Stellungnahme der Fraktion Die Linke. Köln zum Kienbaum-Gutachten

I. Als der Rat am 22. Juni 2006 gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke.Köln einen unabhängigen Gutachter beauftragte, den Haushalt und die Arbeit der Kölner Stadtverwaltung nach eventuellen Konsolidierungsmöglichkeiten zu durchforsten, warnten wir davor, dass ein solches Gutachten nur der Vorwand dafür sei, weiteren Sozialabbau zu begründen.

Interessant war, dass auch das Rechnungsprüfungsamt eine externe Beauftragung ablehnte. Die 180.000 Euro könnten gespart werden, solche Aufgaben könne die Verwaltung auch selber leisten, meinte das RPA.  

 

Rot-Grün stimmte für die ?Haushaltsstrukturanalyse? und sitzt jetzt mit Kämmerer Soénius? ?Großer Koalition der Vier? in der Falle. Auch wenn sie die Vorschläge von Kienbaum zur Haushaltsstruktur vollmundig ablehnen, werden CDU und FDP die Vorschläge in den Haushaltsberatungen immer wieder aufs Neue als die Lösungswege präsentieren. Ein ?kapitaler? Fehler rot-grüner Haushalts- und Strukturpolitik, der die Ärmsten der Armen in der Stadt teuer zu stehen kommen kann. Kienbaum selber fordert, dass zwischen 60 und 90% des ausgewiesenen ?Einsparvolumens? umgesetzt wird. Das ?Gesamt-Einsparpotenzial? beträgt 90,5 Mio. Euro bis 2010. ?Für 2007 lassen sich aus Mehreinnahmen und der Einsparungen von Sachausgaben bis zu 15,7 Mio. Euro haushaltswirksam einsparen?, behauptet Kienbaum.  

II. Das Kienbaum-Gutachten geht noch weiter, als die Fraktion Die Linke.Köln befürchtet hatte: Die Vorschläge zielen darauf ab, dass es denjenigen, denen es schlecht geht, noch schlechter gehen soll. Eine kleinliche Gehässigkeit ist dem Gutachten nicht abzusprechen, wenn andererseits üppige Vorschläge unterbreitet werden, wie z.B. die schlagartige Veräußerung von städtischem Grundbesitz, die den gesamten Grundstücksmarkt erschüttern würde, und den Erwerb von Grundstücken für ?einen Appel und ein Ei? möglich machen würde. (Maßnahme Nr. 23.1) Als ?verschleudern statt verkaufen?, eine Steigerungsform von Privatisierung, könnte man diese Kienbaum-Maßnahme bezeichnen.  

III. 1. Der zentrale Angriff der Vorschläge zielt auf die Beschäftigten der Stadt Köln. 39% der Kürzungsvorschläge bis 2010 sollen bei den Personalausgaben erfolgen, das sind 35,4 Mio. Euro. Originalton: ?Köln kann und muss Personal einsparen. Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum hat Köln in den letzten 7 Jahren keine Stellen abgebaut.? Arbeiten bei der Stadt Köln ca. 300 Reinigungskräfte noch als einzige in der untersten Gehaltsgruppe 1, so soll dieses Personal an einen ?Dritten? ausgelagert und dann natürlich zu dem noch schlechteren Tarifvertrag des Reinigungsgewerbes bezahlt werden. Mit diesem Unternehmen würde die Stadt dann einen Vertrag abschließen und könnte ca. 3 Mio. Euro einsparen.

Eine perfide Maßnahme, vor allem, wenn man weiß, dass die Stadtverwaltung seit Jahren kein Reinigungspersonal neu anstellt und sich der Gesamtpersonalrat darum bemüht, dass das Personal nicht überaltert. ( Nr. 1000.1) Der Vorschlag, die Schulhausmeister auszugliedern und bei der Gebäudewirtschaft einen Schulhausmeisterpool zu bilden, (Maßnahme Nr. 02.6) laufen in die ähnliche Richtung: Personalabbau und weitere Leistungsminderung in den Schulen wird das Ergebnis sein. Im Gutachten werden an zahlreichen Stellen Personalkürzungen vorgeschlagen. Sie können an dieser Stelle nicht alle aufgelistet werden.  

