"Viele Flüchtlinge, die heute nach Deutschland kommen, werden hier bleiben. Das sollten wir als Chance begreifen."

Jörg Detjen

Statement zu den aktuellen Aufgaben für die Kölner Flüchtlingspolitik. In der Ratsdebatte am 30. September hatten wir gefordert, dass der Rat zu einer gemeinsamen Resolution in Sachen Flüchtlingspolitik kommen möge. DIE LINKE hat hierzu Mitte Oktober der SPD und den Grünen einen ersten Antrags-Entwurf übersandt.

In der Ratsdebatte am 30. September hatte ich gefordert, dass der Rat zu einer gemeinsamen Resolution in Sachen Flüchtlingspolitik kommen möge. DIE LINKE hat hierzu Mitte Oktober der SPD und den Grünen einen ersten Antrags-Entwurf übersandt.

Diesen Entwurf hatten wir zuvor auch mit den Piraten und Freunden abgestimmt – wir wollten ein möglichst breites gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingspolitik erreichen. Weder in der Sitzung im Oktober noch im November kam es aber zu einem gemeinsamen Antrag.
Die jetzigen 10 Thesen der SPD sind das Substrat eines Alternativentwurfes der SPD, der uns zwei Tage vor der letzten Ratssitzung zur Kenntnis gegeben wurde. Zwar griff dieser Alternativantrag Ideen von uns auf – die inhaltliche Stoßrichtung der SPD war aber geprägt von dem Gedanken: „Köln ist überfordert!“ Es war zu wenig Zeit, um zur letzten Ratssitzung noch einen gemeinsamen Antrag auszuhandeln. Wir hatten aber erwartet, dass dies zur Dezembersitzung gelingen könnte.
Jetzt aber legt die SPD ihre „10 Thesen“ vor und bremst damit alle Bemühungen um ein gemeinsames Vorgehen aus. Noch dazu sind in den „10 Thesen“ Ideen enthalten, die von uns abgekupfert wurden. Das ist nicht die feine Art. Wir sind verärgert.

Wir haben aber keine Zeit für Befindlichkeiten, weil die Probleme drängen. Dazu 5 Punkte von uns:

