"Eine Trendwende? Oder kehren Sie nach der OB-Wahl zur alten Kürzungsrhetorik zurück?"

Jörg Detjen
RatRedenThema Haushalt

Rede in der Haushaltssitzung des Rates am 23.06.2015

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

Die Fraktion Die LINKE wird sich bei dieser Haushaltsabstimmung enthalten. Der Grund ist klar und einfach:
Zum ersten Mal seit Jahren finden keine Kürzungen für freie Träger im Sozialbereich, bei der Gesundheitsprävention, bei Bildung und Jugend oder bei der Kultur statt! In einzelnen Bereichen, bei den Bürgerhäusern und bei der offenen Jugendarbeit, wird sogar leicht zugesetzt!

Die Proteste vor dem Rathaus und der Druck im Rat haben gewirkt! Wir fordern seit Jahren, freien Trägern die finanzielle Unterstützung nicht weiter zu kürzen. - Hierzu hatten wir in den letzten Jahren stets einen mehr als gegenfinanzierten Veränderungsnachweis vorgelegt.

In diesem Jahr zeigten SPD und Grüne sich zum ersten Mal etwas aufgeschlossener. Nachdem der Beschluss gefasst ist, will sich nun sogar die CDU mit der Rücknahme der Einschnitte schmücken - die Partei, der in den letzten Jahren die Kürzungen nie hart genug sein konnten! - Ein Zusammenhang mit der Oberbürgermeisterwahl im September drängt sich auf.

Sie alle werden mit den nächsten Haushaltsberatungen die Gelegenheit bekommen zu zeigen:
Ist mit Ihnen eine wirkliche Trendwende in Köln möglich? Bauen Sie mit uns das soziale Köln wieder auf?
Oder kehren Sie zur alten Kürzungsideologie und den abgedroschenen Phrasen zurück, mit denen Sie in den letzten Jahren die Demonstrierenden vor dem Rathaus als Besitzstandswahrer abgetan haben?

Bei allem, was wir in diesen Verhandlungen erreichen konnten - die Rücknahme der Kürzungen, die Einrichtung eines Integrationsbudgets - mehr als eine Enthaltung ist nicht drin, denn: Alle Kürzungen aus den letzten Jahren bleiben erhalten und für die meisten Träger gibt es keinen Ausgleich für Tarifsteigerungen.
Um eine Wende hin zu einem sozialeren Köln einzuleiten, hatten wir SPD und Grünen in den Haushaltsgesprächen den Vorschlag gemacht den Bezieherinnenkreis des Köln-Passes von 30% auf 40% über Hartz IV-Regelsatz zu erhöhen. Das haben sie abgelehnt.
Dieser Haushalt bleibt so - trotz der Verbesserungen, die wir erreichen konnten - ein rot-grüner Haushalt.

Die Gefahr eines Jamaika-Bündnisses oder einer Großen Koalition ist nicht gebannt. Die Kölner Wirtschaft und das Bürgertum wollen die Geschicke vollständig in der Hand haben und Akteure der sozialen Teilhabe und sozialen Gerechtigkeit an die Wand drängen und eine Privatisierungswelle starten. Die IHK fordert in ihrer Stellungnahme zum Kölner Stadthaushalt: "So könnte sicherlich zur Erschließung neuer finanziellen Ressourcen beim städtischen Vermögen eine Konzentration auf die Kernaufgaben oder die Ergänzung konventioneller Finanzierungsformen durch Beteiligung von privaten Dritten erfolgen."
So wie der IHK die "Beteiligung privater Dritter" vorschwebt - also zum Beispiel als ÖPP -, bedeutet sie, dass die Allgemeinheit nicht nur die Sanierung der Kölner Brücken finanzieren muss, sondern zusätzlich auch noch die Gewinnansprüche von Investoren. Einen solchen Privatisierungskurs wollen wir verhindern!
Aber auch wir sind dafür, die privaten Dritten zu beteiligen. Köln steht ja tatsächlich in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Sehr viel Geld muss in die Hand genommen werden, um die Infrastruktur zu reparieren und neu zu entwickeln. Wir müssen diejenigen daran beteiligen, die für ihre Gewinne die Kölner Infrastruktur in Anspruch nehmen und die sie dabei besonders vernutzen! Wir wissen doch, dass Brücken nicht durch Radverkehr und auch nur wenig durch PKW geschädigt werden - es ist der Schwerlastverkehr!
Wir stehen da unkonventionellen Finanzierungen offen gegenüber - Stichwort IKEA-Strecke. Ansonsten ist das Mittel zu einer gerechten Beteiligung der Kölner Wirtschaft, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer deutlich zu erhöhen.

Wir wissen alle, Rot-Grün ist tief verstritten. - In der Finanzausschusssitzung am 15. Juni legten sie einen Veränderungsnachweis vor, in dem sie ihr Infrastrukturprogramm mit 6,1 Mio. Euro vollständig aus den Rückzahlungen der Bundesregierung für Maßnahmen aus dem Bildungs- und Teilhabepakt bezahlen wollen. Die BuT-Mittel sind aber für Kinder und Jugendlich aus Familien mit wenig Einkommen gedacht: Für das Schulbedarfspaket, für Schul- und Kitaspeisungen, Lernförderung, soziale und kulturelle Teilhabe und Klassenfahrten - Straßenbau gehört nicht dazu!
Das Land NRW legte in einem Erlass 13.11.2012 fest, dass Mittel für Bildungs- und Teilhabe nicht in den Allgemeinen Haushalt übertragbar sind. Die Beigeordnete Frau Reker hat dies in drei Mitteilungen vom 20.11.2014; 5.5.2015 und am 21.5.2015 ausdrücklich betont und bestätigt. Dass die grüne Stadtkämmerin Klug jetzt eine andere Rechtsauffassung hat, wundert mich doch sehr. Die Vorlagen von Frau Reker wurden in Anwesenheit von Frau Klug auf zwei Sitzungen des Rechnungsprüfungsausschusses am 20.11.2014 und am 7. Mai 2015 diskutiert.
Die 6,1 Mio. Euro müssen zurück in den Sozialetat! Spätestens im Haushaltsentwurf 2016 müssen sie wieder der Produktgruppe 0508 gutgeschrieben werden.

