Statt Verschärfung der Kölner Stadtordnung ein Dialog auf Augenhöhe!

Güldane Tokyürek
AUS AVRRatReden

Rede zur Ratssitzung am 20.12.2016 • Top 6.3.2 "1. Änderung der Kölner Stadtordnung (KSO)"

Der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und der Piraten wurde in der letzten Sitzung des AVR abgelehnt. Dieser Antrag sah vor, dass einzelne Regeln der jetzigen Stadtordnung evaluiert und auf ihre Wirksamkeit und gegebenenfalls auf unerwünschte Nebeneffekte hin überprüft werden sollte. In den Prozess der Evaluation sollten auch Betroffene miteinbezogen werden. Bevor dann eine überarbeitete Beschlussvorlage in die politischen Gremien eingespeist wird, sollte die Verwaltung den Dialog mit den Betroffenen, z. B. Straßenkünstlern, Bettlern, sozialen Trägern in der Obdachlosenhilfe, Sportvereinen etc. führen. Denn die erste Kölner Stadtordnung ist noch im Dialog mit den Betroffenen entstanden.

Doch von einer Fortsetzung des Dialogs auf Augenhöhe hält Schwarz-Grün anscheinend nichts. Bürgerbeteiligung scheint nur für Mittel- und Oberschichten zu gelten, nicht aber für Arme und Ausgegrenzte. Bettler und Obdachlose am Dom sind nunmehr die Leidtragenden der neuen Regelung. Jetzt ist Betteln unter Vortäuschung sozialer Notlagen verboten. Das suggeriert, Menschen würden nur zum Spaß betteln. Es wurde auch die Chance verpasst, das Betteln mit Hunden vernünftig zu regeln. Jetzt ist es zwar nicht mehr generell verboten, aber nur, wenn tierseuchenrechtliche Nachweise mitgeführt werden. Das geht an der Lebensrealität vieler Obdachloser komplett vorbei.

Meine Damen und Herren, die Verwaltung selbst hielt es für nötig, die neue Kölner Stadtordnung mit niedrigschwelligen Hilfsangeboten zu begleiten. Diesen Punkt hat die Jamaika-Koalition ersatzlos gestrichen. Druck und Ausgrenzung sollen ein ordentliches Domumfeld herstellen. Soziale Hilfen dagegen sind anscheinend zu teuer.

Um den Dom herum sind Luxushotels und bittere Armut nur wenige Meter voneinander entfernt. Jetzt soll eine neue Ordnung gegen die Armen durchgesetzt werden. Das sieht Köln nicht ähnlich. Leben und leben lassen entspricht eher dem Kölner Lebensgefühl als Repression und Vertreibung."

Auch die praktische Durchsetzung wirft Fragen auf: Auch das Betteln 'unter Vortäuschung sozialer Notlagen' wird künftig nicht mehr erlaubt. So einen Sachverhalt kann das Ordnungsamt nicht in den fünf Minuten Kontrolle aufklären. Es ist zu befürchten, dass mit diesem 'Gummiparagraf' künftig jeder unliebsame Bettler von der Domplatte vertrieben werden kann.

Straßenmusiker dürfen jetzt an jedem Stellplatz nur noch einmal täglich spielen. Der Aufwand, das zu kontrollieren, ist absurd hoch.

Ob die Kölner Stadtordnung aber konsequent durchgesetzt werden kann, ist aber eben auch eine Frage des vorhandenen Personals. Es gibt kein Reglungsdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Der Willkür werden Tür und Tor geöffnet, vertrieben werden sollen alle, die in ihrem Äußeren und in ihrem Verhalten nicht den Normen entsprechen. Die Silvesternacht wird instrumentalisiert zum weiteren Ausbau von Repressionen, der alles Andersartige verdrängen will.

Hier wird leider symbolische Politik und PR-Arbeit betrieben, die den tatsächlichen Problemen nicht ins Auge sehen will. Wir alle müssen uns eingestehen und akzeptieren, dass in einer offenen Gesellschaft, wie wir uns alle hoffentlich verstehen, Sicherheit nicht unumstößlich garantiert werden kann. Statt Überwachung und Ausgrenzung zu betreiben, muss städtische Politik zur Verständigung und Integration beitragen und die Auswirkungen der sich vergrößernden Schere zwischen Arm und Reich vermindern. Die "Würde der Menschen" ist zu achten und zwar aller Menschen und nicht nur derjenigen, die gut ins bürgerlich-ethnische Bild passen.