Alternative soziale Wohnformen unterstützen!

Andrea Kostolnik

Viele alternative Wohn- (und manchmal auch Kultur-)projekte beginnen mit einer Haus- oder Geländebesetzung. Das führt nicht nur zur Verbesserung der Wohnsituation der Besetzergruppe. Von den Anfängen in den 70er Jahren bis heute haben sie sich oft zu gemeinnützigen Projekten oder Impulsgebern entwickelt, haben das Leben auch in ihrem Umfeld verändert und prägen sogar die Freizeitkultur dieser Stadt.

So gehen die Bürgerzentren Alte Feuerwache und Stollwerk auf die Besetzung der Gebäude 1978 und 1980 zurück, ebenso der Engelshof in Porz oder die MüTZe in Mülheim. Die SSK (Sozialistische Selbsthilfe Köln) mit ihren verschiedenen Standorten hat sich aus der Bewegung der Fürsorgezöglinge entwickelt, die damals zu hunderten aus Heimen flohen und auf der Straße lebten und ihren Unterstützern, Sozialarbeiter*innen und Student*innen.

Dabei wurden Häuser oft nicht nur besetzt, um einen Raum zum Leben zu haben. In der Regel wurden auch neue Formen des Zusammenlebens etabliert. Dazu gehörten oft basisdemokratische Entscheidungsstrukturen der Hausgemeinschaft genauso wie die Ablehnung kapitalistischer Erwerbs- und Verwertungsstrukturen, z. B. indem alle Einkommen in eine gemeinsame Kasse eingezahlt und vergesellschaftet wurden.

Hausbesetzung findet in der Regel dort statt, wo Häuser über einen längeren Zeitraum nicht bewohnt werden. Oft lassen die Immobilienbesitzer den Wohnraum bewusst leer stehen. Sie rechnen damit, dass der Verkaufserlös mit der Zeit automatisch steigt, und wollen sich die Aussicht auf einen ordentlichen Spekulationsgewinn nicht von lästigen Mietern mit Mieterrechten gefährden lassen. Oder sie scheuen die notwendigen Investitionen, um Häuser bewohnbar zu halten.

Das wird heute zum großen Problem, denn Wohnraum in der Stadt fehlt in großem Umfang. Dadurch steigt auch die Akzeptanz dafür, Wohnraum auch dann zu nutzen, wenn kein reguläres Mietverhältnis (mehr) vorliegt. Das konnte man zuletzt an der riesigen Solidaritätsbewegung von vielen Nachbarn für Kalle Gerigk sehen, der 2015 aufgrund einer geplanten Luxussanierung zwangsgeräumt werden sollte. Dessen Unterstützer aus der Nachbarschaft standen nicht unbedingt im Verdacht, mit klassisch linken Hausbesetzerwohnträumen zu sympathisieren. „Alle für Kalle“ und später „Kalle für alle“ waren die Schlachtrufe, die ausdrückten, dass Wohnungsspekulation und der damit verbundene Verlust der Wohnung und des gewohnten Wohnumfeldes ein gravierendes Problem ist, das jeden Mieter betreffen kann.

Eine Kleinfamilie zu gründen und mit ihr abgeschlossen in einer Wohnung zu leben, ist lange die einzig denkbare Lebensform für viele Menschen gewesen. In den letzten Jahrzehnten haben sich Lebensentwürfe und die Möglichkeiten, sie zu verwirklichen, aufgefächert. Der Wünsche vieler Menschen, alternative Formen des Zusammenlebens zu praktizieren, nehmen zu.

Viele dieser Projekte etablieren sich, wenn sie die erste schwierige Zeit überstehen. Das nützt nicht nur denen, die so eine neue Wohnung gefunden haben. Diese Projekte beeinflussen die gesamte Wohnsituation in der Stadt positiv und müssen deshalb unterstützt werden.

Sie bieten auf Dauer preisgünstigen Wohnraum in der Stadt und ermöglichen auch Menschen mit geringem Einkommen, in der Stadt zu leben. Sie tragen so auch zu einer sinnvollen sozialen Durchmischung der Quartiere bei.

Sie leisten darüber hinaus einen Beitrag zur Reduzierung von Wohnungsnot, da sie in der Regel lange unbewohnte und damit dem Wohnungsmarkt entzogene Häuser wieder einer Wohnnutzung zuführen. Das ist vor nicht allzu langer Zeit im über fünf Jahre leerstehenden Haus in der Zülpicher Str. 290 so geschehen. Nach der Besetzung konnte die Stadt im Einvernehmen mit den ehemaligen Besetzern und der Hausverwaltung eine Mietnutzung für Geflüchtete und Studenten etablieren sowie ein kulturelles Zentrum unterbringen.

Schließlich können alternative Wohnprojekte verbunden mit einer Ansiedlung von alternativem Kleingewerbe zusätzlich zu einer Reduzierung von Erwerbslosigkeit und den damit verbundenen Kosten führen, wie es z. B. der Bau der neuen Möbelhalle der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM) beweist. Die Stadt gewährt jetzt Zuschüsse für den Bau einer Möbelhalle, in der gearbeitet wird, und auf der Wohnungen für acht Menschen entstehen. Diese werden dann von ihrer Arbeit durch die Erlöse des Möbelverkaufs leben statt von ALG II. Die Stadt spart künftig die Kosten der Unterkunft, die acht Möbelwerker sich die Demütigungen und Zumutungen des Hartz IV-Regimes.

Dieses Projekt lag im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung zu Beginn des Jahres 2016 auf Eis. Andere Projekte scheitern an den kurzfristig nicht verfügbaren liquiden Mitteln. Die Übernahme eines besetzten Hauses in der Ferdinandstrasse durch die Stadt Köln kam letztlich zwar durch den baulich schlechten Zustandes des Objekts nicht zustande, hätte vermutlich aber auch im anderen Fall nicht durchgeführt werden können, weil so schnell kein Geld im Haushalt der Stadt Köln zur Verfügung stand.

Hier stellt sich die Frage, wie grundsätzlich und konzeptionell mit – oft adhoc – initiierten Projekten umgegangen werden kann. Die Stadt sollte daran interessiert sein, da auch auf diesem Wege dringend benötigter Wohnraum geschaffen wird. Viele dieser Projekte brauchen dazu eine kurzfristige, geringe Anschubfinanzierung, um beginnen zu können. Dazu werden auch bereits Fördermittelmittel aus der Wohnungsbauförderung eingesetzt. DIE LINKE möchte dazu einen zusätzlichen kommunalen Fördertopf einrichten. Denn die langfristigen Einsparungen für den städtischen Haushalt dürften dabei weit höher sein. Dazu werden wir im nächsten Sozialausschuss eine Anfrage stellen.

Doch auch bestehende und bedrohte Projekte brauchen unsere Solidarität. Der Bauwagenplatz an der Krefelder Straße, das Autonome Wohn- und Kulturzentrum LC 36 oder das AZ am Eifelwall sind in ihrer Existenz bedroht. Auf der Demonstration am 17. Juni kann man Solidarität ganz praktisch umsetzen.