Gute Arbeit, Bezahlbarer Wohnraum, Mehr Bildung, ÖPNV ausbauen und Einnahmen steigern! - Das sind die Kernsätze LINKER Politik im nächsten Jahr!

Gute Arbeit
Wir werden dem Stellenplan zustimmen und freuen uns, dass mehr Personal eingestellt wird und dass unser Rufen nach Einhaltung der Ausbildungsquote endlich Gehör findet. Es ist gut, dass die Befristungen endlich reduziert werden - hier müssen wir aber noch mehr erreichen! Wir haben den Stadtdirektor gebeten, den Vorbereitungslehrgang für Auszubildende mit Migrationshintergrund fortzusetzen und Ausbildungsprojekte für Flüchtlinge zu entwickeln.

Die Anstellung der Ordnungshelfer sehen wir sehr kritisch - hier stimmen wir mit den Grünen überein. Wir brauchen in der Innenstadt nicht Repression, sondern ein Konzept der Deeskalation mit Streetworkern und Sozialarbeitern. Wir schlagen vor, ein solches Konzept in einer breiten Debatte mit allen Beteiligten zu entwickeln.
Ich denke, es wird uns gelingen eine solche Debatte anzustoßen. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen der CDU, freuen Sie sich nicht zu früh über mehr Uniformen an den Ringen!

Bezahlbarer Wohnraum
Die LINKE hat erreicht, dass 100.000 Euro für die schnelle Umsetzung der Milieuschutzsatzung im Haushalt enthalten sind. Die Verwaltung muss nach der Sommerpause endlich mit einer Verwaltungsvorlage kommen. Wir müssen dieses Thema jetzt anpacken. In immer mehr Stadtteilen werden die Mieten angehoben und Mieterinnen und Mieter verdrängt.
Wir müssen den Vermieterinnen und Vermietern eine klare Botschaft senden. Wir werden nicht dulden, dass die Mieten weiter dramatisch steigen! Wir werden unsere Instrumente nutzen, um das zu verhindern.
Die Linke setzt sich dafür ein, dass mehr geförderte Wohnungen gebaut werden. Wir müssen die Satzung für das kooperative Baulandmodell überarbeiten. Es kann nicht angehen, dass sich die Immobilienunternehmen mit "hohen Kosten" rausreden und die Umsetzung des 30%-Anteils an geförderten Wohnungen unterlaufen. Wir müssen die GAG stärken und alle kommunalen Unternehmen bündeln, um schlagkräftiger agieren zu können. Wir rufen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der GAG und der Wohnungsgesellschaften zu: Lassen sie uns gemeinsam anpacken und mehr preisgünstige Wohnungen an den Markt zu bringen. Das hat Köln nach zwei Weltkriegen geschafft, warum soll das heute nicht möglich sein!

Mehr Bildung
DIE LINKE konnte erreichen, dass Offene Ganztagsgrundschulen in Stadtteilen mit besonderem Jugendhilfebedarf zusätzliche Mittel von 105.000 Euro für gruppenübergreifende Projekte erhalten. Damit können die Schulen eigenverantwortlich entscheiden, wie sie auf die besonderen Bedarfe vor Ort eingehen. Sie können die Mittel z.B. für Selbstbehauptungstrainings oder Sprachförderung verwenden, die nicht im schulischen, sondern im jugendpädagogischen Bereich angesiedelt sind oder für die Bearbeitung bestimmter Problemlagen, etwa durch Gender- und Anti-Gewalt-Trainings oder Projekte gegen Rassismus und Diskriminierung.
Die OGTS sind seit Jahren unterfinanziert. Seit zehn Jahren gab es nur Kürzungen und dementsprechend auch keine Tariferhöhungen. Dieses Jahr gibt es das erste Mal 600 Euro mehr pro Jahr und Gruppe, die hoffentlich an das Personal weitergegeben werden. Denn die Engpässe, gutes Personal zu bekommen, das auch bleibt, werden immer größer.

Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs
DIE LINKE arbeitet in der Verkehrspolitik mit den Piraten und Deine Freunde eng zusammen. Wir wollen mehr Radverkehr in Köln und einen Ausbau des ÖPNV. DIE LINKE setzt sich für einen fahrscheinlosen ÖPNV in Köln ein. Mit dieser Forderung haben wir im Wahlkampf großen Zuspruch erhalten. Dahin zu kommen ist ein weiter Weg. Wir freuen uns, dass jetzt eine breite Diskussion beginnt: Der KVB-Vorstand interessiert sich für das Thema und auch die Kölner Jusos. Wir wollen gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen an einer Verkehrswende arbeiten um auf die Anforderungen einer modernen Stadtgesellschaft in den nächsten 20 Jahren gerüstet zu sein.

Meine Damen und Herren, DIE LINKE wird sich als vierstärkste Kraft weiterhin widerständig und konstruktiv in den Kölner Rat einbringen.