Linksfraktion aktuell

Stellt Euch quer!

Jörg Detjen

?Köln stellt sich quer? ist bundesweit seit einigen Jahren ein Synonym für antifaschistischen Protest geworden, der vielfältige Formen einbezieht: Blockaden, ziviler Ungehorsam und sogar eine Demonstration in der Kirche. Vielfältiger, bunter und aktiver Widerstand der Menschen vor Ort ist mit diesem Slogan verbunden. Die Unterstützung für dieses Konzept reicht bis weit in die Kölner Stadtgesellschaft. Sogar der Stadtrat rief dazu auf, sich ?quer? zu stellen. Inzwischen gibt es in vielen anderen Städten, zum Beispiel in Dortmund, ?? stellt sich quer?.

Insofern ist die Diskussion, die in Köln gerade stattfindet, auch bundesweit von Interesse. Ihren Auftakt nahm sie durch Äußerungen des Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers, dessen Position der Kölner Stadt-Anzeiger am 14. Januar so wiedergibt:
?Aus seiner Sicht wäre es wünschenswert, dass der Aufmarsch der Rechten keinerlei Beachtung fände. ?Die Anwohner könnten die Fenster schließen, die Rollläden runterlassen und ihrem Protest durch andere passive Formen Ausdruck verleihen.??

Die Differenz liegt nicht darin, dass ?Köln stellt sich quer? zu aktivem und der Polizeipräsident zu passivem Widerstand aufruft. Auch passiver Widerstand kann in bestimmten Fällen angebracht sein. Der Kölner Stadt-Anzeiger beginnt aber eine Grundsatzdebatte darüber, welche Protestformen angemessen und welche unangemessen sind. Ein Kommentar bringt es auf den Punkt, worum es dem Polizeipräsidenten und dem Kölner Stadt-Anzeiger geht: ?Passiver Widerstand als Alternative.?

Schaut man sich die jüngere Geschichte an, aber auch die weiter zurückliegende, so wurden im Kampf um die demokratischen Rechte in der Bundesrepublik vielfältige Formen des Protests und des Widerstands entwickelt. Dazu gehörte ziviler Ungehorsam als friedliche Protestform in den verschiedensten Varianten.
Erinnert sei an die Anti-NPD-Veranstaltungen, Kundgebungen gegen Strauß, die AKW-Demonstrationen und vieles mehr. Der Vorschlag ?Passiver Widerstand als Alternative? ist weltfremd und reflektiert nicht die demokratische Bewegung und ihre Protestformen.

Die ?Demonstrationsfreiheit ist die Pressefreiheit des kleinen Mannes? ? deshalb müsse man auch Rechtspopulisten und Nazis gewähren lassen, wird geschrieben. Schon makaber dieser Satz: War es nicht einst so, dass demokratische und linke Kräfte diese Rechte durchgesetzten und die Nazis sie wieder abschafften?

?Passiver Widerstand? ist hier keine Alternative, sondern schränkt die Protestformen ein. Rollläden runterlassen und sich abwenden führt auf Dauer zur Passivität und Ignoranz. Davon gibt?s genug! ?pro Köln? und anderen Nazi-Gruppen geht es um Provokation und Hetze gegen demokratische Grundrechte. Dazu missbrauchen sie die Demonstrationsfreiheit.
Warum sollen linke und demokratische Kräfte sie ignorieren? Nicht die linken Gegendemonstranten sind verantwortlich für den Polizeiaufmarsch in Kalk, sondern jene rechtsextremen Kräfte, die zu Hass und Zwietracht aufrufen und sich diesmal nicht den Menschen islamischen Glaubens zum Gegner erkoren haben, sondern Leute aus der Kölner Hausbesetzerszene.

Der Polizeipräsident und der Kölner Stadt-Anzeiger tun so, als ob die Gegendemonstranten schuld seien, denn ohne diese wäre doch alles ?in einer halben Stunde erledigt?. Nichts ist in einer halben Stunde erledigt, schon lange nicht ?pro Köln?, die mit ihren vielen Vorgängerorganisationen die Kölner Stadtgesellschaft schon seit 25 Jahren beschäftigt: Die nächsten rechtsextremen Aufmärsche stehen doch schon fest. Und sollen wir da auch wieder wegsehen und sie ignorieren?

Die Vorschläge von Polizeipräsident Albers und dem Kölner Stadt-Anzeiger sind schon ein politisches Armutszeugnis angesichts der Morde und Attentate der NSU. Noch immer ist unklar, wie der Staat auf diesen Terror reagieren soll. Ist es nicht eher so, dass der Protest und Widerstand gegen Rechtsextremismus in Deutschland viel zu schwach ist? Und da trampelt man noch auf Leuten rum, die Widerstand leisten, und erklärt sie zu Tätern.

?pro Köln? hat nicht das Recht, gegen Menschen in der Stadtgesellschaft zu hetzen, ob das nun Roma, Juden, Muslime oder Hausbesetzer sind. Ignorieren und Wegschauen sind der falsche Weg.