Haushalt 2022: Wohnungspolitik findet beim Bündnis aus Grüne, CDU und Volt praktisch nicht statt

Heiner Kockerbeck
RatReden

Rede zur Verabschiedung des Haushaltsplanes 2022 der Stadt Köln am 9.11.2021

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

Der Haushaltsplan Kölns ist immer ein umfangreiches und kompliziertes Werk. Er musste in diesem Jahr unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie, ihrer sozialen und finanziellen Folgen erstellt werden. Deshalb auch von meiner Fraktion der Dank an alle Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die zum Ergebnis beigetragen haben.

Der städtische Haushalt ist für die Lebensbedingungen der in Köln lebenden Menschen von hoher Bedeutung, bei Wohnen, Verkehr, Bildung, Klima u. a. Er hat seine Grenzen durch die finanziellen Rahmenbedingungen. Es ist daran zu messen, welche politischen Schwerpunkte mit ihm gesetzt werden.

Die Kritik der Fraktion DIE LINKE setzt an der politischen Steuerung des Haushalts durch das Ratsbündnis der Fraktionen der Grünen, der CDU und Volt an. Ich möchte hier auf zwei Beispiele eingehen, aus den Bereichen Soziales und Umwelt.

  1.  

Ihr Haushalt gibt keine ausreichenden Antworten auf die immensen sozialen Probleme der Stadt. Man muss sogar sagen: Er hat eine Lücke bei der sozialen Gerechtigkeit. Und dass, wo gerade in diesem Jahr der städtische Lebenslagenbericht veröffentlicht wurde. Er zeigt, wie weit sich in Köln die Schere zwischen arm und reich öffnet. Die Autor*innen des Berichts sprechen davon, dass wir es mit „Segregation“ in der Stadt zu tun haben. Damit meine sie die soziale Entmischung Kölner Stadtteile und ihre räumliche Trennung voneinander. Dies gilt auch für die Bezirke der Stadt. Von 16 Stadtteilen mit „potenziell stark erhöhten Problemlagen“ macht der Lebenslagenbericht beispielsweise elf allein im Rechtsrheinischen aus. Das heißt: In Köln ist der soziale Zusammenhalt gefährdet. Er war es schon vor der Pandemie. Aber die Pandemie diese Situation hat noch verschärft.

Wie geht nun der grün-schwarz-lila Haushalt mit dieser Situation um?

Eine kommunale Schlüsselfrage bei der Bekämpfung sozialer Verwerfungen ist die Wohnungspolitik. Sie findet bei Grünen, CDU und Volt aber praktisch nicht statt. Das Prinzip heißt: „Der Markt wird’s schon regeln.“ Es gibt kein entschlossenes städtisches Handeln gegen die Explosion der Mieten, die bei vielen Menschen einen großen Teil des Einkommens auffrisst. Dies erzeugt Angst vor Armut, auch vor Altersarmut.

Ihre politischen Reaktion weist viele Handlungen des Unterlassens auf, beispielsweise:

  • Den Bau von 2000 günstigen, geförderten Wohnungen pro Jahr hält der Mieterverein für dringend nötig, um Mietanstieg zu dämpfen. Diese Zahl ist nicht einmal entfernt in Sicht.
  • Aus dem Jahr 2013 stammt der Ratsbeschluss zu Milieuschutzsatzungen als Schutzmaßnahme für Mieter*innen vor Verdrängung. Ein einziges Milieuschutzgebiet wurde seitdem geschaffen, in 2020, also sieben Jahre nach dem Beschluss, im Severinsviertel.
  • Das Stadtentwicklungskonzept Wohnen dämmert vor sich hin.
  • Der Einsatz des Erbbaurechts statt des Verkaufs von Grundstücken hängt weiter in der Luft. Seine konsequente Umsetzung würde zeigen, dass die Stadt ihren mäßigenden Einfluss auf den wildgewordenen Immobilienmarkt verstärken will.

Wenigstens bei der dramatisch gestiegenen Obdachlosigkeit setzt das regierende Ratsbündnis Akzente und beschließt über eine Million Euro für Maßnahmen für Obdachlose und „Housing First“. Das ist begrüßenswert. Die Stadt wird jedoch angesichts des nahenden Winters schnell handeln müssen. Zudem hat die Stadt hier großen Nachholbedarf. Vielen Bürger*innen ist negativ aufgefallen, dass private Initiativen beachtliche Hilfen für Obdachlose geleistet haben, während die Stadt dort zu wenig tat. Das muss sich ändern.

Der Bereich Wohnen ist symptomatisch: Die Verwaltung und verwaltungsnahe Bereiche könnten bei Sozialem, Wohnung, Bildung mehr leisten. Aber dafür sind höhere Investitionen und mehr Personal in der Verwaltung zur Umsetzung nötig.

2.

