefällt und schieben den Rest beiseite ? mit dem bequemen Argument, dass dafür ja kein Geld da wäre. So funktioniert Bürgerbeteiligung nicht, so machen Sie den Bürgerhaushalt kaputt!

Lassen Sie uns den Bürgerhaushalt mit einem Mindestetat ausstatten! Und lassen Sie uns in die Stadtbezirke reingehen und um Teilhabe werben!

Teilhabe, Partizipation und transparente Politik spielen beim rot-grünen Machtgeschachere nur noch eine untergeordnete Rolle.
Der Köln-Agenda, die seit Jahren in Köln eine sehr wichtige Rolle spielt und Teil der Agenda-Bewegung ist, sollen die finanziellen Fördermittel von 76.000 Euro entzogen werden und die Stadt will ihre Mitgliedschaft kündigen. So sieht inzwischen rot-grüne Politik in Köln aus. Ein Skandal, wenn man bedenkt, dass die Köln-Agenda gerade in den letzten Monaten zusammen mit den Ratsfraktionen und der Stadtverwaltung die Kölner Klima-Politik maßgeblich mit moderiert. Rot-Grün hat mit dem Verein noch nicht einmal Kontakt aufgenommen, um mit ihm über die Kürzung der Mittel zu sprechen.

Bis heute ist es weder der Bundesregierung noch der EU gelungen, den Finanzspekulanten das Handwerk zu legen. Deshalb verwundert uns der Vorschlag der Kölner CDU, die Zusatzversorgungskasse und die Beihilfekasse der Städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rheinischen Versorgungskasse anzugliedern. Man muss wissen, dass die Zusatzversorgungskasse und die Beihilfekasse eine hohe, solide Kapitaldeckung haben und die Rheinische Versorgungskasse in der Hinsicht nicht gut aufgestellt ist. Ein abenteuerlicher Vorschlag der CDU, der faktisch eine Plünderung der Kölner Betriebskasse bedeutet.

Aber SPD und Grüne finden diesen Vorschlag attraktiv! Sie wollen diesen CDU-Haushaltsantrag von der Verwaltung prüfen lassen.

SPD und Grüne kritisieren die Verwaltung, sie habe keine Sparvorschläge gemacht. Und sie haben damit sogar Recht: Die Vorschläge der Verwaltung zur Haushaltskonsolidierung sind wild zusammengewürfelt und haben weder im Positiven noch im Negativen einen roten Faden.

Selber aber haben Sie ? meine Herren und Damen von SPD und Grünen ? auch nichts zu Wege gebracht.

Stürzen Sie sich deshalb so auf die CDU-Vorschläge? Wollen Sie sich ihre ?Übergangspolitik? durch ein CDU-Haushaltspapier definieren lassen? Auch den Rest des CDU-Papiers fanden Sie ?konstruktiv? und lassen ihn prüfen ? allein die Rücknahme des kommunalen Wohnungsbauprogramms geht Ihnen dann doch zu weit.     Die Abschaffung der Stadtbezirke hat zwar ? meine Damen und Herren von der CDU ? die meiste Empörung ausgelöst. Dabei soll es aber Ihrer Meinung nach nicht bleiben:

  • Reduzierung der Mittel für das Projekt ?Lebenswerte Veedel?, also die Sozialraumprojekte
  • Reduzierung der Kosten der Unterkunft für Harz IV-Bezieher, durch Zwangsumzüge in kleine Wohnungen ? die es gar nicht gibt.

Wie kann Rot-Grün ein solches Papier als ?konstruktiv? bezeichnen? Reaktionär und sozialfeindlich ist das! Da gibt es kein Vertun!

Das Problem der Kommunen ist die Einnahmenseite! Das gilt auch für Köln! Hier macht die Verwaltung nur kleine Vorschläge. Von einem Konzept kann man da nicht sprechen.

Wir haben im Veränderungsnachweis der LINKEN im Finanzausschuss und im Jugendhilfeausschuss dazu einige Vorschläge gemacht. Ob es nun zusätzliche Betriebsprüfer sind, die mit der Finanzverwaltung die Gewerbesteuer prüfen, oder ob es die Automatenkontrollen sind. Damit lösen wir nicht die Haushaltsprobleme, aber wir erhöhen die jährlichen Einnahmen um Millionen Beträge.

Wir möchten noch einmal betonen, dass die Erhöhung der Gewerbesteuer im vergangenen Haushalt völlig richtig war. Das hatte Rot-Grün endlich verstanden, nachdem sie diesen Schritt jahrelang gemieden hatten. Unseres Erachtens wäre 490 der richtige Hebesatz für Köln. Das würde noch in 2012 20 Millionen Euro bringen ? und in den nächsten Jahren deutlich mehr. Wer sich die neue Liste der IHK über die Gewerbesteuerhebesätze in NRW ansieht, wird sehen, dass wir in Köln trotz guter Wirtschaftszahlen eher im gehobenen Mittelfeld liegen, aber nicht an der Spitze. Das Wehklagen über eine Erhöhung dürfte sich daher in Grenzen halten.