  1. Wir hatten am 31.3.2002 6.832 Flüchtlinge in Köln. Davon waren 4.091 unerlaubt Eingereiste und 1.539 Asylbewerber.
    Derzeit leben 4.500 Flüchtlinge hier. Es wird erwartet, dass in 2015 etwa 250 Personen monatlich hinzukommen, oder aufs Jahr gerechnet: 3.000.
    So zu tun, als ob die Unterbringung der Flüchtlinge in 2014/15 die größte Herausforderung nach dem 2. Weltkrieg sei, ist reine Panikmache und hilft uns nicht weiter.
    Um die Situation in Köln ein wenig in eine Perspektive zu stellen, denken Sie bitte an die Nachbarländer Syriens, an die Türkei oder den Libanon. Sie nehmen ein Vielfaches der Flüchtlinge auf, die nach Deutschland kommen. Oder denken Sie an Schweden, das bei 9,5 Mio. Einwohnern in 2014 etwa 80.000 Flüchtlinge aufnimmt.
    Es gab viele Versäumnisse bei der Unterbringung von Flüchtlingen in den letzten Jahren und wir müssen diese jetzt reparieren.
    Die Flüchtlinge sind die Leidtragenden der Kölner Versäumnisse. Wir müssen ihre Not lindern und dazu konkrete Lösungen anstreben.
  2. Wir hatten im Mai hier ein Pressegespräch über das Thema Wohnpatenschaften für notleidende Menschen. Dazu haben wir in den letzten Monaten etliche Gespräche geführt. Der Gedanke war, dass alle Wohnungsunternehmen einen Beitrag zur Unterbringung der Flüchtlinge leisten sollen. Nach mehreren Gesprächen mit dem Wohnungsamt, an dem auch Herr Prölß vom Flüchtlingsrat teilgenommen hat, will die Verwaltung nun endlich alle Wohnungsunternehmen um Hilfe bitten. Ich möchten Ihnen dazu ein Beispiel nennen:
    Das Projekt Auszugsmanagement hat in der Zeit von Oktober 2013 bis Oktober 2014 162 Personen (53 Parteien) in Wohnungen vermittelt. Das sind ganz aktuelle Zahlen.
    73,5 % der Vermittelten wohnten vorher in Heimen, 26,5 % in einem Hotel. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 4 Jahre und zwei Monate. Die Kosten für diese schlechten Verhältnisse betrugen 1.135.872 Euro im Jahr. Die Kosten für die jetzigen Wohnungsmieten dagegen betragen 491.052 Euro. Das heißt wir haben eine viel bessere, menschliche Unterbringung und sparen 644.820 Euro.
    Wir haben in den letzten Monaten viele Gespräche mit Wohnungsunternehmen, auch mit dem Haus- und Grundbesitzerverein geführt. Ich habe nur positive Reaktionen bekommen. Hier muss dringend was geschehen. Die GAG alleine kann das gar nicht richten.
  3. Wir wollen eine Ombudsperson, an die sich die Flüchtlinge wenden können. Er/Sie unterstützt die Flüchtlinge bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und vermittelt in Konflikten. Diese Ombudsperson ist Ansprechpartner von Flüchtlingen, von Flüchtlingsinitiativen bzw. von Anwohnern, von Anwohnerinitiativen und von weiteren Betroffenen und kann von ihnen angerufen werden. Sie entscheidet, ob die Beschwerde durch das bestehende Hilfesystem bearbeitet werden kann oder ob sie in besonderen Fällen selbst tätig werden muss. Das kann z.B. bei Nachbarschaftskonflikten durch ein Angebot des Runden Tisches und einer Schlichtung geschehen.
    Eine Ombudsperson kann für alle Akteure eine Hilfe sein.
  4. Wir brauchen eine Stelle für die Koordination der Willkommenskultur. Wir hatten diesen Vorschlag im Februar in den Rat eingebracht.Jetzt aber liegt ein ausgearbeitetes Konzept der Kölner Freiwilligen Agentur und des Kölner Flüchtlingsrates vor. Wir freuen uns über die konkreten Ansätze in diesem Konzept und unterstützen es ausdrücklich. Das Konzept sieht eine Austauschplattform, Beratung und Qualifizierung, Vermittlungen und Nachbarschaftsarbeit vor.
    Diese Koordination muss auch mit der Verwaltung zusammenarbeiten. Die Betreuung der Willkommenskultur alleine der Verwaltung zu übertragen, halten wir für falsch.
    Es bilden sich bereits jetzt Bündnisse auf Stadtbezirksebene (Ehrenfeld, Worringen), um sich gegenseitig zu helfen. Diese Aktivitäten müssen gestärkt werden. Die Akteure bereiten gerade ein gemeinsames Manifest mit dem Titel „Willkommen in Köln“ vor.
  5. Die EU, der Bund und das Land NRW müssen die Kommunen unterstützen. Köln braucht dringend mehr Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulsozialarbeiterinnen und –arbeiter für Seiteneinsteigerklassen und internationale Förderklassen.
    Hier entsteht ein riesiger Stau an Kindern und Jugendlichen, die nicht zur Schule oder Kita gehen können. Die Schulverwaltung muss dringend ein Konzept vorliegen, wie kurzfristig Abhilfe geschaffen werden kann. Für eine dauerhafte Lösung brauchen wir aber eine Überarbeitung des Schulentwicklungsplanes.

Viele Flüchtlinge, die heute nach Deutschland kommen, werden hier bleiben. Das sollten wir als Chance begreifen. Diese Menschen werden ihren Beitrag leisten. Ihre Kinder werden hier groß werden, zur Schule gehen, unsere Sprache ohne Akzent sprechen und werden hier arbeiten. Vielfalt ist eine Chance und ein Angebot an uns alle Kölnerinnen und Kölner, ob wir nun 40 Jahre hier leben oder 4 Wochen!