In der öffentlichen Diskussion Kölns spielt die Verkehrspolitik des Regierungsbündnisses zurecht eine große Rolle. In der Schaffung von Fahrradspuren und der Zurückdrängung von Autos hat sich das regierende Bündnis gute Ziele gesteckt. Es gibt hier erste Ansätze, aber zugleich, wie in vielen Bereichen, ein Umsetzungsproblem. Wo sind die Haushaltsvorstöße des Ratsbündnisses für mehr Personal in diesen Bereichen?

Vor allem fehlt für eine echte Verkehrswende in Köln aber der Ausbau von Bussen und Bahnen. Erst wenn es hier starke Verbesserungen bei Fahrpreisen, Verbindungen und Zeittakten gibt, werden viele Autonutzer*innen auf den öffentlichen Verkehr umsteigen.

Anstatt hier im Haushalt einen Schwerpunkt zu setzen, ist das Bündnis an der wichtigen Frage handlungsunfähig, ob unter der Ost-Westachse im Zentrum ein Tunnel für die Stadtbahn gebaut werden soll. Der Tunnelbau würde genau die personellen Kapazitäten binden, die dringender für den Ausbau des ÖPNV in der Fläche benötigt werden.

Auch günstigere Fahrpreise spielen im Haushalt keine Rolle. Dabei war das 365-Euro-Ticket eine wichtige Wahlkampfforderung der Oberbürgermeisterin. Jetzt lässt es auf sich warten und statt Fahrpreissenkungen gibt es sogar Fahrpreiserhöhungen.

Die Versäumnisse von Grünen, CDU und Volt in den politischen Richtlinien für Haushalt und Verwaltungshandeln lassen sich so zusammenfassen: Sie haben keinen strategischen Gedanken für eine Bündelung der städtischen Ressourcen in Problemfeldern des sozial-ökologischen Umbaus. Sie unterlassen notwendige Investitionen in Gebäude, Fahrzeuge und städtisches Personal.

Ihr Veränderungsnachweis, also ihr Haushaltsantrag schöpft nicht einmal bestehende finanzielle Spielräume aus. Die Ausgaben für Investitionen belaufen sich auf sieben Millionen Euro. Bei den konsumtiven Ausgaben mit lediglich 12 Millionen Euro fällt es zudem schwer, einen roten Faden zu finden. Ihre Ausgaben sind zaghaft und wirken konzeptlos.

DIE LINKE ist der Ansicht, dass wir bei vielen öffentlichen Bereichen anstelle von Haushaltsdisziplin im Gegenteil einen entschlossenen Ausbau des öffentlichen Sektors brauchen. Unsere Haushaltsforderungen stellen deshalb hier eine politische Alternative dar. Wir hatten in die Haushaltsberatungen Forderungen eingebracht, die auf die Schaffung von zusätzlichen 108 Stellen bei der Stadt abzielen. Wir wollten zusätzliche konsumtive Ausgaben für 26 Millionen Euro. Dafür haben wir praktikable Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht. Die Investitionen von 145 Millionen Euro gehen in das Vermögen der Stadt über.

Beispielsweise fordern wir:

  • Mit einem Gesellschafterdarlehen von 50 Millionen Euro die Schließung des Krankenhauses Holweide zu verhindern und in weiteren städtischen Kliniken nötige Investitionen ermöglichen,
  • Durch zehn zusätzliche Stellen zügig acht weitere Milieuschutzgebiete einzurichten,
  • den Bau von Wohnungen durch das Wohnungsamt in ökologischer Bauweise mit den 33 Millionen Euro zu bewerkstelligen, die seit Jahren in der kommunalen Wohnungsbauförderung nicht abgerufen werden,
  • 25 Millionen Euro für den städtischen Aufkauf von 87 Wohnungen zu verwenden, die die GAG im Programm „Mieter werden Eigentümer“ am Markt verkaufen will, weil Mieter nicht zugriffen,
  • mit 28 Stellen mehr Fachpersonal den ÖPNV-Ausbau und Fußverkehr verbessern,
  • allen Kölner Schüler*innen ein kostenloses ÖPNV-Ticket geben, als Einstieg in Fahrpreissenkungen,
  • Schulsozialarbeit, Offenen Ganztag, Kitas und Jugendzentren bevorzugt in Stadtteilen mit vielen ärmeren Menschen auszubauen.

Köln hat in den kommenden Jahren große Aufgaben bei der sozialen und ökologischen Erneuerung zu bewältigen. Die „schwarze Null“ schadet hier. Soziale Kürzungen, wie nach der Finanzkrise 2009, dürfen sich nach Coronakrise nicht wiederholen. Wir sollten nachfolgenden Generationen später einmal nicht sagen müssen: Tut uns leid, aber wegen der hohen Kosten der Pandemie haben wir in den 2020er Jahren bei Wohnen, Klima, Gesundheit, Bildung und Kultur erst einmal eine längere Pause ein- und die nötige Verbesserung unserer Stadt ad acta gelegt.