Stadtarchiv-Einsturz: Vergleich beschlossen

AK Wirtschaft und FinanzenRatRedenThema Historisches Archiv

Rede von Jörg Detjen zur Sonderratssitzung am 29. Juni 2020

Wir sind über den Vergleich enttäuscht:

  • Über das Tempo, in dem wir zustimmen müssen
  • Über die Quote des Ausgleichs, nur 60 %
  • Über die fehlende Aufarbeitung der Konsequenzen aus der Katastrophe

Unsere Kritik richtet sich nicht gegen den Stadtdirektor Dr. Keller, der das Risiko eingegangen ist und den Auftrag der OB umgesetzt hat. Uns geht es um eine systemische Kritik.

In den letzten zwanzig Jahren passiert bei großen Bauprojekten immer das gleiche: Große Bauunternehmen und Investoren machen gravierende Baufehler, vertuschen die, und versuchen, die Stadt Köln über den Tisch zu ziehen. Die Verwaltung ist überfordert, und der Rat der Stadt Köln wehrt sich nicht dagegen. Das war so bei den Messehallen, beim Bau des Rautenstrauch-Joest-Museums, beim Oper-Schauspielhaus und beim Historischen Archiv.

Die Hauptleidtragende war immer die Stadt Köln. Und auch bei diesem Vergleich fehlt uns eine angemessene Abfindung, in diesem Fall ein dreistelliger Millionen-Betrag. Ich erinnere, dass wir Forderungen von 1 Mrd. Euro zu Buche stehen haben.

Da helfen uns die besten Anwälte nicht, wenn wir keine sehr gute, selbstbewusste Bauverwaltung haben. Der Deutsche Städtetag hat das 2015 in seinem Positionspapier zum kommunalen Bauwesen klar zum Ausdruck gebracht:

Die Bauherrenfunktion der Städte stärken und bauliche Expertise in den Städten zu halten bzw. bedarfsgerecht zurückgewinnen.“

Bis heute hat sich die Kölner Stadtverwaltung vom Kahlschlag des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden und stadtweitem Strippenzieher Bietmann im Jahre 2000 nicht erholt, als die damalige Koalition von CDU und FDP in Kooperation mit den Grünen 4.000 städtische Bedienstete abbaute, die Dezernate von elf auf sieben reduzierte und dann im Rat erklärte: „Dies ist ein großes Reformwerk; ich behaupte: das größte Reformwerk der Verwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Herr Sterck, sie waren damals dabei und erklärten:

die Bauherren und Investoren in unserer Stadt (werden uns) ewig dankbarsein.“ (Ratsprotokoll Bd. I, Seite 440)

Ja, die Investoren unserer Stadt sollen dann auch Sie, Frau Oberbürger­meisterin, zu diesem Vergleich ermuntert haben. Am 2. März 2019 berichtete der Express, dass Sie, Frau Oberbürgermeisterin, einen Vergleich anstreben.
Der Express schrieb: „Bei solchen Vergleichsverhandlungen eröffnen Mediatoren den Basar üblicherweise mit dem Vorschlag einer Fifty-Fifty-Regelung.“

Ich war damals entsetzt, wie man sich damit an die Öffentlichkeit wenden kann. Fazit: Wir sind nicht weit weg von Fifty-Fifty mit der 60:40 Regelung.

Auch wenn neoliberale Politik heute nicht mehr die Rolle spielt wie Ende der 90er/Anfang 2000, ein klares Gegensteuern mit einer starken kommunalen Verwaltung kann ich nicht erkennen.
Dafür werden wir, DIE LINKE, weiter kämpfen.

Weil wir diese grundsätzliche, systemische Kritik an diesem Vergleich haben, wollen wir mit unserer Initiative und dem Änderungsantrag eine gewisse Klarheit schaffen, dass die Mittel, die die Stadt jetzt bekommt, auch für die Zwecke, für die sie sie erhält, verausgabt werden.

Die 600 Millionen Euro müssen auch in die Bereiche fließen, die besonders vom Archiveinsturz betroffen sind. Nämlich in die Restaurierung der Archivalien und in die Entwicklung des ÖPNV sowie in den Abbau der Kassenkredite.

Ich bedanke mich bei den demokratischen Fraktionen und Gruppen, dass wir diesen Antrag nunmehr gemeinsam einbringen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Thema ansprechen:

Im Zuge des Archiveinsturzes haben etliche Kölnerinnen und Kölner die Stadt verklagt. Etliche Verfahren sind jetzt noch anhängig. Im Detail kann ich dazu nichts sagen, will ich auch nicht. Nur, wenn wir jetzt einen Vergleich schließen, sollte die Verwaltung sich bemühen, dieses Minenfeld abzutragen.