Aufregung um Ford

Hans Lawitzke

In den letzten Wochen und Monaten hat es viel Aufregung um die Zukunft der Ford Werke gegeben.

Viel Unfug ist dabei veröffentlich worden: Das Motorenwerk sei schon tot. Die Fiesta Produktion solle verlagert werden. Die Bänder in Saarlouis ständen still. Entlassungen hätten begonnen, und so weiter.

Die Situation ist zwar in der Tat nicht nur eitel Sonnenschein, aber diese Horrormeldungen sind doch maßlos übertrieben.

Die Situation in den USA ?

Seit etwa Anfang letzten Jahres befindet sich die US-Wirtschaft am Ende eines normalen Konjunkturaufschwunges. Entsprechend ging den Automobilabsatz leicht zurück. Überlagert wurde dies dann in diesem Jahr von stark steigenden Energie-, vor allem Ölpreisen. Zusätzlich hat in der Öffentlichkeit die überfällige Diskussion um eine zukunftsfähige Energiepolitik begonnen.

Dies alles zusammen führt zu dramatischen Rückgängen im Automobilverkauf sowie zu einer sich sehr schnell verschiebenden Nachfrage bei der Art von Autos: Weg von Sprit fressenden Pick-Ups und SUVs (Sport Utility Vehicles = Große Autos für die Stadt mit Off-Road-Design und teilweise auch -Fähigkeiten) hin zu sparsameren PKW. Dies führt bei allen Automobilkonzernen in den USA zu drastischen Umsatzeinbußen und entsprechenden Ertragsproblemen. Selbst ?Musterschüler? Toyota macht keine Gewinne mehr.

Diese Situation wird nun noch durch die Bankenkrise verschärft. Zum einen wirkt die Verunsicherung, zum anderen bekommen Privathaushalte schlechter Kredit.Wurden in den letzten Jahren zwischen 16 und 18 Millionen Autos jährlich verkauft und träumte die Autoindustrie schon vom Knacken der 20-Millionen-Marke, so wurden im September 2008 nicht mal mehr 1 Millionen Autos verkauft. Der Oktober läuft noch schwächer an. Ford hat gegenüber dem Vorjahr 30% weniger Autos verkauft.

Besonders hart getroffen sind die alteingesessenen Detroiter  Autokonzerne, genannt ?The Big Three?  die großen Drei ? Chrysler, Ford und General Motors (Mutter von Opel). Diese hatten im Gegensatz zu Toyota, Honda, BWM oder Mercedes zu viel Produktionskapazitäten für die großen Modelle geschaffen und ein zu schwaches Angebot im PKW Sektor. Auch wenn man seit fast 20 Jahren davon redete, dass man zu abhängig von den großen Schlitten sei und sich auf eine Veränderung des Marktes vorbereiten müsse, so ist dies doch nicht gelungen. Alle drei machen daher nun auch schon einige Jahre in Folge heftige, zum Teil zweistellige Milliardendefizite.

Auch das Schließen von Werken sowie die Entlassung von insgesamt über 300.000 Beschäftigten hat diese Firmen noch nicht wieder profitabel gemacht. Um ein Überleben dieser für die US-amerikanische Volkswirtschaft zentralen Unternehmen zu ermöglichen und den Strukturwandel hin zu zeitgemäßen Produkten zu beschleunigen, springt die US-Regierung in die Bresche. Im Windschatten des 700 Mrd. Dollar Paketes zur Rettung der großen Banken wurde ein 45 Mrd. Hilfspaket für die Automobilindustrie beschlossen.

Ford hat nach allgemeiner Einschätzung am frühesten auf die radikale Marktveränderung reagiert und wohl auch die besten Aussichten von den dreien, die Kurve zu kriegen. Ob und wenn ja, unter welchen weiteren Verlusten an Arbeitsplätzen dies gelingt, ist unklar. Ein wichtiger Faktor wird sein, ob die sich abschwächende Konjunktur unter dem Einfluss der Finanzkrise doch noch zu einer Rezession wird.

? und in Europa

 

Die Situation der Europa-Tochter sieht dagegen insgesamt sehr gut aus. Die Produktoffensive von Ford-Europa führte zu gutem Absatz und einem langsam steigenden Marktanteil. Die relativ starken Produkte, die jetzt zum Teil auch in Nordamerika gefertigt werden sollen, um dort die Wende zu unterstützen, sorgen für eine relativ stabile Situation.

Im letzten Jahr wurden etwa 1,9 Millionen Autos verkauft, begrenzt nur durch die fehlenden Möglichkeiten, mehr zu bauen. Alle Werke waren mit Sonderschichten bis über die Nenn-Kapazität ausgelastet. Um der eigenen Wachstumsstrategie die nötigen Kapazitäten zu verschaffen, wurde ein alten PKW-Produktionswerk in Rumänien zu gekauft, indem ab 2010 ein neues zusätzliches Modell gebaut werden soll.

Im ersten Halbjahr 2008 wurde denn auch ein Gewinn auf Rekordniveau erwirtschaftet: 1,3 Mrd. US-Dollar. Auch die sich abschwächende Konjunktur in Europa zeigt bisher keine dramatischen Folgen: Zwar wurden die Sonderschichten gegenüber dem Plan vom Jahresbeginn reduziert und die aktuelle Verkaufsvorhersage gegenüber Jahresbeginn um 3% nach unten korrigiert. Aber das sind immer noch mehr Autos als im Vorjahr. Vor wenigen Tagen meldete die Zeitschrift Capital, dass Ford Deutschland erstmalig seit vielen Jahren wieder einen satten Gewinn machen wird, 200 Mio. Euro!