Rot-Grün vertagt Konflikte lieber als sie auszutragen. Das sehen wir seit Langem im Kulturausschuss: Mehr als ein Jahr lang haben sie es nicht vermocht, von der Verwaltung die Wirtschaftszahlen der Bühnen zu erhalten. Wie können Sie den Fachausschuss so in die Statistenrolle treiben, wenn draußen die Debatte tobt!

Das sehen wir auch bei der U-Bahn. Da gibt die SPD Millionen Euro aus, damit für die Rhein-Ufer-Strecke vielleicht doch in zwanzig oder dreißig Jahren mal ein Tunnel gebaut werden kann. Das erklären sie mal den Leuten, denen sie die Schwimmbäder geschlossen haben!

Aber bei der U-Bahn bekleckern sich auch die Grünen nicht mit Ruhm: Waren Sie vernünftigerweise gegen den Bau der U-Bahn, so sind sie jetzt für die vorzeitige Inbetriebnahme und wollen für den ganzen Zeitraum mal locker 40 Mio. Euro ausgeben ? um leere Bahnen fahren zu lassen!

Rot-Grün hält sich bei Konflikten lieber zurück, und da, wo sich diese Koalition aus der Deckung wagt, stiftet sie Chaos. Das hat dann die Verwaltung auszubaden.

Doch wenn eine demokratische Oppositionspartei einen guten und sinnvollen Antrag stellt, dann werden Sie bissig. Dann packen Sie die Werkzeuge des kindischen bis bösartigen Polittheaters aus. Sie stellen einen inhaltlich identischen sogenannten Änderungsantrag, schieben formale Gründe für eine Nichtbefassung oder Ablehnung vor, behaupten die Verwaltung setze dies bereits um oder beabsichtige es sicherlich ? oder es heißt ? das ist natürlich bei der derzeitigen Haushaltslage beliebt: Das ist nicht finanzierbar!

?Man muss auch gönnen können?, heißt es ? und das kann Rot-Grün überhaupt nicht.

Wir freuen uns, dass die Fachhochschule in Deutz und Kalk bleiben wird. Über Monate waren wir die einzige Partei, die im Rat für diesen Standort gekämpft hat. Für die Entwicklung des rechtsrheinischen Köln ist das von großer Bedeutung. Unser Dank gilt der Bürgerinitiative und der Leitbildgruppe für ihr Engagement!

Weil die Fachhochschule in Deutz bleibt, haben wir in der Innenstadt jetzt die Möglichkeit, eine Gesamtschule zu errichten. Diese Chance darf nicht vertan werden. Wir brauchen in den metropolitanen Städten mehr Gesamtschulen. Gemeinsames Lernen ist in den Städten mit ihren unterschiedlichen sozialen Milieus eine Chance, die man nutzen sollte.

Deshalb freuen wir uns auch, dass die Bürgerbeteiligung über das Heliosgelände zu einem klaren Votum gekommen ist. Die Ehrenfelder wollen eine Inklusive Universitätsschule (IUS) und kein Einkaufszentrum. Diese Bürgerbeteiligung ist ein Erfolgsmodell, sie muss jetzt weitergeführt werden. Die Planung der inklusiven Schule darf nicht hinter verschlossenen Türen passieren, sondern muss transparent fortgesetzt werden.

In Köln findet nicht nur soziale Ausgrenzung statt, sondern Menschen werden auch aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer religiösen Glaubensrichtung, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Lebensform diskriminiert.Diese Menschen müssen wir schützen: Ob sie in Mühlheim in der Keupstr. wohnen oder im besetzen Haus in Kalk. Wir wollen eine offene Gesellschaft, in der jeder mit all seinen Besonderheiten seinen Platz finden kann. Wir können uns streiten ? und müssen es sogar. Aber in einer Atmosphäre des Respekts und der Wertschätzung.

Aber mit Ihrer Gleichstellungspolitik, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, ist kein Staat zu machen:
Die Umsetzung des Integrationskonzeptes lässt immer weiter auf sich warten. Es ist ärgerlich, dass hier nichts passiert, nachdem viele gute Ideen von Initiativen und Migrantenvereinen zusammengetragen wurden.
Oder nehmen wir das Beispiel vom autonomen Kulturzentrum in Kalk. Da ist der ehemalige Beigeordnete Streitberger oder die Kölner Polizei hinsichtlich einer Fortführung dieses Projektes aufgeschlossener als die Kölner SPD und das will schon was heißen.

Herr Oberbürgermeister,
ich würde mir wünschen, dass Sie in Sachen Minderheiten in dieser Stadt einen offenen Kurs einschlagen und ihre politischen Möglichkeiten ausnutzen. Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam in dieser Stadt gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus kämpfen. Das dürfen nicht sporadische Events sein, sondern es ist eine kontinuierliche Arbeit nötig. Deshalb unterstützen wir Überlegungen des NS-Dokumentationszentrums, ein jährliches Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus zu entwickeln.

Köln stellt sich quer, heute und in der Zukunft!