Die Mär eines Jobwunders durch liberalisierte Ladenöffnungszeiten

Nicht nur im Landtag NRW wird über eine Einschränkung  des Ladenöffnungsgesetzes, das am 1. September 2006 in Kraft getreten ist, diskutiert, sondern auch der Kölner Stadtrat hat sich am 14. Februar mit dem kontroversen Thema befasst. Die Kölner FDP hatte, anstatt die Debatte im Düsseldorfer Landtag abzuwarten, einen Antrag eingebracht, in dem sie die Beibehaltung der ?bewährten? Ladenöffnungszeiten ? auch am Sonntag ? fordert. Dies führt nun zu der Frage: Haben sich die 2006 liberalisierten Ladenöffnungszeiten wirklich bewährt, wie die FDP behauptet, oder ist diese Annahme rein ideologisch motiviert ?   

Ihren Antrag begründet die FDP mit den Ergebnissen der Evaluierung des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz ? LÖG NRW). Laut Evaluierung sei die Zahl der Beschäftigten seit Inkrafttreten des Gesetzes deutlich angestiegen und den Konsumenten sowie dem Einzelhandel tue die Liberalisierung gut, ? die geplante Einschränkung hingegen würde alle stark belasten. Anstatt sich mit Argumenten wie dem Schutz der Arbeitnehmer auseinanderzusetzen, wittert die FDP, wie sie phrasenhaft formuliert, hinter der Diskussion um die Einschränkung staatliche Bevormundungspolitik. Dass insbesondere die sozialen Beziehungen der Beschäftigten leiden, interessiert die Neoliberalen nicht. Dabei hat die Gewerkschaft ver.di immer wieder auf die negativen Folgen des LÖG hingewiesen. Die Gewerkschaft verlangt, die Regelungen für die Öffnungszeiten deshalb wieder zu verschärfen. In einer Stellungnahme zur Evaluierung gibt ver.di an, dass das Gesetz lediglich mehr geringfügig Beschäftigte hervorgebracht hat, die auch noch sehr schlecht bezahlt würden. 15.000 Vollzeitstellen wurden in den letzten Jahren abgebaut. Weitere negative Auswirkungen für die Arbeitnehmer sind u. a.: Gesundheitsschädigung und Umsatzverluste mittelständischer Betriebe, Tankstellen und Kioske.  

Wenn man sich die Zahlen aus der Evaluation anschaut, sieht man, wer die Gewinner und wer die Verlierer des LÖG sind. Im Betrachtungszeitraum 2003 bis 2010 ist eine Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung erfolgt; ihr Anteil stieg von 31,5 % auf 35%. Besonders der Anteil geringfügig Beschäftigter ist in den untersuchten Jahren gestiegen: ?Insgesamt hat sich die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten in den vergangenen Jahren um rund 13.000 erhöht [?]?.[1] Auch wenn man die Umsatzzahlen 2007 bis 2008 mit dem Umsatz in den Jahren 2000 bis 2006 vergleicht, ergibt sich keinesfalls das von der FDP beschworene Bild, dass sich das LÖG bewährt hätte. Der Umsatz hat sich nur geringfügig verschoben ? insgesamt ist er konstant geblieben. 2000 bis 2009 stagnierten die Konsumausgaben der privaten Haushalte in NRW. Dies ist eigentlich nur logisch: Die Leute haben nicht plötzlich mehr Geld, mögen auch  die Läden länger offen bleiben. Das LÖG wurde 2006  verabschiedet, um auch kleinen Händlern neue Chancen zu bieten, aber auch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, im Gegenteil: Es kam zu einer Konzentration bei den großen Unternehmen. Kleine und mittlere Betriebe wurden durch den Konkurrenzdruck zusätzlich belastet. Gewinner des LÖG ist hauptsächlich der großflächige Lebensmittelbereich, z.B. REWE. REWE erwirtschaftet mittlerweile 13 Prozent des Wochen-Umsatzes nach 20 Uhr (in dieser Zeit wird übrigens sehr viel Alkohol verkauft).  

REWE macht daher auch viel Werbung für die verlängerten Öffnungszeiten. So lud Vorstandschef Alain Caparros den NRW-Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger und Martin Börschel, Kölner SPD-Vorsitzender, nach 22 Uhr in einen Kölner REWE-Markt am Kölner Hohenzollernring ein. Dumm nur, dass es sich nicht um einem dem Konzern zugehörigen Markt handelte, sondern dass der Markt selbständig betrieben wird. Der anwesende Betriebsrat war also gar nicht zuständig und tarifgebunden ist der Betrieb auch nicht. Dennoch scheint der Besuch den Minister und Martin Börschel sehr beeindruckt zu haben, im Moment kippt die Stimmung in der Landesregierung zugunsten des LÖG.    

Doch nicht nur die Gewerkschaften kritisieren das LÖG, auch die katholische und die evangelische Kirche sowie des Bundesverfassungsgericht sehen Nachbesserungsbedarf. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vom 1. Dezember 2009 festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe zu gewährleisten. An Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Arbeitsruhe gelten und es bedarf eines Sachgrundes, der gegen den Sonntagsschutz abzuwägen ist, ? ein bloßes Shopping- und Wirtschaftsinteresse reicht nicht aus, um die Öffnung zu genehmigen. In Köln öffnen die Läden sonntags übrigens besonders häufig.        

[1] Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Evaluierung des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten . (Ladenöffnungsgesetz - LÖG NRW). Bericht an den Landtag, Juli 2011, S. 17.