Gesundheitskarte für Flüchtlinge

Güldane Tokyürek
RatRedenThema Flüchtlinge

Rede in der Ratssitzung am 10.09.2015

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

der Rat muss diesen Beschluss jetzt fassen, damit wir die Gesundheitskarte pünktlich einführen können. Nach unseren Informationen wollte eigentlich die Verwaltung eine Beschlussvorlage dazu erstellen. Aber wenn Sie von SPD und Grünen sich für unsere Forderung aus unserem Ratsantrag vom Dezember letzten Jahres einsetzen, kann uns das nur recht sein.

Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen sollen vom kommenden Jahr an mit einer Gesundheitskarte zum Arzt gehen können. Bislang müssen Flüchtlinge in den ersten 15 Monaten nach Ankunft in einer Kommune bei den Behörden einen "Behandlungsschein" beantragen. Dabei entscheiden Beschäftigte der Kommunen über die Behandlungsnotwendigkeit. Damit schafft NRW als erstes Flächenland die Möglichkeit für Asylbewerber, sich selbstständig in Behandlung zu begeben. Hiervon können schätzungsweise 100.000 Schutzsuchende profitieren.

Kommunen, die der Vereinbarung über die NRW-Gesundheitskarte beitreten, können künftig für die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge sofort bei einer gesetzlichen Krankenkasse eine Gesundheitskarte beantragen. Diese ermöglicht dann eine Inanspruchnahme medizinischer Hilfe ohne bürokratische Umwege.

Es wird immer wieder über die Ungleichbehandlung von Privat- und Kassenpatienten diskutiert. Zugleich wurde aber eine dritte Kategorie geschaffen, die sogar schlechter behandelt werden als Kassen-Patienten. Nämlich AsylbewerberInnen und Asylbewerber. Das kann nicht sein. Und endlich kann das mit dem heutigen Beschluss zumindest für die Grundversorgung geändert werden. Denn der Umfang der gesundheitlichen Versorgung ist bundesgesetzlich durch das Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Damit bleibt er gegenüber der "normalen" Versorgung über die Gesetzliche Krankenversicherung eingeschränkt. Schutzsuchende Menschen sollten nach der Erstversorgung möglichst schnell in die Regelversorgung. Denn zur Zeit finden leider weder die Erstversorgung bei der Ankunft noch die Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz "zeitgerecht statt". Auch das gilt es zu ändern. In diesem Zusammenhang möchte ich auf Folgendes hinweisen: Der eingeschränkte Zugang zur Gesundheitsversorgung für Schutz suchende Menschen bringt gleichermaßen Beschränkungen des Menschenrechts auf Gesundheit und erhöhte Folge- und Bürokratiekosten mit sich.
Die Beschränkung auf eine Akut- und Notfallversorgung kann gegenüber einer frühzeitigen und präventiven Versorgung zu erheblich erhöhten Kosten führen.

Auch dringend erforderliche Therapien für schwer traumatisierte Menschen werden häufig verweigert. Die Gesundheitskarte ist da ein wichtiger Baustein für eine menschenwürdige Behandlung von Schutzsuchenden. Allerdings nicht ausreichend. Zumindest können wir mit dem heutigen Beschluss die diskriminierungsfreie Versorgung von Hilfebedürftigen auf den Weg bringen.

Bis zur Zustellung der Gesundheitskarte können die Kommunen, so steht auf der Seite des Gesundheitsministeriums, den Flüchtlingen Abrechnungsscheine der Krankenkasse für ärztliche und zahnärztliche Versorgung zur Verfügung stellen, um den vereinfachten Zugang zur Gesundheitsversorgung ohne Wartezeit sicherstellen zu können. Auch das sollte in Anbetracht der Flüchtlingszahlen schnell umgesetzt werden.