Grün-Schwarz-Lila: Es grummelt bei den Grünen, nicht zu Unrecht

Heiner Kockerbeck

Anfang Dezember haben Grüne, CDU und Volt ihr Sondierungspapier präsentiert, das kurz darauf bereits von Mitgliederversammlungen und dem CDU-Vorstand gebilligt wurde. Der Weg zu Kooperationsverhandlungen ist nun frei.

Allen­falls halbherzig hatten die Grünen mit der SPD verhandelt. Anfragen der LINKEN für ein Gespräch wurden lange Zeit nicht beantwortet. So kam mit der LINKEN vor der Kreis-MV kein Gespräch zustande. Es hätte offenbar innerparteilich nur stören können. Denn auf der MV stimmten nur 52 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für das Sondierungsergebnis. „Es grummelt bei den Grünen“, stellt report-K fest. Kommt das grün-konservativ-liberale Bündnis zustande, wird die grüne Ratsfraktion in den nächsten Jahren erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, die Seele der widerstrebenden eigenen Partei zurückzugewinnen.

Bei den personellen Absprachen haben die Grünen darauf verzichtet, den Posten des Stadtdirektors für sich zu reklamieren. Die CDU wird ihn weiter stellen. Damit, mit dem Baudezernat sowie dem neuen Wirtschafts- und Stadtentwicklungsressort haben die Konservativen Zugriff auf zentrale Ämter. Demgegenüber wird das neue Dezernat für Umwelt und Klimaschutz aus dem Bereich von Harald Rau gebildet, also nichts für die Grünen dazugewonnen. Das Verkehrsdezernat soll von den Grünen vorgeschlagen werden. Noch bekleidet es aber weiterhin Andrea Blome. Das Kulturdezernat wird bei Neubesetzung wiederum der CDU zufallen. Der Einfluss der Grünen in der Stadtspitze entspricht damit nicht ihrem Stimmenanteil bei den Wahlen als stärkste Partei. Machtbewusst setzte die CDU sich hier durch.

Die Sondierungsergebnisse ergeben ein gemischtes Bild. Beim Klima- und Umweltschutz gibt es durchaus beachtliche, detailliertere Aussagen, z.B. zur Zurückdrängung des Autoverkehrs in der Innenstadt, dem Ausbau von Radwegen und zur Klimapolitik. Die Umsetzung in der Praxis wird jedoch Schritt für Schritt mit dem Koalitionspartner CDU auszukämpfen sein. Beim Ausbau von Bus und Bahn ist schon, wie beim bisherigen schwarzen-grünen Bündnis, eine stärkere Zurückhaltung zu verzeichnen. Das 365-Euro-Ticket, das im Wahlkampf eine große Rolle spielte, wird gar nicht mehr erwähnt. Die Maßnahmen sprechen also, wie bisher, eher die für ökologische Probleme offenen bürgerlichen Schichten an.

Würde Verkehrspolitik von seiner sozialen Seite her betrachtet, müssten der großflächige Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und kräftige Preissenkungen eine größere Rolle spielen, um den Autoverkehr in größerem Maße unnötig zu machen. Dies käme auch der Klimawende zugute. Die Verkehrswende bleibt, wie im ganzen Bundesgebiet, auch in Köln hinter der Notwendigkeit eines ökologischen und sozialen Umsteuerns zurück. Auch Grün-Schwarz-Lila bleibt in Köln auf diesem Feld blass.

Sozialpolitik erschöpft sich insgesamt im angekündigten Verzicht auf soziale Kürzungen. In der Wohnungspolitik wird das Prinzip „Der Markt soll’s richten“ fortgesetzt, das schon für die vergangenen Jahre galt. Einen deutlich gesteigerten öffentlichen Wohnungsbau, gar eine zweite städtische Baugesellschaft, wird es nicht geben. Es wird deutlich, warum die IHK-Präsidentin Nicole Grünberg „Aufbruchstimmung“ wahrnahm. Köln wird weiterhin eine Stadt sein, in der die Investoren der Bauwirtschaft satte Gewinne einfahren. Auch der Bau von Schulen und Kitas wird diesen weiter überlassen. Die CDU kündigte an, sich für eine „ideologiefreie Schulbaupolitik“ gemäß der Ideologie von Privat vor Staat stark zu machen.

Überhaupt gibt es offenbar in der Bildungspolitik keinerlei wichtige Themen. Sie kommt, wie auch die Kulturpolitik, im Papier nicht vor. Dass in den letzten Jahren acht bis neun Gesamtschulen fehlten und die Einwohnerzahl weiter wächst, dass Schulen und Kitas in sozialen Brennpunkten dringend stärkere Unterstützung brauchen: Fehlanzeige. Beim grün-schwarz-lila Ratsbündnis in Köln wird damit deutlich, warum CDU-Politiker*innen von „bürgerlicher Politik“ im Zusammenhang von Schwarz-Grün sprechen. Die sozialen Verwerfungen der letzten Jahre, die zugespitzte soziale Spaltung wird dieses Bündnis nicht bekämpfen.

Dazu brauchen wir andere Mehrheiten links von der CDU. Die Linksfraktion wird zusammen mit dem Kreisverband dafür werben, dass auf möglichst vielen Feldern im Rat eine progressive Zusammenarbeit zustande kommt: Zum Beispiel um kostenträchtige Prestigprojekte in der Innenstadt zu verhindern, wie den U-Bahn-Tunnel im Zentrum, die Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt am Offenbachplatz sowie die Historische Mitte. Die frei werdenden Finanzmittel sind sinnvoller zu verwenden, die städtischen Kliniken zu erhalten. Wir werden den Kontakt zu allen Fraktionen und Gruppen des Rats suchen, die sich als progressiv, ökologisch und sozial verstehen, um zu gemeinsamen Projekten zu kommen. Besonders aussichtsreich sind solche, bei denen Initiativen aus der Stadtgesellschaft heraus Druck erzeugen. Aus diesen Projekten kann eine neue bunte Ratsmehrheit entstehen.

Wir werden uns aber auch mit allen Kräften dafür einsetzen, dass die Kosten der Coronakrise nicht durch Kürzungen im Haushalt auf die Mehrheit der Bevölkerung umgelegt werden. Für nötige Verbesserungen bei Wohnen, Verkehr, Bildung, Krankenhäusern und Klimaschutz hat die Stadt in den kommenden Jahren große Aufgaben zu meistern. Alle die dies so sehen, haben hier eine Verantwortung, das momentane „Weiter so“ zu beenden.