Nichtigkeit und Rückabwicklung des Vertragskonstruktes zu den Messehallen Nord

DIE LINKE, Piraten, Deine Freunde, Freie Wähler Köln

Gemeinsame Anfrage von DIE LINKE, Piraten, Deine Freunde und Freie Wähler Köln zur Ratssitzung am 15.03. 2016

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,

wir bitten Sie, die folgende Anfrage auf die Tagesordnung der kommenden Ratssitzung zu nehmen:

 

Eiligkeit und Planungssicherheit

Die Verwaltung versucht, in Bezug auf die Vergleichsvereinbarung zu den Messehallen Nord, einen zeitlichen Druck aufzubauen und betont wiederkehrend, dass die Notwendigkeit zu besonderer Eile bestünde. Gleichzeitig aber wird die Begründung für die besondere Eilbedürftigkeit immer wieder gewechselt: In der Sitzung des Hauptausschusses wurde durch den Rechtsvertreter der Stadt Köln mitgeteilt, der Grund zur besonderen Eile ergebe sich daraus, dass die Interimsvereinbarung nun gekündigt werden könne. Die Interimsvereinbarung läuft allerdings bereits seit dem 30.06.2014 weiter als Vertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist.

1. Gibt es aktuell Anzeichen, dass es zu einer Kündigung des Vertrages kommen könnte? Ergibt sich demnach aktuell eine höhere Eilbedürftigkeit als am 30.06. 2014 oder in den zwanzig Monaten, die seitdem verstrichen sind?

In der Beantwortung der Anfrage von DIE LINKE, Piraten, DEINE FREUNDE und den Freien Wählern Köln zum Hauptausschuss am 22.02.2016 (0580/2016) wird argumentiert, dass der vorgelegte Entwurf für eine Vergleichsvereinbarung eine „gesicherte Perspektive“ für die KölnMesse schaffe, „die keinen Aufschub duldet“ und für „Rechts- und Planungssicherheit“ sorge.

2. Wie kann es sein, dass die Verwaltung durch die Vergleichsvereinbarung die Planungssicherheit der KölnMesse gewährleistet sieht, wenn ungeklärt bleibt, ob die KölnMesse Grundstück und Hallen nach 2035 noch nutzen kann und falls ja, zu welchen Konditionen dies der Fall wäre?

Nichtigkeit und Rückabwicklung

Am 15.07.2010 stellt die KölnMesse in einem Schreiben an die GbR (Anlage 6 zur Interimsvereinbarung 1191/2011) unter Punkt 7.2 die Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages fest:

Der Grundstücksverkauf und der Mietvertrag bilden als Teil eines Gesamtgeschäftes eine rechtliche Einheit, so dass der Grundstücksvertrag grundsätzlich das rechtliche Schicksal des Mietvertrages teilt.“

Unter Punkt 7.3 erklärt die KölnMesse zudem „vorsorglich“ den außerordentlichen Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt von der GbR:

„Wir fordern hiermit die GbR zur lastenfreien (mit Ausnahme der vertraglich von der GbR übernommenen Lasten einschließlich der Stadt eingeräumten dinglicher Nutzungsrechte) Rückübertragung des Eigentums an dem in Abschnitt I, Ziffer 1 bis 7, des Grundstückskaufvertrages vom 18. Dezember 2003 näher bezeichneten Grundbesitz nebst allen wesentlichen Bestandteilen auf, Zug-um-Zug gegen Rückgewährung des Kaufpreises in Höhe von 67.402.820,00 € zuzüglich Umsatzsteuer sowie Ersatz von Aufwendungen der GbR, soweit wir hierdurch bereichert werden.“

Die KölnMesse bekräftigt diese Rechtsposition in ihrem Schreiben an die GbR vom 31.8.2010 (Anlage 7):

Wir bleiben auch bei der Auffassung, dass der Grundstückkaufvertrag vom 18. Dezember 2003, sowie der Mietvertrag vom 6. August 2004 als rechtliche Einheit anzusehen sind und das Abschluss und Fortbestehen des Mietvertrages gleichzeitig die Geschäftsgrundlage des Grundstückskaufvertrages war. Gegebenenfalls mag dies gerichtlich geklärt werden.“

KölnMesse vertrat also ursprünglich dieselbe Rechtsposition, die heute noch die Sparkasse KölnBonn vertritt.

