Kinderbildungsgesetz (KiBiz)

Michael Kellner

Der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist hochaktuell. Das zeigen die Proteste, die es in der vergangenen Woche in zahlreichen Städten und vor allem am Samstag in Düsseldorf gegeben hat.

Das zeigt aber auch die schnelle Reaktion der FDP, die sich 2 Tage vor der Demonstration in Düsseldorf plötzlich zur Opposition in NRW aufgespielt hat und ihre Bereitschaft erklärt hat, den Gesetzesentwurf gründlich zu überarbeiten.

So macht man das also bei der FDP: erst präsentiert man zusammen mit dem Koalitionspartner CDU das angeblich so ?moderne? Gesetz und spricht sich dafür aus. Und wenn die Betroffenen dagegen Sturm laufen, ist man auf einmal dagegen. Das ist die Freiheit der FDP: sie ist dafür und dagegen.

Das Gesetz erinnert nur entfernt an den stolzen Vogel Kibitz. Tatsächlich ist es ein übergewichtiger Koloss. Was sollen die Kindertagesstätten nicht alles stemmen: Sprachstandsfeststellungsverfahren und Sprachförderung; kontinuierliche Evaluation und ständige Weiterqualifizierung des Personals; Durchführung des Qualitätsentwicklungsprozesses und integrative Erziehung und Bildung. Dazu kommen dann noch die Forderungen nach der Vernetzung mit anderen örtlichen Stellen, die Zusammenarbeit mit den benachbarten Grundschulen ? nach der Aufhebung der Schulbezirke bleibt es nicht mehr bei einer Schule - und schließlich noch die Bildung von Familienzentren.

Und das alles sollen die Kindertagesstätten leisten nicht mit mehr Geld, sondern insgesamt mit weniger Geld plus unzureichenden Pauschalen für Sprachförderung und Familienzentrum. Die großartige Geste der Landesregierung, die Landeszuschüsse für diesen Bereich von 852 Mio Euro auf 959 Mio Euro anzuheben, übersieht gerne die Kürzung der Zuschüsse für die Kitas im laufenden Haushalt um 190 Euro, den Wegfall des Defizitausgleichs und die Fixierung der Elternbeiträge auf 19 %.

Dazu kommen die Kontingentierung von Öffnungszeiten und die Abrechnung pro Kind. Auf diese Weise wird sich die Finanzierung in einer Kindertagesstätte ständig ändern - je nach der augenblicklichen Anzahl der Kinder. Kindertagesstätten und ihre Träger verlieren ihre finanzielle Stabilität und damit auch die Sicherheit für qualifiziertes und gut bezahltes Personal. Kleine Einrichtungen werden hier kaum mithalten können, und auf Eltern und Kommune kommt eine erhebliche Mehrbelastung zu. Da vieles bereits gesagt worden ist, möchte ich an dieser Stelle auf einen ganz anderen und wenig beachteten Aspekt des Gesetzes eingehen, einen durchaus positiven Aspekt ? wenn man ihn denn ernst nehmen kann. Nach § 8 des Kinderbildungsgesetzes sollen ?Kinder mit Behinderungen?nach Möglichkeit gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung gefördert werden.?

Noch interessanter ist dabei die Begründung zu § 8. Dort heißt es ganz allgemein - ich zitiere: ?Die Integration fördert die Entwicklung sozialer Kompetenz und wirkt präventiv sozialer Ausgrenzung entgegen. Nur in begründeten Einzelfällen, wenn die Art der Behinderung oder die räumliche oder personelle Ausstattung der Einrichtung eine integrative Betreuung nicht zulässt, sollte von der integrativen Förderung abgesehen werden.?

Diese Sätze könnte die Landesregierung glatt aus dem Programm der LINKEN abgeschrieben haben. Und so allgemein, wie sie hier stehen, gelten sie offensichtlich nicht nur für den Elementarbereich, sondern auch für die weiterführende Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Grundschule  und den weiterführenden Schulen. Mit Recht stellt meine Fraktion an dieser Stelle die Frage an Sie, meine Damen und Herren von der CDU und FDP:  Warum haben Sie eigentlich in der vergangenen Ratssitzung gegen die Anträge von SPD und Grünen und der Fraktion DIE LINKE. KÖLN für mehr Plätze im Gemeinsamen Unterricht gestimmt? Offensichtlich sind Sie für eine gemeinsame Erziehung und Bildung und gleichzeitig dagegen. Bei der FDP haben wir dieses Prinzip schon kennen gelernt. Die enge Verbindung im Landtag scheint nun auch auf die CDU abzufärben.

Was kann an einem Gesetz positiv sein, wenn noch nicht einmal die wenigen positiven Sätze von den Urhebern selbst ernst genommen werden? Ein solches Gesetz wirkt doppelt unglaubwürdig. Die Fraktion DIE LINKE. KÖLN fordert mit den demonstrierenden Betroffenen eine grundlegende Änderung des Gesetzes. Wir werden deshalb dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zustimmen.