Überstürzte Schulöffnung in NRW: Gesundheitsschutz erfordert sorgfältigere Vorbereitung, Eltern brauchen eine Ausweitung der Notbetreuung

Die NRW-Landesregierung hat die Schulen angewiesen, in höheren Klassen bereits am 23. April wieder mit dem Unterricht zu beginnen. Bund und Länder hatten am vergangenen Mittwoch dagegen beschlossen, die Schulen bundesweit erst ab den 4. Mai schrittweise für den Unterricht zu öffnen. Bis dahin sollte die Öffnung vorbereitet werden.

Zugleich verschickte das Bildungsministerium in Düsseldorf widersprüchliche Regelungen an die Schulleitungen des Landes. In einer Mail vom 16. April hieß es noch, die Teilnahme von Schülerinnen des 10. Jahrgangs und der Abiturklassen am Unterricht zur Prüfungsvorbereitung sei freiwillig. In einer Schulmail vom 18. April ist die Teilnahme am Unterricht für die 10. Klassen jedoch doch wieder verpflichtend. Ausnahmen würden nur bei Jugendlichen gemacht, die zu Risikogruppen gehören.

Heiner Kockerbeck, bildungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion DIE LINKE meint:

"Die Landesregierung gibt Anweisungen, die auf die Schnelle vielerorts nur teilweise oder gar nicht zu erfüllen sind. Schulen sind Massenveranstaltungen. Einen Abstand von 1,50 Meter in jedem Raum, auf jedem Flur und in Schulbussen zu ermöglichen, ist nicht in wenigen Tagen zu schaffen. Sorgfalt beim Gesundheitsschutz hat für Bildungsministerin Gebauer aber offenbar keine Priorität."

Eine Unterschriftenpetition im Internet, die von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft auf der Plattform Change.org ins Leben gerufen wurde, hat innerhalb von drei Tagen bereits über 20.000 Unterschriften erhalten. Viele Lehrende an den Schulen reagieren auf die kurze Zeitvorgabe der Landesregierung mit Sorge und Unruhe.

"Es ist ungeheuerlich, dass die Regierung in Düsseldorf die gesamte Verantwortung nach unten delegiert. Schulen sollen jetzt in ein paar Tagen Hygienepläne und Raumkonzepte erarbeiten. Die Stadt Köln muss Vorkehrungen ergreifen, dass Schulbusse nicht wie gewöhnlich überfüllt sind. Die Reinigung der Schulen muss häufiger und aufwändiger gemacht werden. Jetzt rächt sich, dass sie überall an private Firmen ausgelagert wurde, die unter Druck stehen, möglichst billig zu arbeiten. Wird es bis Donnerstag überall genügend Schutzmasken, Seife und Papierhandtücher geben?", so Heiner Kockerbeck weiter.
"DIE LINKE wird am 27. April im Schulausschuss des Rates Aufklärung über die Situation an den Schulen verlangen. Der Rat hat eine Verantwortung für die Verhältnisse an Kölner Schulen. Wir werden beantragen, dass er sich gegebenenfalls an die Landesregierung wendet, um guten Bedingungen für den Gesundheitsschutz Priorität zu geben."

Eltern brauchen eine Ausweitung der Notbetreuung, Schule eine bessere Ausstattung

Zugleich zeigte sich in den vergangenen Wochen, dass die Schulen große Probleme bei der Einstellung auf die Corona-Krise haben. Das Homeschooling, das für viele Schüler weiterhin große Bedeutung haben wird, blieb angesichts der mangelhaften Ausrüstung der Schulen mit digitaler Infrastruktur und digitalen Geräten oft in Ansätzen stecken. Kinder aus ärmeren Familien waren hierbei stark benachteiligt. Eltern hatten große Schwierigkeiten, die Kinder zu Hause zu betreuen. Die Ungleichheit der Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche lernen, nahm in den vergangenen Wochen stark zu.

Heiner Kockerbeck ergänzt:

"Die Notbetreuung muss sofort noch stärker ausgeweitet werden. Schüler, die zu Hause keine gute Lernumgebung haben, denen Geräte fehlen oder deren Eltern überfordert sind, sollen in die Schule kommen können. Die jetzige Ausweitung auf Kinder, deren Familien vom Jugendamt betreut werden, reicht nicht aus. Die Notbetreuung wurde in den vergangenen Wochen nicht häufig in Anspruch genommen. Sie stärker auszuweiten, ist im bisher eingerichteten Rahmen möglich."

Heiner Kockerbeck abschließend:

„In der Coronakrise zeigten sich auch schmerzhaft Versäumnisse bei der Digitalisierung der Schulen. Die Schüler brauchen persönliche Endgeräte vom Land. Es darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein, ob Schüler in Zeiten von Schulschließungen oder persönlicher Krankheit weiterhin am Unterricht teilnehmen können. Und das Land muss die individuelle Förderung gerade der leistungsschwächeren Schüler verbessern, auch um die Versäumnisse durch das Homeschooling wieder aufzuholen. Die Schulen brauchen mehr Personal und mehr Räume.“