2. Der Angriff auf das städtische Personal soll aber auch tarifliche Standards angreifen und konterkarieren. Seit geraumer Zeit haben die städtischen Beamten eine längere Arbeitszeit als die übrigen Arbeitnehmer, und der Verband der kommunalen Arbeitgeber NRW versucht, das auszuweiten. Da sind die Vorschläge, Überstunden und Mehrarbeitsstunden für Arbeitnehmer und Beamte (Maßnahme Nr. 11.2, 11.3 und auch 11.4) nicht mehr zu zahlen, Wasser auf die Mühlen der Arbeitgeber. Diese Angriffe auf tarifliche Rechte führen dazu, dass die Beschäftigten dann 2 Millionen Euro Löhne und Gehälter im Jahr weniger hätten.

Die populistische Maßnahme, die seit Jahrzehnten bestehende Dienstbefreiung am Rosenmontag abzuschaffen, hat weitergehende Auswirkungen als man so denkt. Es gibt in Köln immer noch zahlreiche Unternehmen, die diese lokale Tarifvereinbarung haben, wie z.B. Gerling usw. Wenn die Stadt Köln als größter Arbeitgeber diese Vereinbarung aufkündigt, werden andere Unternehmen folgen. Die Behauptung ?Durch Entfall der Brauchtums-Dienstbefreiung am Rosenmontag stehen der Verwaltung rd. 13.800 Arbeitstage oder umgerechnet rd. 60 Vollzeitstellen mehr zur Verfügung? (Maßnahme Nr. 11.5) ist eine kleinliche und demagogische Begründung.  

3. In der Präambel zum Kienbaum-Gutachten wird festgestellt: ?Köln hat im Vergleich zu anderen Kommunen eine in der Tat gigantische Verwaltung allein für die monatliche Versorgung von über 120.000 Menschen vorzuhalten, die direkt oder indirekt von Hartz IV abhängig sind.? Bisher war im Rat unstrittig, dass dieses Personal auch dringend erforderlich ist, und dass ein Großteil dieser Kosten vom Bund getragen wird. Das Kienbaum-Gutachten geht aber noch weiter, und schlägt vor, bis 2010 13,5 Mio. Euro bei den Leistungen nach SGB II (Pflichtaufgaben) einzusparen.

Dies soll eine ?Steuerungsstelle für kommunale Leistungen? erbringen. Stichwortartig nennt sie u.a. die Überprüfung ?Angemessenheit von Wohngrößen und -preisen? (Maßnahme Nr. 50.2). Alle Fachleute wissen, dass der Ermessensspielraum gering ist, weil der Kölner Wohnungsmarkt schnellen Wohnungswechsel nicht möglich macht. Da die Kienbaum-Leute diese Maßnahme trotzdem vorgeschlagen haben, muss man von einem Steilpass für CDU und FDP für die bevorstehenden Haushaltsberatungen ausgehen. Diese Maßnahme soll die Menschen verunsichern und Druck ausüben, dass in dem ein oder anderen Fall Familien oder auch einzelne Menschen ihre Wohnung aufgeben müssen und eine neue Wohnung zu schlechteren Konditionen anmieten sollen.

Das Kienbaumgutachten trifft die Hartz IV-Betroffenen noch an einem anderen Punkt: ?Durch den Einsatz dieser Kräfte (Hartz IV, d. Red.) in gemischten Kolonnen könnte der Pflegezustande der Grünanlagen ohne weitere Kosten für die Stadt verbessert werden (Maßnahme Nr. 67.4). Diese Vorschläge sind von der CDU vor Jahren schon gemacht worden. Sie sind unakzeptabel und wieder ein Beweis dafür, wo man das Geld holen will: Bei den Ärmsten der Armen.  

4. Die Vorschläge des Kienbaum-Gutachtens zur Kinder- und Jugendpolitik sind nicht akzeptabel. Dass der Oberbürgermeister und die CDU (von der FDP ganz zu schweigen) diese Vorschläge akzeptieren, verdeutlicht, was sie wirklich meinen: Auch in diesem so sensiblen Bereich sollen Leistungen gekürzt werden. Hatte die CDU nicht kürzlich selbst vorgeschlagen, hier Mittel einzustellen? So sollen über 6 Mio. Euro bei der Heimererziehung und Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche eingespart werden (Maßnahme Nr. 51.1). Und da wird Bremen noch als Beispiel für sparsame Kinder- und Jugendpolitik angeführt. Mehr als makaber. Die jüngsten dramatischen Misshandlungs- und Todesfälle von Kindern sind auch auf die Reduzierung von Geld und Personal in der Kinder- und Jugendhilfe zurückzuführen.

