Die „Abgelehnten“ für eine Bildungswende jetzt

Karl-Heinz Heinemann

Bundesweiter Protesttag am 23. September – Kundgebung in Köln

Als sein Sohn von der Grundschule in eine weiterführende Schule wechseln sollte, machte Olaf Wittrock eine ernüchternde Erfahrung: Von der Grundschule seines Sohnes in Sülz bekam die Hälfte der Kinder den erwünschten Platz. Auch sein Sohn kam nicht auf das Wunsch-Gymnasium. Das ist vielleicht keine Katastrophe, aber besonders deprimierend war das Losverfahren, bei dem befreundete und benachbarte Kinder und Familien gegeneinander antreten. Das können nur Zyniker als gelungene Vorbereitung auf das Leben in der Konkurrenzgesellschaft verbuchen. Olaf Wittrock, der sich als Journalist mit Wirtschaft und Finanzmärkten beschäftigt, fand das empörend, wie viele Eltern in der gleichen Situation. Er tat sich mit anderen Betroffenen zusammen und gründete die Initiative „Die Abgelehnten“. Die Gruppe ist ein loser Zusammenschluss von Eltern, ohne feste Organisationsform zwar, aber mit dem festen Willen, künftige Jahrgänge besser auf das Chaos vorzubereiten, das sie bei der Schulplatzsuche erwartet – und die Verantwortlichen dazu zu bringen, die Lage schnell zu verbessern.

Seit zwei Jahren begleiten sie kritisch die Kölner Schulpolitik und artikulieren den Unmut der Betroffenen. In diesem Jahr waren es besonders viele: Nicht nur, wie schon traditionell, die Eltern, die Ihr Kind an einer Gesamtschule anmelden wollen, auch an den Gymnasien können die Kölner Kinder immer schwerer untergebracht werden, und, noch schlimmer, der Anspruch angehender Grundschulkinder auf einen Platz in der nächstgelegenen Grundschule konnte dieses Jahr auch nicht eingelöst werden. Dass Erstklässler im nächsten Schuljahr bis zu sieben Kilometer fahren müssen, ist einfach unzumutbar, vor allem für alleinerziehende und berufstätige Eltern.

Wie ignorant die Kölner Stadtverwaltung auf die Nöte der Eltern reagiert, findet Olaf Wittrock schlicht empörend. Als in einer Aktuellen Stunde des Rats im März darüber gesprochen wurde, saßen betroffene Eltern und Kinder auf der Zuschauertribüne, mit Plakaten, dass sie noch keinen Schulplatz hätten, während Schuldezernent Robert Voigtsberger (SPD) davon sprach, dass alle Kinder untergebracht werden könnten. Als der LINKEN-Sprecher Heiner Kockerbeck mit Verweis auf einen entsprechenden Aufruf der „Abgelehnten“ Henriette Reker aufforderte, dieses Problem zur Chefsache zu machen, reagierte sie mit keiner Silbe und rief unbeirrt den nächsten Tagesordnungspunkt auf. Ein Verhalten, das nicht gerade geeignet ist, die Enttäuschung über die etablierte Politik zu mindern. Im besten Fall, wie bei den „Abgelehnten“, führt es zu der Erkenntnis, dass man sich selbst kümmern und zur Wehr setzen muss, im schlechtesten Fall zur Resignation oder zur Stimmabgabe für Politikverweigerer in der AfD.

Für Olaf Wittrock ist Bildungspolitik vor allem Kommunalpolitik. Hier müssen die Schul- und Kitaplätze geschaffen werden. Das ist sicher überall ein Problem, aber in Köln besonders schlimm.

Wie kommt das? In den kleinen Gemeinden sitzen oft jüngere Menschen in den Gremien, die selbst Kinder haben, im Stadtrat von Köln sieht Wittrock deutlich mehr Großeltern sitzen. Politik für Familien würde sich auch mehr lohnen, meint er, wenn man das Wahlrecht ab 0 Jahren einführen würde – also auch Kinder eine Stimme in der Politik hätten.

Besonders ärgert Wittrock, wenn Schulpolitik von Ideologie überlagert wird. Da gibt es in Rondorf eine Initiative für eine Gesamtschule, die Nachfrage im Stadtbezirk danach ist groß, doch was plant die Stadt? Ein Gymnasium. „Das niemand vor Ort will“, so Wittrock. Genauso in Neubrück, wo gegen das Votum der Bezirksvertretung eine halb leere Hauptschule erhalten bleibt, statt den Standort in eine Gesamtschule umzuwidmen.

Die Initiative „Die Abgelehnten“ gehört zu den Erstunterzeichnern des bundesweiten Appells für eine „Bildungswende jetzt“, in dem ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bildung und die Einlösung der 2008 auf einem Bildungsgipfel gegebenen Zusicherung, zehn Prozent des BIP für Bildung und Wissenschaft auszugeben. Die Länder sollen sich verpflichten, genügend Lehrkräfte auszubilden, anstatt sie sich gegenseitig abzuwerben, und deren Ausbildung auf heutige Anforderungen auszurichten. Mit Bildung für nachhaltige Entwicklung und mehr Freiräume in der Gestaltung sollen Schulen inklusiv und innovativ werden. Am 23. September soll ein bundesweiter Bildungsprotest-Tag auf die Vernachlässigung von Kitas und Schulen aufmerksam machen. In NRW wird dieser Protest, getragen unter anderem von den „Abgelehnten“, der GEW, den „Teachers for Future“ und vieler anderer auf einer Kundgebung auf dem Heumarkt artikuliert werden.