Prekäre Beschäftigung in Integrationskursen für Geflüchtete - von Berlin aus kommt neue Bewegung

Heiner Kockerbeck

An dieser Stelle wurde bereits darüber berichtet, dass an der Kölner Volkshochschule rund 50 Dozent/innen ihren Lebensunterhalt mit Sprach- und Integrationskursen bestreiten. Alle Beschäftigten arbeiten langjährig als scheinselbstständige Honorarkräfte unter prekären Bedingungen. Häufige Protestaktionen, unterstützt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), brachten 2015/2016 bei Urlaubsentgelten und Honorarerhöhungen geringe Fortschritte. Dennoch ist die Unzufriedenheit bei den Beschäftigten weiterhin groß.

Doch jetzt machen sich die ökonomischen Gesetze des Arbeitsmarktes einmal schmerzlich für die Arbeitgeber bemerkbar. Bundesweit wird es zunehmend schwierig, qualifizierte Lehrkräfte für die Integrationskurse zu finden. Der Auftraggeber für die Integrationskurse, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), verlangt von den Dozent/innen schließlich einen Hochschulabschluss und eine DaF-Fortbildung (DaF: Deutsch als Fremdsprache), die die Dozent/innen ebenso selbst finanzieren müssen, wie weitere laufende Fortbildungen. Ohne Aussicht auf eine angemessen bezahlte Festanstellung wandern die Lehrkräfte mit diesen erworbenen Qualifikationen jedoch verstärkt in besser bezahlte Bildungsbereiche, z.B. öffentliche Schulen, ab.

Wie bei anderen sozialen Dienstleistungen - man denke an die Altenpflege - zeigen sich nun bundesweit Strukturprobleme, die der Politik der "Schwarzen Null" und der Schuldenbremse entspringen. Eine Gesamtstrategie für die verschiedenen Maßnahmen der Sprachförderung und der beruflichen Integration von Geflüchteten und Migrant/innen fehlt. Das Problem der Personalknappheit verschärft sich dabei massiv durch einen Ausbau der Integrationskurse. Die Bundesregierung geht in diesem Jahr mit einer Steigerung der Teilnehmer/innen um 200% gegenüber dem Vorjahr aus, von 180.000 in 2015 auf 550.000 in 2016.

Der Kölner Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 28.6. eine Erhöhung der Honorare um 10% beschlossen, von 21 Euro für Deutsch- und Integrationskurse auf 23 Euro. DIE LINKE brachte einen Antrag ein, bei der die Honorare noch stärker, auf 30 Euro die Stunde erhöht werden sollten. Die anderen Ratsparteien lehnten dies mit Verweis auf die städtische Haushaltslage ab. Die Erhöhung hätte die Stadt jährlich rund 500.000 Euro gekostet. Den Vorschlag einer moderaten Erhöhung der Gewerbesteuer auf Bonner Niveau (490 Hebepunkte), die über 25 Millionen Euro mehr in die Stadtkasse bringen würde, hatte das schwarz-grüne Haushaltsbündnis bereits zuvor ebenso wie Rot-Grün im Vorjahr abgelehnt.

Die 30-Euro-Marke entspricht dem Mindesthonorarsatz des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung (BVV). Die VHS-Dozent/innen und die GEW in Köln fordern sie seit längerem, wie ebenso der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV). Beim BAMF stieß dies bisher aber auf Ablehnung, offenbar auch auf Druck der anderen Träger der Integrationskurse. Denn die Volkshochschulen führen bundesweit zwar mit 40% den bei weitem größten Anteil der Kurse im Auftrag des BAMF durch. Sie haben aber zahlreiche Mitbewerber, die bei Ausschreibungen des Bundesamtes als Konkurrenz auftreten und die um ihr Lohngefüge fürchten, wenn die Integrationskurse besser als andere Maßnahmen - etwa die der Arbeitsagentur - bezahlt werden.

Der buntscheckige Weiterbildungssektor, der in den letzten 20 Jahren in Deutschland stark ausgebaut wurde, ist insgesamt ein Eldorado der prekären Beschäftigung. Staatliche und staatsnahe Institutionen nutzen Projektausschreibungen, um die Konkurrenz zwischen verschiedenen Trägern anzuheizen und Kosten zu sparen. Dies geht zu Lasten der Beschäftigten, deren Honorare und Löhne seit Jahren stagnieren oder sinken.

Die Finanzierung der Integration ist natürlich Aufgabe des Bundes, nicht einzelner Kommunen. Der Ratsantrag der Linksfraktion zielte deshalb auch lediglich darauf ab, dass die Stadt Köln für eine begrenzte Zeit in Vorleistung tritt, wie sie das bei anderen Gelegenheiten auch schon gemacht hat. Was dem einen Bereich recht gemacht wird, gilt aber offenbar bei dem anderen eben nicht als billig.

Anfang Juni bereits war nun der Haushaltsausschuss des Bundestages in der Frage der BAMF-Kurse initiativ geworden. Anfang Juli folgte dem das Bundesinnenministerium und beschloss, dass die Honorare für Lehrkräfte in Integrationskursen von 23 Euro sogar auf 35 Euro die Unterrichtsstunde erhöht werden sollen. Die Gesetze des Arbeitsmarkts wirkten erfreulicherweise besonders kräftig.

Jedoch: Dies würde eine Honorarerhöhung von 53% bedeuten. Der Kostenerstattungssatz, den die Kursträger je Teilnehmer und Unterrichtsstunde erhalten, soll hierfür aber nur um 26% erhöht werden, von 3,10 auf 3,90 Euro. Das kann nur weitere Verteilungskämpfe und Konflikte zur Folge haben. Es stellt sich die Frage, wann diese Erhöhung umgesetzt wird und wie das BAMF dafür sorgen will, dass alle Träger die Honorarerhöhung auch an die Beschäftigten in den Kursen weitergeben. Und wie werden die Träger diese Honorarerhöhung verkraften? DIE LINKE wird beim Thema am Ball blieben, denn Bildung muss letztendlich öffentlich so finanziert und organisiert sein, dass gute fachliche Qualität mit tariflichen Beschäftigungsverhältnissen und Festanstellung verbunden ist.