Neues großes Schulbaupaket: Jamaica-Ratsbündnis setzt langfristig auf Baukonzerne anstatt die Bauverwaltung zu stärken

Heiner Kockerbeck

Rede in der Ratssitzung am 14.5.2020 zu TOP 3.1.1 "2. Maßnahmenpaket für Schulbauprojekte"

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

das ist ein Wahlkampfantrag des regierenden Ratsbündnisses von CDU, Grünen, FDP und Ratsgruppe GUT. Da in den letzten Monaten die Planungen für neue Schulen und Sanierungen in den Ratsgremien beraten und beschlossen wurde, hätte die Verwaltung auch von sich aus nun einen Vorschlag zur Umsetzung gemacht.

Der Antrag weist die Verwaltung nun an, ein Schulbaupaket zu schnüren, mit dem große Baukonzerne wie Hochtief den Auftrag erhalten, eine Reihe von Schulen zu bauen oder zu sanieren. Der Umfang der Aufträge wird dem ersten Schulbaupaket von 2017 gleichkommen, das 500 Millionen Euro umfasst.

Warum baut die Stadt Köln nicht selbst, sondern vergibt zunehmend große und teure Aufträge zum Schulbau an Baukonzerne? Es herrscht "Schulbaunotstand". Rat und Verwaltung konnten in den letzten Jahren ihrer Pflichtaufgabe bei Bau und Sanierung von Schulen nicht mehr nachkommen. Daraus zieht die regierende Ratsmehrheit aber nicht die Schlussfolgerung, dass nun umgesteuert werden muss, dass nun die Bauverwaltung wieder in die Lage versetzt werden muss, ihrer Aufgabe in ganzem Umfang nachzukommen.

Über viele Jahre wurde die städtische Bauabteilung, ehemals Hochbauamt, heute Gebäudewirtschaft, nicht genügend finanziell und personell ausgestattet, nicht genügend sorgfältig organisiert. Gespart wurde an ihr, wie in allen öffentlichen Bereichen, seien es Schulen, Kitas oder Krankenhäuser.

Köln ist da in der Bundesrepublik kein Einzelfall. Seit mindestens zwei Jahrzehnten kommt es in den öffentlichen Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen schrittweise zu immer weiteren Personalkürzungen. Vorangetrieben wurden sie von den jeweils regierenden Parteien, von CDU, SPD, Grünen und FDP.

Besaß der Öffentliche Dienst 1991 noch 6,7 Millionen Beschäftigte, so waren es 2008 noch 4,5 Millionen. Durch den Ausbau der Kinderbetreuung kam es danach zwar wieder zu einer leichten Steigerung auf 4,6 Millionen. Dennoch ist es so, dass öffentliche Ämter und Einrichtungen ihren Aufgaben aufgrund der Sparmaßnahmen nur noch eingeschränkt nachkommen.

Deshalb hat sich ein riesiger Investitionsstau bei der Schulinfrastruktur in Deutschland gebildet. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzte ihn für 2018 auf fast 50 Milliarden Euro. Für Köln kam ein Gutachten im Auftrag der Kämmerei 2017 zu dem Ergebnis, dass Köln jährlich im Schulbau, beim Verkehr und in anderen Bereichen notwendige Investitionen in Höhe von 460 Millionen Euro nicht durchführen kann. Die Infrastruktur wird nicht genügend ausgebaut oder teilweise auf Verschleiß gefahren.

Die gegenwärtige Strategie des Bauens ist weder effektiv noch wirtschaftlich. Jährlich vergibt die Stadt Köln Gutachten, Planungen und ähnliche Leistungen für rund 30 Millionen Euro an private Firmen. Eine Erledigung städtischen Fachpersonal würde je nach Bereich bis zu 40 Prozent günstiger ausfallen. Denn die privaten Firmen wollen natürlich zu ihren Arbeitskosten noch einen Gewinn realisieren.

Und welches Ergebnis erzielt die Kölner Baustrategie? Man sieht es bei dem Mangel an Gesamtschulplätzen: 38 Prozent der Eltern, die ihr Kind in diesem Jahr ihr Kind an einer weiterführenden Schule in Köln anmelden wollten, wählten eine Gesamtschule. Nur 27 Prozent der Kinder werden im August diese Schulform besuchen. In vielen Stadtbezirken sieht es so aus: In Ehrenfeld waren für 49,5 % der Anmeldungen an Gesamtschulen keine Plätze da, in Nippes sogar für 57 %, in Kalks 44 %, in der Innenstadt für 42 %, in Chorweiler wird es jetzt weniger, "nur noch" 35%, in Mülheim 20%, 153 Kinder.

So das noch viele Jahre so weitergehen? Es soll: Die aktualisierte Schulentwicklungs-planung 2020 sieht vor, dass der Bedarf an Plätzen erst um 2030 gedeckt werden kann. In zehn Jahren! Und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass das Wahlverhalten der Eltern in etwa so ist, wie es heute ist. Sollten noch mehr Eltern als bisher Gesamtschulen wünschen, fehlten doch wieder Plätze.

Das ist der erfolgreiche Weg der Einsparungen in der öffentlichen Bauverwaltung und der Vergabe von Bauaufträgen an private Investoren! Über den Mangel an U3-Kitaplätzen brauche in jetzt gar nicht mehr zu sprechen.

Unser Antrag sieht daher vor, dass wir eine letzte Notstandsmaßnahme vorsehen, ein letztes Maßnahmenpaket. Zugleich soll diese externe Vergabe des Baus von Schulen nicht nur großen Baufirmen zugute kommen, sondern auch Kölner mittelständischen Firmen und dem Kölner Handwerk. Deshalb schlagen wir eine Quote vor: 50 Prozent der Handwerksleistungen soll örtlichen Firmen zugute kommen, Firmen, die hier ihre Gewerbesteuer bezahlen.

Zugleich möchten wir, dass die Verwaltung beauftragt wird, nach einen Richtungswechsel herbeizuführen: Es sollen städtische Organisationsformen geprüft werden, mit denen eine leistungsfähige Bauverwaltung in wenigen Jahren aufgebaut werden kann. Diese Bauverwaltung soll mit ausreichend qualifiziertem Personal für alle Leistungsphasen großer Bauprojekte ausgestattet sein. Die jetzige Gebäudewirtschaft - das ist Punkt 3 unseres Antrags - wird in der Zwischenzeit schleunigst verbessert. Sie muss attraktivere Bedingungen für qualifizierte Baufachleute bieten, um am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein.

Notstandsmaßnahmen, die über 10 - 15 Jahren hinweg fortgeführt werden, sind Notstandsmaßnahmen mehr. Sie sind zum Normalfall geworden. Wir wollen deshalb eine Baustrategie, die langfristig angelegt ist. Schulen und Kitas sollten wieder in städtischer Regie gebaut werden. Dies ist besser für pädagogische Ansprüche, unterliegt demokratischer Kontrolle des Rats und ist langfristig auch wirtschaftlicher.