"Ein Kahlschlag bei der Schulsozialarbeit wäre eine Ohrfeige für die Schulen!"

Heiner Kockerbeck

Rede in der Ratssitzung am 02.09.2014

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

DIE LINKE begrüßt den vorliegenden Antrag, mit dem die Stadt

  • 90 Sozialarbeiterstellen über den 31.12.2014 hinaus sichert,
  • für den Bund und das Land finanziell in Vorleistung geht,
  • die Arbeitsverträge, die bisher befristet sind, nun entfristet.

Wir sehen dies als ein erfreuliches Zeichen für einen verantwortlichen Umgang mit den Lern- und Lehrbedingungen an Kölner Schulen und für die sozialen Verhältnisse in Köln. Es ist für jedermann leicht beurteilbar, dass die Entlassung von über 90 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die seit Jahren auf ihrer Stelle arbeiten, den Charakter eines Kahlschlages für Schulsozialarbeit in Köln bedeuten würde, gibt es doch in der Stadt insgesamt nur 130 solcher Stellen.

Zur Zeit werden die Schulen völlig zurecht vor die Aufgabe gestellt, erstmals im deutschen Bildungswesen ?Inklusion? breitenwirksam in der Praxis umzusetzen, was bedeutet, dass endlich das Menschenrecht für Kinder und Jugendliche mit Behinderung verwirklicht werden soll, gleichberechtigt und frei von Diskriminierung aufzuwachsen. In dieser Situation käme ein solcher Kahlschlag bei der Schulsozialarbeit einer Ohrfeige für alle Schulen gleich, die sich bereits auf den Weg der Inklusion gemacht haben.

Zudem ist spätestens seit den internationalen Schulvergleichsstudien wieder zurecht in der öffentlichen Diskussion, dass in deutschen Schulen die soziale Herkunft der Eltern in hohem Maß dafür verantwortlich ist, welchen Bildungsabschluss ein Kind einmal erreichen wird. Schulsozialarbeiter sind aber gerade ein zentraler Baustein im Konzept von Schulen, die sich um die Förderung von Kindern aus einkommensärmeren und bildungsfernen Schichten bemühen, z.B. für viele Gesamtschulen. Auch Kinder mit Migrationshintergrund erreichen hier vielfach bessere Schulabschlüsse, als ihnen einst die Grundschulempfehlung voraussagte.

Das alles zeigt, dass gerade Eltern und Kinder aus den ärmeren Schichten, Migrantinnen und Migranten sowie Eltern behinderter Kinder ein großes Interesse daran haben, das die Personalsituation an den Schulen nicht weiter verschlechtert wird.

Und ebenso haben dieses Interesse alle diejenigen, denen die soziale Spaltung unserer Stadt Sorgen macht. Die Zahlen sind bekannt: Fast 25% aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren wachsen z.B. in einem Haushalt auf, der auf Hartz IV angewiesen ist. Die Eltern dieser Kinder und Jugendlichen brauchen natürliche ordentlich entlohnte und sichere Arbeitsplätze, bezahlbare und größere Wohnungen - in denen es z.B. auch Zimmer gibt, um ungestört Hausaufgaben zu erledigen. Aber diese Kinder und Jugendlichen brauchen auch Schulen, in denen sie individuell angesprochen und gefördert werden, in denen ihnen Anregungen und Materialien zum Lernen geboten werden, die sie zu Hause nicht erhalten. Diese Schulen gibt es nicht zum Nulltarif!

Leider sind die Schulen im ganzen Land momentan weit davon entfernt, die angesprochenen Aufgaben in der ganzen Breite leisten zu können. Dafür sind sie mit Personal, Räumen und anderen Ressourcen zu schlecht ausgestattet. Aber wer meint, das Bildungswesen und die gesamte soziale Infrastruktur aufgrund fiskalischer Interessen weiter kaputt sparen zu können, der wird sich noch wundern, wie teuer es in einigen Jahren sein wird, die Folgekosten unsozialer Sparpolitik zu bezahlen.

Deshalb spricht die LINKE sich auch dagegen aus, wenn die CDU nun aus durchsichtigen parteitaktischen Gründen die rot-grüne Landesregierung alleine in der Pflicht sieht, die 90 Stellen zu finanzieren. Alle wissen, dass nicht nur die meisten Kommunen zu wenig Geld besitzen, um ihre Aufgaben zu erfüllen, sondern auch die Bundesländer. Deshalb ist natürlich der Bund ebenso in der Pflicht, für eine angemessen Finanzausstattung von Ländern und Kommunen zu sorgen. Wir brauchen also wieder eine höhere Besteuerung von Konzernen und Reichen, nachdem die Steuern für diese in den letzten 20 Jahren immens gesenkt worden sind.

Die vielfältigen Proteste, die der im April 2013 hier im Rat verabschiedete Kürzungshaushalt verursachte, zeigen, wie verbreitet der Unmut in der Bevölkerung über die Einsparungen in sozialen Bereichen ist. Wenn Länder und Kommunen nicht wieder besser finanziert werden, wird dieser Unmut weiter andauern und zu den nächsten, absehbaren Kürzungsrunden wird es wieder - und diesmal stärkere - Proteste geben.

Der vorliegende Antrag findet übrigens auch deshalb die Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, weil er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Befristung ihrer Arbeitsverträge befreit. Gerade im Bereich sozialer Dienstleistungen sind in den letzten 20 Jahren unglaubliche Verhältnisse eingerissen: Die Löhne sind deutlich niedriger als im Produktionssektor. Es gibt oft Arbeitsverträge mit Befristung oder erzwungener Teilzeit. Die Unsicherheit der Finanzierung vieler Stellen führt dazu, dass Beschäftigte eine Familiengründung aufschieben oder ganz unterlassen. Deshalb ist die geplante unbefristete Beschäftigung der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ein positives Signal, das hoffentlich zu Nachahmung Anreize gibt.

Auch angesichts der Situation, dass von den 17.000 städtischen Mitarbeitern rund 1000 z.Z. nur befristete Arbeitsverträge besitzen, hofft DIE LINKE auf Nachahmungstäter in Hinsicht des Antrages, dem wir eine breite Mehrheit wünschen. Die Stadt gibt hiermit ein positives Beispiel, wie Verantwortung für unsere Stadt nicht zwischen verschiedenen Stellen hin- und hergeschoben wird, sondern wie sie in positiver Weise übernommen wird.