Besserer Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen für Geflüchtete und durch ihre soziale Herkunft benachteiligte Jugendliche

Gemeinsamer Antrag DIE LINKE/Piraten zur Ratssitzung am 22.09.2016

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,

die Antragsteller bitten Sie, folgenden Antrag auf die Tagesordnung der kommenden Sitzung des Rates zu setzen.

Beschluss:

Der Rat der Stadt Köln appelliert an die Landesregierung Nordrhein-Westfalens:

1.    durch eine Änderung des § 34, Absatz 6 des Schulgesetzes NRW, der die Beschulung an die Zuweisung zur Kommune koppelt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche sofort nach ihrer Ankunft eine öffentliche Schule besuchen können, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus

2.    die Berufskollegs für Schüler/innen bis zum Alter von mindestens 21 Jahren zu öffnen, in notwendigen Fällen bis 25 Jahren. Diese Öffnung gilt für geflüchtete sowie für durch ihre soziale Herkunft benachteiligte junge Erwachsene ohne Schulabschluss. Im Rahmen der Internationalen Förderklassen an Berufskollegs (IFK) werden dafür zum kommenden Schuljahr mindestens 5000 zusätzliche Plätze gebraucht.

3.    durch eine Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Weiterbildungskollegs die Grundlagen dafür zu schaffen, dass geflüchteten und anderen Jugendlichen nicht durch den fehlenden Berufstätigkeitsnachweis die Möglichkeit verwehrt wird, an der Tages- und Abendschule Köln (TAS) einen Schulabschluss nachzuholen

4.    die Volkshochschulen in Köln und in NRW aus Landesmitteln soweit zu unterstützen, dass die Honorare zwischen Integrationskursen und den übrigen VHS-Kursen angeglichen werden können, so dass die aktuelle Erhöhung der Honorare in den Integrationskursen des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf 35 Euro die Stunde nicht langfristig zu immensen Unterschieden bei der Honorarhöhe zu anderen der Integration dienenden VHS-Kursen führt

5.    deutlich mehr als bisher zusätzliche Lehrer/innen (darunter solche mit der Qualifikation "Deutsch als Zweitsprache", DaZ), Sozialarbeiter/innen und Schulpsycholog/innen im Schulwesen einzustellen, um an allen Schulen multiprofessionelle Teams sowie eine spürbar bessere Versorgung mit den genannten Professionen zu ermöglichen

 

 

Begründung:

Das Grundgesetz legt in Art. 1, Abs. 1 und Art. 2, Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3, Abs. 1 das Recht auf Bildung fest. Mit der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention 1992 und der Rücknahme aller ausländerrechtlichen Vorbehalte durch die Bundesrepublik im Jahr 2010 gilt es uneingeschränkt für alle Kinder und Jugendlichen, die sich in Deutschland aufhalten.

Die verstärkten Anstrengungen der Stadt, es mit einem umfangreichen und differenzierten Angebot allen Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, ihr Recht auf Bildung wahrzunehmen, sind begrüßenswert. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Integration von aus dem Ausland zugereisten Kindern und Jugendlichen - von denen 75 Prozent Flüchtlinge sind - in unser Bildungssystem dar. Gerade diese Kinder und Jugendlichen müssen durch ein Bildungsangebot, das mit dem Tag der Ankunft in Köln beginnt, in das Bildungssystem integriert werden. Dabei müssen bürokratische Hindernisse (Anmeldefristen o.ä.) schnell beseitigt werden.

Auch Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien müssen darin unterstützt werden, ihr Recht auf Bildung wahrnehmen zu können. In Nordrhein-Westfalen verließen im letzten Jahr 5,6 % der Schüler die Schule ohne Abschluss. Dieses Schicksal trifft insbesondere Schüler aus bildungsfernen, einkommensschwachen Elternhäusern und solche mit Migrationshintergrund. Sie benötigen zusätzliche Unterstützersysteme im öffentlichen Schulwesen.

Die Anstrengungen der Stadt als Schulträger werden aber nur dann erfolgreich sein, wenn allgemein das Land Nordrhein Westfalen seine originären Aufgaben im Bildungssystem besser wahrnimmt. Es müssen mehr und vor allem für ihre Aufgaben genügend qualifizierte Lehrkräfte für die Integrationsklassen wie für den muttersprachlich bilingualen Unterricht ausgebildet und eingestellt werden.

Zum anderen müssen bürokratische Hürden für junge Flüchtlinge, Migrant/innen und Behinderte, die älter als 18 Jahre alt sind, unverzüglich beseitigt werden. Insbesondere die Begrenzung der Schulpflicht auf das 18. Lebensjahr und die Schließung der vollschulischen Bildung für ältere junge Erwachsene ist eine für die Integration dieser Jugendlichen schädliche Entscheidung. Der "Kölner Runde Tisch für Integration", der Kölner "Beirat Schule - Beruf" sowie der Kölner Flüchtlingsrat haben sich bereits dafür ausgesprochen, dass über 18-jährige Jugendliche wieder Zugang zu den Berufskollegs erhalten. Dies kann auch sozial benachteiligten Jugendlichen zum nachträglichen Erwerb eines Abschlusses verhelfen.

Der Zwang, eine Berufstätigkeit nachzuweisen, verwehrt es von vorneherein großen Gruppen von potentiellen Schülern die Tages- und Abendschule Köln zu besuchen, sei es, dass eine zweigleisige Schulausbildung und Berufstätigkeit sie überfordert, sei es, dass ihr Status als Geflüchtete oder die Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes ihnen eine Berufstätigkeit verwehrt, die Voraussetzung für den TAS-Besuch ist.

Die Volkshochschule Köln hat ihr Angebot zur Integration von Geflüchteten stark ausgebaut und setzt diesen Ausbau fort. Die in den Deutsch- und Integrationskursen der Volkshochschule Köln arbeitenden Dozent/innen müssen jedoch von ihren Einkommen angemessen leben und für das Alter vorsorgen können. Um der drohenden Abwanderung von Dozent/innen in diesen Kursen von den Volkshochschulen vorzubeugen, hat bereits das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Sommer die Honorare auf 35 Euro die Stunde erhöht. In Kursen für "Deutsch als Fremdsprache" werden an der VHS Köln aber weiterhin 23 Euro die Stunde bezahlt. Damit ist die Gefahr des Wechsels der qualifizierten Fachkräfte von der VHS in andere Institutionen nicht gebannt. In anderen Ländern, z.B. Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg, haben Zahlungen aus dem Landesetat die Erhöhung der Honorare möglich gemacht. So zahlt die VHS Mannheim bereits zum September 2016 35 Euro die Stunde an Lehrende in DaF-Kursen.

Der Anstieg von Geflüchteten in unseren Bildungseinrichtungen macht es nötig, dort mehr neue und passgenaue Angebote bereitzustellen, die aber auch sozial benachteiligten Jugendlichen mit oder ohne Migrationshintergrund zu Gute kommen. Er ist die einmalige Chance, unsere Bildungseinrichtungen qualitativ auszubauen und sie bereit für die Bewältigung zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen zu machen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

gez.

gez.

Michael Weisenstein

Lisa Gerlach

Fraktionsgeschäftsführer

Piratengruppe