Das Mahnmal soll nicht steinern sein, sondern die Herzen berühren

Jörg Detjen

Rede in der Ratssitzung am 11.02.2014

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

?Erst stirbt das Recht, dann stirbt der Mensch?.
Dieses Zitat war die Überschrift einer überregionalen Zeitung zu einem Artikel über die Solinger Morde vor 20 Jahren.

Den Morden von Solingen folgten 2004 die Morde der NSU. Die NSU verfolgte eine heimtückische Strategie, die über lange Zeit Erfolg hatte:
Eiskalt geplante Morde ohne erkennbare, konkrete Motive und Bekennerschreiben führten zu einer großen Verunsicherung vieler Migrantinnen und Migranten ? in Köln: in der Keupstraße und in der Probsteigasse.

Die Verunsicherungs-Strategie der Nazis ging auf. Ihr Höhepunkt war erreicht, als der damalige Innenminister Schily die Täter des Anschlages in der Keupstraße nicht in der rechten Szene sah.

So wurden zwischen 2004 und 2011 die 22 Opfer und viele Anwohner der Keupstraße bespitzelt und stigmatisiert. Türken und Kurden wurden von staatlichen Behörden verdächtigt und gegeneinander ausgespielt.

Als im November 2011 klar wurde, die NSU hat all die Morde begangen und staatliche Stellen schauten weg, begann nach einer ersten, schockierten Sprachlosigkeit eine intensive Diskussion die bis heute anhält.

Erst im Sommer 2012 gab es in der Keupstraße mit den Anwohnern eine erste Diskussionsveranstaltung. Der Kollege Walter Schulz und ich waren zugegen und haben uns in den folgenden Monaten für eine erneute Opferberatung eingesetzt, die im Juni 2013 mit Hilfe des Oberbürgermeisters und des LVR startete.

?Wir sind enorm spät dran?, hatte die Direktorin des LVR auf der Pressekonferenz zu Recht gesagt. Trotzdem: 9 Personen aus dem Kreis der 22 Opfer haben dieses neue Angebot in den letzten Monaten genutzt ? 9 Menschen, denen über viele Jahre großes Leid zugefügt worden ist.

Deshalb sollten wir ihnen mit Respekt und Anerkennung begegnen, insbesondere in der Diskussion um ein Mahnmal.

Zurzeit bereiten sich einige Opfer auf den NSU-Prozess vor, der sich vermutlich im April mit dem Anschlag in der Keupstraße beschäftigten wird. Sie haben im Moment für eine Diskussion über ein Mahnmal gar nicht die Zeit.

Eine solche Diskussion müssen wir aber führen. Deshalb unsere Bitte, lassen Sie uns diese Diskussion ohne Zeitdruck angehen. Die Formulierung aus dem Antrag, die Verwaltung solle kurzfristig einen Vorschlag machen, ist irritierend.

Wichtig ist: Wir müssen alle mitnehmen. Hierfür müssen wir uns die Zeit nehmen und die Diskussion nicht über´s Knie brechen. Wir sollten uns auch nicht wegen der Veranstaltung zum 10. Jahrestag unter Druck setzen.

Gerade weil so viel Hass und Zwietracht gesät wurde, müssen wir jetzt hinhören und alle einbeziehen. Und das braucht eine gewisse Zeit.

Dieses Mahnmal soll nicht steinern sein, sondern es soll die Herzen der Menschen berühren. Es soll uns auffordern dem Rassismus hier und überall zu begegnen.

Walter Schulz und ich haben eine Initiative für eine andere Akzeptanz für die Opfer angestoßen. Dabei haben wir gelernt, dass viele Opfer, Angehörige und Anwohnerinnen und Anwohner der Keupstraße all das noch nicht aufgearbeitet haben. Wir müssen reden, Vertrauen schaffen und wertschätzen.
Erst dann wird ein zu schaffenden Mahnmal auch wirklich überzeugend mahnen!