Gemeinwohlbilanz - Wir werden den Prozess kritisch begleiten!

Rede in der Ratssitzung am 18.9. zu Top 3.1.1 "Gemeinwohlbilanzierung Pilotierung"

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Anwesende,

Gemeinwohlorientierte Politik ist vor zwölf Jahren im Rahmen der christlichen Soziallehre wieder modern geworden. Wenn uns hier ein grüner Antrag vorliegt, so hat die CDU doch mitgeschrieben.

Für uns LINKE war und ist der Kampf um das Gemeinwohl langwierig und auch mit Erfolgen der Arbeiterbewegung verbunden. Die Gründung von Wohnungsgenossenschaften, die Schaffung von Wohlfahrtseinrichtungen, Lebensmittelgenossenschaften und vieles mehr. Ein Ergebnis dieser Auseinandersetzung war die Bildung neuer Eigentumsformen neben der reinen privatwirtschaftlichen Form. Das ist ein großer Erfolg. Daneben entwickelte sich seit über 100 Jahren auch die kommunale Eigentumsform, die heute ein entscheidender Treiber für gemeinwirtschaftliches Handeln ist.

Den Bezug auf die Arbeitswelt, der handelnden Personen, die Beschäftigten in den Betrieben vermissen wir in ihrem Antrag. Der Antrag stellt die ökologischen Kriterien sehr in den Vordergrund. Der Satz in ihrem Antrag:
Die Wirtschaft dient den Menschen – nicht umgekehrt“ entspricht nicht der Realität. Gemeinwohl kann und muss man mit den Betroffenen erstreiten und dabei kann eine positive, gesellschaftliche Meinung sehr wohl helfen. Das sehen wir schon.

Ich finde, dass in der Gemeinwohl-Matrix 2.0. aus dem Jahre 2020, da etwas deutlich ist als ihr Antrag, wenn ein Kriterium die
Gerechte Verteilung von Arbeit“ ist oder „Transparente und demokratische Mitbestimmung“ eigefordert wird.

Wenn sie sich die Gemeinwohl-Bilanz der Stadtentwässerungsbetriebe Stuttgart ansehen, auf die Sie sich in ihrem Antrag beziehen, sehen Sie für mich zwei wichtige Aussagen:

  • 100 % gemeinwohlorientierte Eigentumsstruktur:  Kommunales Eigentum.
  • Die vielen Aussagen in dem Bericht zu Arbeitsbedingungen, Löhne, Arbeitsschutz, prekären Arbeitsbedingen und vieles mehr.

Die KölnBäder werden sich ja als ein städtisches Pilotunternehmen bewerben. Da sind wir gespannt auf die Diskussion der ersten Gemeinwohlbilanz, wohl wissend, dass die KölnBäder keine paritätische Mitbestimmung haben und der DGB erst kürzlich den Ausbau der Mitbestimmung für Betriebe ab 250 Beschäftigte eingefordert hat.

Wir sind der Auffassung, die solidarische Wirtschaft muss eine aktive Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Wirtschaftssystem führen, ansonsten wären diese Alternativen nur Feigenblätter zur Legitimierung des vorhandenen Modells. Dabei müssen auch Fragen diskutiert werden, wie die Rolle von Wettbewerb und Gewinn in einer alternativen Wirtschaft ist.

Die Bewegung Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) möchte sich mit den gegenwärtig herrschenden Strukturen in der Gesellschaft und vor allem der Wirtschaft kritisch auseinandersetzten und sie auch durchaus in Frage stellen. Das ist ja da eigentlich Spannende.  Der Finanzbilanz stellt die GWÖ einen anderen Ansatz gegenüber. Mit der GWÖ soll ein ethisches Wirtschaftsmodell etabliert werden. Das Wohl von Mensch und Umwelt soll dabei zum obersten Ziel des Wirtschaftens. Allerdings wäre die Ausdehnung der Gemeinwohlökonomie über die heute bestehenden Nischen hinaus nur durch gravierende Veränderungen und konkrete Markeingriffe möglich.  Wenn wir tatsächlich eine andere Art von Wirtschaft wollen, die nicht mehr nur wachstumsorientiert ist, dann geht das nur mit großen Umstrukturierungen und großen Veränderungen. Dafür braucht es politische Mehrheiten.

Ein Pilotprojekt für eine Gemeinwohlbilanz ist daher nur ein kleiner Teil aus dem Handwerkskasten. Die Gemeinwohlbilanz kann lediglich den Blick auf andere Bereiche erweitern und eine weitere Zertifizierungsmethode für nachhaltiges Wirtschaften sein, die sich etablieren könnte. Solange sich jedoch die Regeln nicht für alle Unternehmen ändern, werden die am Gemeinwohl orientierten Unternehmer an ihre Grenzen stoßen. Auch die Gemeinwohlunternehmen unterliegen selbstverständlich einem Kostendruck.

DIE LINKE Ratsfraktion wird diesem Antrag trotz aller Kritik dennoch zustimmen. Hoffentlich wird ein spannender Diskussionsprozess in Gang gesetzt. Wir werden den gesamten Prozess kritisch begleiten.