Dumpinglöhne beim Bau der U-Bahn

Anfrage zur Ratssitzung am 13.07.2010

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters,

die Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Köln bittet Sie um Aufnahme der folgenden Anfrage auf die Tagesordnung der kommenden Ratssitzung:

Nach einer Überprüfung der Baustelle Heumarkt der Nord-Süd-Stadtbahn (NSB) am 16.06.2010 hat der Zoll bei 29 Arbeitnehmern den Verdacht, dass ihnen nicht der vorgeschriebene Lohn gezahlt wird, bzw. dass der Sozialversicherungspflicht nicht nachgekommen wird.

In der siebten Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 24.08.2009 zum §7, Abs.1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz über die zwingenden Arbeitsbedingungen im Baugewerbe ist ein Mindestlohn im Baugewerbe von 10,80 Euro festgelegt.

Die Stadt Köln hat beim zentralen Vergabeamt eine Sanktionsstelle eingerichtet. Von hier aus werden die Firmen auf städtischen Baustellen auch dahingehend überprüft, ob Mindestlohn und Sozialversicherungspflicht eingehalten werden. Die KVB hat als Bauherrin der NSB darauf hinzuwirken, dass die Mindestbedingungen zum Schutz der Arbeitnehmer erfüllt werden. Eine Einrichtung ähnlich der Sanktionsstelle bei der Stadt Köln könnte ggf. mithelfen, die Verstöße beim Bau der NSB aufzudecken und zu verhindern.

Bei Verstößen gegen Mindestlohn und Arbeitsschutz besteht nicht ?nur? die Gefahr der Ausbeutung von Arbeitnehmern. Durch zu wenig gezahlten Lohn wird weniger Lohnsteuer abgeführt. Der Stadt entgehen möglicherweise Steuereinnahmen. Die Baustelle wird von der ARGE Süd (Bilfinger Berger, Wayss & Freytag und Züblin) betrieben. Nach hiesigem Kenntnisstand sind diese Firmen vertraglich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, die gesetzlichen Bestimmungen wie Mindestlohn und Sozialversicherung für alle Arbeitnehmer auf der Baustelle zu gewährleisten.

Für ARGE Baustellen besteht die Möglichkeit der Einrichtung von ARGE Betriebsräten.  Die Einführung einer solchen Arbeitnehmervertretung könnte helfen, Verstöße gegen bestehendes Arbeitsrecht zu verhindern. Die Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Bestimmungen und eine ordentliche Entlohnung kann zu einer verbesserten Qualität der abgelieferten Arbeit führen. Nach Aussagen der zuständigen Fachgewerkschaft gibt es bei der ARGE SÜD keinen ARGE Betriebsrat. Ein noch zu gründender ARGE - Betriebsrat könnte der Gefahr von Ausbeutung der Arbeitnehmer entgegenwirken.

Auch IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel glaubt, dass für die gravierenden Mängel beim Kölner U-Bahn-Bau nicht nur einzelne Arbeiter verantwortlich gewesen sein können. In einem Interview mit dem Mannheimer Morgen sagte der Gewerkschaftschef, ein solcher Pfusch wie in Köln sei nur denkbar, ?wenn ein ganzes System beteiligt ist?.
Gerade bei den Baustellen der NSB führte mangelnde Qualität bei der Bauausführung zu erhöhten Sicherheitsrisiken. An der Baustelle Heumarkt wurden Stahlteile in erheblichem Umfang nicht verbaut. Auch bei der Katastrophe am Waidmarkt scheint mangelnde Qualität und Sorgfalt eine der Ursachen des Einsturzes des Stadtarchivs zu sein.

Hierzu hat die Fraktion DIE LINKE folgende Fragen:

  1. Wie viele Unternehmen, incl. aller Subunternehmen und Personalüberlassungsfirmen arbeiten auf den Baustellen der ARGE Süd?
    Es wird um eine detaillierte Liste mit Firmensitz und der Anzahl der auf den Baustellen der NSB beschäftigen Mitarbeiter gebeten.
  2. Wie funktioniert das Kontrollsystem zur Überwachung von Mindeststandards?
    - Welche Aufgaben übernimmt die KVB innerhalb des Kontrollsystems, welche die ARGE ?
    - Inwiefern beschäftigt sich die AG Stadtbahn nach dem Bekanntwerden der Verdachtsfälle mit dem Thema Einhaltung von Mindestlöhnen und Sozialversicherungspflicht auf den Baustellen der NSB?
    - Bestehen Überlegungen eine Einrichtung ähnlich der Sanktionsstelle bei der Stadt Köln auch für Baustellen städtischer Töchter einzurichten bzw. den Wirkungskreis der bestehenden Sanktionsstelle auf Baustellen städtischer Töchter auszuweiten?
    - Wenn ja, wann kann mit der Aufnahme der Arbeit gerechnet werden?
    Wenn nein, warum nicht?
    - Wer kontrolliert derzeit wie künftig die Einhaltung von Mindestlöhnen, Arbeitszeiten und der Sozialversicherungspflicht vor Ort?  
  3. Welche Konsequenzen haben die Firmen der ARGE und die KVB nachdem Bekanntwerden der Verdachtsfälle gezogen und welche wollen sie künftig ziehen?  
  4. Welche Möglichkeiten bestehen seitens der Stadt Köln gegen den Missstand von Dumpinglöhnen, Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung vorzugehen?
  5. Wurde von Seiten der KVB mit den Firmen der ARGE über die Gründung eines ARGE Betriebsrates gesprochen? Falls nein, wird dies nach den aktuellen Vorkommnissen in Erwägung gezogen?

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Detjen, Sprecher der Fraktion DIE LINKE.
Gisela Stahlhofen, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.