Tunnel auf der Ost-West-Achse? – Zweckentfremdung von ÖPNV-Mitteln!

Wilfried Kossen, Michael Weisenstein

Die Ost-West-Achse der Kölner Stadtbahn ist heute überlastet: Die Bahnen sind zu Stoßzeiten völlig überfüllt und mehr Bahnen können nicht abgewickelt werden. Das gilt vor allem für die Strecke von der Deutzer Brücke bis zum Neumarkt, die von den Linien 1, 7 und 9 befahren wird.

Kern der Lösung ist der Ausbau der Strecke auf sogenannte Dreifachtraktion, d.h. die Bahnen fahren in Zukunft mit drei Teilzügen statt der bisherigen zwei. Die Kapazität der Strecke verbessert sich um die Hälfte.

Hierzu haben KVB und Kölner Stadtverwaltung mehrere Ausbauvarianten auf den Tisch gelegt. Die günstigste Variante (für 250 Mio. Euro) belässt die Stadtbahn oberirdisch. Gleichzeitig werden Heumarkt und Neumarkt neu gestaltet. Auf dem Heumarkt wird der Autoverkehr zurückgebaut und die Haltestelle etwas in die Cäcilienstraße verschoben und damit herunter vom Heumarkt. Dieser wäre damit als zusammenhängender Platz wieder erkennbar. Am Neumarkt wird der Autoverkehr komplett auf der Südseite abgewickelt. Der Platz wird dann nicht mehr durch den Verkehr umfahren und ist dann wirklich nutzbar.

Neben dieser oberirdischen Lösung sind mehrere Tunnelvarianten im Gespräch. Der Tunnel reicht, je nach Variante, bis vor den Neumarkt, bis zum Rudolfplatz, bis zur Universitätsstraße oder bis Melaten.

Für den oberirdischen Ausbau setzt sich DIE LINKE ein und auch die Grünen tendieren offenbar in diese Richtung. CDU und FDP wünschen sich einen möglichst langen Tunnel. Die SPD hält sich bislang bedeckt.

Verkehrsdezernentin Blome spricht sich für einen möglichst langen Tunnel aus. Die Kölnische Rundschau zitiert sie mit „Ich komme aus dem U-Bahn-Bau, das ist mein Ding.“ Offenbar war für die CDU ebendies der Grund sie auszuwählen. Die CDU hatte im schwarz-grünen Bündnis das Vorschlagsrecht für das Verkehrsdezernat.

In allen Tunnelvarianten würde die Bahn auf dem Heumarkt in den Tunnel einfahren. Hierzu ist eine lange Rampe ein Betonsockel als Tunnelabdeckung notwendig. Der Platz würde hierdurch noch stärker zerschnitten als dies schon heute der Fall ist. Am Tunnelende würden sich der Betonsockel und die lange Rampe wiederholen.

Kürzlich schlug die Verkehrsdezernentin eine weitere Tunnelvariante vor. Demnach käme die Bahn kurz hinter den Ringen in der Aachener Straße wieder an die Oberfläche. Der Tunnelmund und die daran anschließende Rampe würden über mindestens 80 Meter das Ausgehviertel zerschneiden.

Die Variante mit dem längsten Tunnel schlüge mit über einer Milliarde Euro zu Buche. Der Nutzen-Kosten-Index der beiden längsten Tunnelvarianten (bis Universitätsstraße bzw. bis Melaten) ist aber so schlecht, dass Köln den Bau alleine finanzieren müsste und nicht auf Fördermittel des Bundes zugreifen könnte. Diese Fördermittel können bis zu 90 % der Baukosten ausmachen. Die langen Varianten können daher nicht ernsthaft in Frage kommen.

Übrig bleiben die oberirdische Lösung für 250 Mio. Euro, die Variante mit Tunnel bis vor den Neumarkt für 300 Mio., die Variante bis zum Rudolfplatz mit Abzweigung ins Mauritiussteinviertel für 560 Mio, und die Variante bis in die Aachener Straße. Für letztere gibt es noch keine Kostenschätzung.

Die Kostenschätzungen für die Tunnelvarianten sind prinzipiell deutlich unsicherer, da viele Faktoren noch unbekannt sind, so z.B. die Zusammensetzung und Schichtung des Bodens, mögliche archäologische Funde, die Tiefe von Fundamenten, sowie die Statik von Gebäuden, die zu untertunneln wären, darunter auch und besonders der bestehenden Station am Neumarkt.

Die Zeit für Planung und Bau wird bei der oberirdischen Variante auf ca. zehn Jahre geschätzt, bei den Tunnelvarianten können es zwanzig Jahre werden.

Hinsichtlich der Passagierkapazitäten gibt es keinen Unterschied zwischen den Varianten. Die Fahrtzeiten mit Tunnel sollen minimal kürzer sein. Allerdings wird dieser Zeitvorteil dadurch wieder aufgefressen, dass der Weg zum Bahnsteig länger wird. Barrierefreiheit ist bei einer oberirdischen Lösung leichter gegeben, während sie bei einer U-Bahn erst aufwändig mit Fahrstühlen und Rolltreppen hergestellt werden muss.

Zu befürchten ist, dass andere dringende ÖPNV-Projekte unter einer aufwändigen Tunnelvariante leiden werden. Sie bindet langfristig städtisches Personal und finanzielle Mittel, die für eine rechtsrheinische Ringbahn von Mülheim über Kalk nach Porz, für einen Anschluss von Stammheim und Flittard oder für eine Weiterführung der Linie 13 auf dem Gürtel im Süden bis an den Rhein dringend gebraucht werden. Solche Projekte würden erst mit langer Verzögerung in Angriff genommen.

Wenn nun die Tunnelvarianten für den ÖPNV keinen Vorteil gegenüber dem oberirdischen Ausbau bieten, aber ein Vielfaches kosten und ihr Bau deutlich länger dauert: Wie kommt es, dass Parteien wie die FDP oder die CDU einen möglichst langen Tunnel wollen? – Weil das Auto davon profitieren würde!

Das Auto ist der größte Platzfresser im Verkehr. Bahnen, Busse und Fahrrad können auf derselben Verkehrsfläche viel mehr Menschen befördern. Ein Bus im 10-Minuten-Takt kann so viele Menschen befördern wie eine komplette Autospur, ergab eine Anfrage der LINKEN.

Inzwischen hat sich der Autoverkehr in Köln so verstärkt, dass er sich selbst blockiert. Lange Staus in und um Köln sind alltäglich.

Daher setzt DIE LINKE auf eine Kölner Verkehrswende: Das Auto muss Raum abgeben an Verkehrsmittel, die mit dem Platz effizienter umgehen und dazu auch noch sozialer und umweltfreundlicher sind.

Wenn man aber den ÖPNV mit viel Geld unter die Erde versenkt, dann kann man z.B. dem Rad mehr Platz geben, ohne dass der Autoverkehr eingeschränkt werden muss. Zugespitzt: Der Bau eines Ost-West-Tunnels ist eine Zweckentfremdung von ÖPNV-Mitteln zur Förderung des Autoverkehrs!