Köln hat eine völlig andere soziale Infrastruktur mit viel größerer Kinderarmut als das Kienbaum-Modell Düsseldorf. Deshalb sind Vergleiche mit Düsseldorf nicht möglich und fahrlässig. Hat Köln seit einigen Jahren eine einigermaßen akzeptable Regelung bei den Mittagessen für Kinder- und Jugendliche, so schlägt nun das Gutachten eine 15%-Anhebung der Preise fürs Mittagessen in Kindertagesstätten vor. 0,6 Mio. Euro soll die Stadt mehr einnehmen (Maßnahme Nr. 51.2). Die jährliche zahnärztliche Reihenuntersuchung soll ?auf ausgewählte Jahrgänge reduziert? werden (Maßnahme Nr. 53.3).

Die Förderung der offenen Ganztagsschulen durch Haushaltsmittel soll um 2,2 Mio. Euro reduziert werden (Maßnahme Nr. 40.6). Faktisch läuft das auf eine Anhebung der Elternbeiträge hinaus. Hatten die Kölnerinnen und Kölner im Sommer nicht heftig um die Elternbeiträge gestritten? Gerade die unteren Einkommensgruppen würde eine Erhöhung der Elternbeiträge hart treffen. Von familienfreundlicher Politik kann hier keine Rede mehr sein! Die offenen Ganztagsschulen sind sowieso unterfinanziert. Für eine qualitative Ausgestaltung und weitere Angebote sind mehr und nicht weniger finanzielle Mittel dringend erforderlich.  

5. Im Kienbaum-Gutachten gibt es noch verschiedene Vorschläge, die von der Fraktion Die Linke.Köln kritisch aufgelistet werden, ohne sie im einzelnen ausführlicher zu bewerten:

Stellenabbau beim Rechnungsprüfungsamt - nach den vielen  Korruptionsskandalen kontraproduktiv. (Maßnahme Nr. 14.1).

Erhöhung der Eintrittspreise für Bäder. (Maßnahme Nr. 52.2).

Bäume ab, dafür mehr Grünflächen. (Maßnahme Nr. 67.1).

Privates Betreiben der Ampeln. (Maßnahme Nr. 66.2)

Straßen sollen mit privaten Mitteln gebaut werden. (Maßnahme Nr. 66.5)

Die Privatwirtschaft soll mehrheitlich bestimmen, wie die kommunale Wirtschaftsförderung aussehen soll. (Maßnahme Nr. 80.1)

Die Zuschüsse für die Bühnen sollen reduziert werden. Durch den Neubau der Oper werden die Mittel aber erhöht werden müssen. (Maßnahme Nr. 46.1)  

IV. Abschließend muss festgestellt werden, dass ohne Widerstand der Beschäftigten der Stadt Köln diese Vorschläge nicht vom Tisch kommen. Das Kienbaum-Gutachten stellt fordernd fest: ?Die Umsetzungs- bzw. Beschlussquote der Einzelvorschläge liegt i. d. R. zwischen 60% (Stadt Leverkusen) und 90% (Landeshauptstadt Kiel, Baudezernat) des ausgewiesenen Einsparvolumens.?

Am 18. Januar findet eine Sondersitzung des Finanzausschusses zum Kienbaum-Gutachten statt. Auf dieser Sitzung wollen der Städtkämmerer und der Oberbürgermeister zwei Listen vorlegen: eine Liste von Vorschlägen, die nach Meinung der Verwaltung umsetzbar sind, und eine Liste von Vorschlägen, die nicht umsetzbar sind. Ob der Finanzausschuss diese Listen beschließt, bleibt abzuwarten. Der Kämmerer macht aber Druck und kündigt an, dass er, wenn der Finanzausschuss die Liste mit den umzusetzenden Vorschlägen nicht beschließt, diese über den Veränderungsnachweis 3 in den Haushalt einstellen wird.

Ein dreistes und freches Vorgehen. Schließlich sind es die Parteien, die im Rat entscheiden, ob Vorschläge umgesetzt werden oder nicht. Deshalb sollte die Fraktion Die Linke.Köln im Januar in sehr enger Zusammenarbeit mit dem Gesamtpersonalrat, der Gewerkschaft ver.di und dem DGB darauf drängen, dass die Kienbaum-Vorschläge vom Tisch kommen.