Gestützt wird diese Position durch zwei Schreiben der Europäischen Kommission: Am 15.05.2007 verlangte die Europäische Kommission im Beihilfeverfahren „CP 29/2007 Messe Köln DE“ Auskünfte von der Bundesrepublik Deutschland (Anlage 3 zur Interimsvereinbarung 1191/2011). Am 01.09.2010 verlangte die Kommission weitere Auskünfte (Anlage 4). Aus beiden Schreiben geht hervor, dass die Kommission Kauf und Bau der Nordhallen als Teil eines Gesamtkomplexes betrachtet.

Bis zum Abschluss der Interimsvereinbarung in 2011 hatte die KölnMesse „eine gegen die GbR und auf Rückübereignung und Herausgabe gezogener Nutzungen gerichtete Klage [..] noch nicht erhoben“. Für die Laufzeit der Interimsvereinbarung wurde eine solche Klage ausgeschlossen (Punkt 6 der Vereinbarung). Eine Aufgabe ihres Rechtsstandpunktes war jedoch nicht Teil der Interimsvereinbarung.

In der Vergleichsvereinbarung, die dem Rat zur Beschlussfassung vorliegt, wird dagegen als Punkt 6 festgelegt:

„Die Klägerin [d.h. die GbR] und die Streithelferin [d.h. die KölnMesse] gehen übereinstimmend davon aus, dass der Grundstückskaufvertrag vom 18.12.2003 aus den im Schreiben der Streithelferin vom 15.07.2010 genannten Gründen nicht nichtig und der hilfsweise erklärte außerordentliche Rücktritt nicht wirksam geworden ist.“

3. Gibt die KölnMesse ihren Rechtsstandpunkt (der dem Rechtsstandpunkt der Sparkasse KölnBonn entspricht) aus rechtlichen oder sonstigen Erwägungen auf und was sind dies für Erwägungen? Insbesondere: Wird der Rechtsstandpunkt nicht aus rechtlichen Erwägungen aufgegeben, sondern um einer Forderung der GbR zu entsprechen?

In der Interimsvereinbarung (Anlage A zur Vorlage 1191/2011) wird als Punkt 9 festgesetzt:

„Befristet bis zum 31.12.2014 verzichten die Parteien wechselseitig auf die Einrede der Verjährung bezüglich der wechselseitigen Ansprüche, die Gegenstand dieser Interimsvereinbarung einschließlich der Vorbemerkungen sind, soweit noch nicht Verjährung eingetreten ist.“

Dieser Teil der Interimsvereinbarung ist zum 31.12.2014 ausgelaufen. Seitdem können sich also die GbR, die KölnMesse und die Stadt Köln auf die Verjährung von Ansprüchen berufen.

4. Für welche (strittigen und unstrittigen) Ansprüche, die sich aus der ursprünglichen Vertragskonstruktion zu Bau und Anmietung der Messehallen Nord, aus damit in Zusammenhang stehenden weiteren Verträgen und aus später geschlossenen Verträgen (z.B. der Interimsvereinbarung) ergeben, trat oder tritt zu welchem Zeitpunkt Verjährung ein und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? In Bezug auf welche Ansprüche wurde durch einen der drei Vertragspartner Einrede wegen Verjährung erhoben oder eine solche Einrede angekündigt oder als Möglichkeit in den Raum gestellt?

Ein Gutachten von Ernst & Young aus dem Jahr 2003 befasste sich unter anderem mit der Frage, ob inwiefern die Vertragskonstruktion um den Bau und die Anmietung der Messehallen einem Sale-and-lease-back-Geschäft entsprechen würde und welche Konsequenzen dies in Bezug auf die Notwendigkeit einer Ausschreibung hätte.

5. Welche rechtlichen Risiken wurden in diesem Gutachten dargelegt und wie wurden diese begründet?
Zur Beantwortung dieser Frage bitten wir darum, den Ratsfraktionen das Gutachten zur Verfügung zu stellen.

 

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Michael Weisenstein

Geschäftsführer
Fraktion DIE LINKE

gez.

Thomas Hegenbarth

Piraten-Gruppe

gez.

Thor Zimmermann

Gruppe DEINE FREUNDE

gez.

Walter Wortmann

Einzelmandatsträger
Freie Wähler Köln

 

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