Gerade vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Diskussionen um die Zukunftsfähigkeit von Automobilproduktion in Deutschland nicht zu verstehen. Die Fertigung des neuen Fiesta in Köln ist gut angelaufen, und die Produktion wird komplett abgesetzt. Auch wenn natürlich mittelfristig Verlagerungsszenarien denkbar sind, so ist doch zumindest für die laufende Fiesta-Produktion eine Verlagerung nur unter so hohen Kosten für den Umzug der Anlagen und die Verkaufsausfälle während des Umbaus zu machen, dass dies einfach ökonomischer Unsinn wäre.

Auch die Meldungen aus dem Saarlouiser Werk, Leute seien entlassen worden, sind falsch. Tatsache ist: In Saarlouis sind für den Produktionsanlauf einer Reihe von neuen Modellen (unter anderem der Kuga)  letztes Jahr 560 zusätzliche Beschäftigte in Form von Arbeitnehmerüberlassungen (Leiharbeit) von der Firma Adecco ins Werk gekommen. 360 von diesen sind nun im Mai diesen Jahres fest von Ford übernommen worden und die verbleibenden 200 laufen ? wie von Anfang an geplant ? nun Ende November aus. Die Anlaufphase ist vorbei und die zusätzlichen Tätigkeiten sind nicht mehr notwendig. Im Gegensatz zu den in den Medien gemeldeten Maßnahmen bei BMW, VW und anderen hat dies nichts mit schlechterer Auslastung oder Absatzproblemen zu tun.

Und Ford in Köln?

 

Wie eben beschrieben, läuft die PKW Produktion sehr gut. Das Sorgenkind in Köln ist das Motorenwerk. Dort werden überwiegend großvolumige V6-Motoren für den US-amerikanischen Markt gebaut. Deren Absatz ist schon seit einigen Jahren rückläufig. Und so verwundert es nicht, dass mit den jüngsten Absatzeinbrüchen die Situation richtig problematisch geworden ist. Wurden früher in drei Schichten über 2000 Motoren täglich gebaut, ist heute nur noch eine  Schicht in Betrieb. Aber die Nachfrage in den USA ist so eingebrochen, dass nicht mal diese 700 Motoren benötigt werden.

Die Produktion dieses Motors ist noch bis 2010 geplant, aber so wie sich die Lage jetzt entwickelt, braucht das Kölner Motorenwerk deutlich vorher eine andere Perspektive. In weiser Voraussicht hat der Betriebsrat daher ja auch die Anschlussproduktion für den aktuellen Motor in voller Kapazität des Motorenwerkes in der Investitionssicherungsvereinbarung von 2005 (Einkommensverzicht gegen Sicherung aller Werke bis 2011) mit der Geschäftsleitung verbindlich geregelt. Und ein neuer Motor ist durchaus vorhanden. Ein neu entwickelter turbogeladener Benzindirekteinspritzer mit kleinem Hubraum soll in großer Stückzahl ab etwa 2010 für die Klein- und Mittelklassefahrzeuge des Fordkonzerns zum Einsatz kommen.

Die Geschäftsleitung von Ford Europa würde diesen neuen Motor zwar gern wegen der geringeren Lohnkosten im neuen Werk in Rumänien bauen lassen, aber dagegen steht die Vereinbarung. Diese lässt zwar prinzipiell eine Abweichung zu: Sollte die Fortsetzung der heutigen Produktion in den gesicherten Werken ökonomisch oder technisch nicht möglich sein, kann Ersatzproduktion vereinbart werden. Aber was sollte ein Motorenwerk bauen, außer Motoren?

Es gibt zur Produktion des neuen Motors in Köln keine Alternative. Zumal auch betriebswirtschaftlich viel für das Kölner Werk spricht:

? Gute und erprobte Logistik ? diese ist in Rumänien nicht garantiert. Insbesondere sind Straßen und Schienenanbindung in sehr schlechtem Zustand. Ob diese überhaupt und wenn ja, rechtzeitig zum geplanten Produktionsstart modernisiert werden wird, ist völlig offen.

? Voll eingearbeitete und hochqualifizierte Arbeitskräfte. Sicher können die aktuellen und potenziellen Kolleginnen und Kollegen in Rumänien auch alles lernen. Aber bis ein Werk volle Leistung bei hoher konstanter Qualität abliefert, dauert es selbst in etablierten Werken bei neuen Produkten etliche Monate. Eine komplette Belegschaft auf ein neues Produktionskonzept, neue Technik und neue Arbeitsmethoden einzu- ?fahren?, birgt hohe Risiken und dauert noch länger. Dazu kommt, dass die zur Zeit noch vorhandenen gut ausgebildeten Facharbeiter nach Westeuropa und Skandinavien abwandern und der Nachwuchs ausbleibt, auch auf Grund des maroden staatlichen Bildungssystems.

? Ein gut etabliertes Netz von Zulieferern. Die weiter verschärften europäischen Abgasnormen und die sich (ähnlich wie in den USA) zu kleineren Autos und Motoren verschiebende Nachfrage macht aber für die Zukunft der Ford Werke in Europa vor allem die sichere und schnelle Verfügbarkeit des neuen Motors zu einem wichtigen Punkt. Verlorene Marktanteile oder wegen fehlender Motoren nicht  ausgelastete PKW-Werke (wie heute in den USA) wären viel teurer, als möglicherweise etwas höhere Kosten in der Motorenproduktion.

Da die geplanten Stückzahlen des neuen Motors auch ausreichen würde, beide Motorenwerke (Köln und Rumänien) auszulasten, wäre es sinnvoller, die Produktion in Köln beginnen zu lassen und das Werk in Rumänien in aller Ruhe aufzubauen und etwas später dort die Produktion hoch zu fahren.

Hans Lawitzke